Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 2.1867

DOI Heft:
Heft 5
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44082#0129
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Tod und Leben.
Novelle von Wugust Schrader
(Fortsetzung.)
— Fünfundzwanzigtausend Thaler! wie-
derholte Frau Keßler. Sie sind plötzlich
ein steinreicher Mann geworden!
— Herr Schulmeister!
— Was beliebt, Herr Keßler?
— Wer war denn eigentlich Ihr Pfle-
gevater?
— Habe ich cs Ihnen noch nicht ge-
sagt?
— Ich wüßte nicht ... der brave
Mann interessirt mich . . .
— Er war Arzt auf dem Lande und
nannte sich Doktor Espe.
— Und bei ihm haben Sie die Schwester
kennen gelernt?
— Nein, ich habe die Dame nie ge-
sehen. Sie mag sich wohl des Pflegesohns
ihres Bruders erinnert haben, da sie selbst
unverheirathet war.
— Ah so, das mag sein! Legen Sie
Ihr Geld gut und sicher an, Herr Sand-
mann, was in unserer Zeit nicht so leicht ist.
— Ich werde so frei sein, mir Ihren
Rath einzuholen, Herr Keßler; Sie sind
ein erfahrener Mann . . . brauchen Sie
einen Theil davon zu gewissen Unterneh-
mungen, so stehe ich zu Diensten ... ich
bin in der Geschäftswelt unbekannt . . .
Ganz gegen die eingeführte Hausord-
nung erhob sich Andreas plötzlich, grüßte
mit dumpfer Stimme und verließ das Zim-
mer. Klärchen sah ihm bestürzt nach; sie
mußte bleiben bis das Gebet gesprochen war.
— Was ist denn das? fragte Frau
Keßler.
— Laß ihn, Frau!
— Der Mensch wird immer sonder-
barer.

— Ihm ist wohl eingefallen, daß er etwas! — Konnte es auch besorgen, wenn gebetet
vergessen hat. I war. Ich weiß nicht, es wird immer ärger...
— Laß ihn, Frau, er ist einmal ein


sonderbarer Mensch.
— Mann, Du trittst ihm stets die
Brücke!
— Weil ich seine Fähigkeiten und seine
Rechtschaffenheit zu schätzen weiß. So ei-
nen Gehülfen bekomme ich in meinem gan-
zen Leben nicht wieder.
— Nun ist der Streit fertig! Mann,
Du wirst sehen, wir erleben nichts Gutes!
— Schweige jetzt, Frau! Du sprichst
von Dingen, die Du nicht verstehst! In
Gegenwart eines Gastes . . .
— Eben deßhalb rede ich ... Der
Herr Schulmeister mag nun entscheiden, ob
mein Mißtrauen gerecht ist oder nicht. Der
Mensch kommt mir verdächtig vor.
— Mutter! bat Klärchen.
Keßler war aufgestanden und suchte er-
regt nach seiner Pfeife.
— Verzeihen Sie mir, sagte salbungs-
voll der Schulmeister, wenn ich auf den
Wunsch der Frau vom Hause meine Stimme
abgebe. Ich habe nur selten Gelegenheit
gehabt, Ihren Gartenarbeiter zu sehen und
zu hören . . . aber das Benehmen, dessen
er vorhin sich schuldig machte, spricht sehr
wenig zu seinen Gunsten. Düstern Blicks
saß er da, als ich von den edlern Gütern
des Menschen sprach . . . haben Sie es
wohl bemerkt?
— Gewiß, gewiß! rief Frau Keßler.
— Das Wort „Gewissen" mag ihm
wohl schrecklich sein! Jndeß, wir wollen
nicht vorschnell verurtheilen, denn der Mensch
ist nicht immer Herr seiner Stimmungen,
die ihn überfallen wie der Dieb in der Nacht.
— Nein, Herr Schulmeister, es wird
mir zu bunt! rief ärgerlich die Mutter.
Der Gehulfe wächst uns über den Kopf,
weil ihm mein Mann zu verstehen gegeben

t7


Portal der ^thamdra. (S. Seite 148.)
 
Annotationen