Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 2.1867

DOI Heft:
Heft 5
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44082#0130
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
122 <Ze>-

hat, daß er, Andreas, ihm unentbehrlich ist.
Früher war er die Bescheidenheit selbst, da hielt
er es für eine große Ehre, daß er mit uns am
Tische essen konnte . . . Zweimal schon Hat er
den Dienst aufgesagt ...
— Ist Deine Sache nicht! rief der Eheherr.
— Matthias, laß Dir von Deiner Frau
rathcn!
— Brauche Deinen Rath nicht!
— Da haben Sie's, Herr Schulmeister! So
etwas ist früher nicht vorgekommen, wir haben
immer in friedlicher Ehe gelebt, wie es sich für
gute Christenmenschen schickt. . . Dieser Andreas
ist zu unserm Elende in das Haus gekommen.
Zank und Streit hat er gebracht, und es sollte
mich nicht wundern, wenn er auch noch Schande
und Schimpf anrichtete.
— Frau! rief zornig der Gärtner.
Und dabei hob er drohend die Pfeife empor.
— Sehen Sie den Wütherich!
— Du vertreibst mir meinen besten Arbeiter!
— Ich spreche nur zu unserm Nutzen.
— Was hat Dir Andreas gethan? He, rücke
heraus mit der Sprache! .
— Er ist übermüthig geworden. Wenn er-
gehen will, mag er gehen, wir dürfen ihn nicht
halten. Bist sonst so stolz und jetzt thust Du,
als ob in der ganzen Welt ein Gehülfe nicht
zu finden wäre. Der Andreas weiß längst, daß
er Dich kirren kann ... vor mir hat er gar
keinen Respekt mehr , . .
— Aha, das ist es!
— Anfangs hat ihm die Erhöhung des Lohns
genügt, jetzt wird er schon etwas Anderes fordern.
— Was denn? Was denn, Frau?
— Es sollte mich nicht wundern, wenn er
Klärchen verlangte.
— Das mag er!
— Mann, ich glaube gar . . .
— Glaube was Du willst, der Andreas ist
ein rechtlicher Kerl, den ein vernünftiger Mensch
nicht abweist.
Frau Keßler schlug die Hände über dem Kopfe
zusammen.
— Gerechter Himmel, da haben wir's! Mann,
der hergelaufene Arbeiter hat Dich angesteckt!
Habe ich mir es doch gedacht! Nein, nun ist es
rein aus . . . Ich habe auch noch ein Wort
mitzureden und ich werde es reden. Sehen Sie,
Herr Schulmeister, der weiß schon, was der An-
dreas will. Er gibt ihm die Tochter, damit er
bleibt ... Ist denn so etwas erhört auf der
Welt? Ich sage nein und tausendmal nein!
Bleibt der Andreas im Hause, so gehe ich hin-
aus ... Da steht das arme Mädchen und meint
. . . beruhige Dich, Klärchen, Du sollst nicht
verkauft werden wie eine Waare . . .
Die Tochter warf sich schluchzend an den
Hals der Mutter.
— Siehst Du, rief diese, das hast Du an-
gerichtet! Klärchen will den unheimlichen Mann
nicht, und ich kann ihr nur Recht geben. Be-
ruhige Dich nur, armes Kind, Du hast eine
Stütze an mir so lange ich lebe!
Der Schulmeister lächelte still vor sich hin;
er wußte mehr als die Eltern wußten. Jetzt
hatte er auch noch einen tieferen Blick in die
häuslichen Verhältnisse des Gärtners gethan, und
nun konnte er sein Verfahren danach einrichten.
Mutter und Tochter begannen den Tisch abzu-
räumen. Als Beide sich entfernt hatten, fragte
Keßler:
— Was meinen Sie zu dem Streite?
Sandmann zuckte mit den Achseln.
E8»ist traurig, daß es so weit kommen

. mußte, mein lieber Herr Keßler. Der ladet eine
schwere Verantwortung auf sich, der das Glück
einer Ehe stört. Wäre ich an des Andreas
Stelle, ich würde so rasch als möglich das Weite
suchen, denn nur so kann die Ruhe hergestellt
werden.
— Was aber wird aus meinem Geschäft?
— Es wird fortbestehen auch ohne den Ge-
hülsen. Bedürfen Sie eines Kapitals, so stehe
ich zu Diensten . . . Sie kennen ja das Erbe,
das mir zufällt . . . Versöhnen Sie sich mit
Ihrer treuen Lebensgefährtin ... cs ist nicht
gut, daß die Sonne untergehe über unserm Zorn.
Außerdem gebe ich Ihnen zu bedenken, daß es
sich um eine sehr ernste Sache handelt. Prüfen
Sie zuvor sorgfältig, und dann beschließen Sie.
Mit dem Andreas ist es nicht ganz richtig, das
sieht ein blödes Auge; er scheint bleiben zu wol-
len, aber ein schweres Verhüngniß treibt ihn
fort. Prüfen Sie, prüfen Sie, ehe Sie die
Bande fester ziehen, die Sie und den Gehülfen
umschlingen. Dies ist der Rath, den ich als
Freund Ihnen zu ertheilcn für Pflicht erachte.
Die Ruhe und das Glück der Familie müssen
Ihnen höher stehen als das Geschäft. Sie sind
ja schon ein wohlhabender Mann . . . Das, was
Sie an materiellen Gütern noch erwerben, steht
in keinem Verhältnisse zu dem, was Sie als
Familienvater verlieren. Ich bin ein Mann
wie Sie, muß aber doch bekennen, daß die Frauen
in der Regel schärfer blicken als wir Männer.
Unterschätzen Sie deßhalb die Ansichten der Frau
Keßler nicht, die, wie mir scheint, nicht ganz
ohne Grund sind.
— Man soll immer das Beste denken von
seinem Nebenmenschen! rief der Gärtner.
— Gut und löblich, lieber Freund! So lange
es geht, ja! Aber die heilige Schrift sagt: Seid
klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie
die Tauben.
— Werde mir es überlegen!
Keßler zündete die Pfeife an, setzte sich in
den am Fenster stehenden Lehnstuhl und begann
zu rauchen. Frau Keßler kam und ging, sie
besorgte gewissenhaft ihre Pflichten als Haus-
frau. Man sah es ihr wohl an, daß sie heftig
erregt war. Der Schulmeister blieb noch kurze
Zeit, dann nahm er Abschied, da heute an eine
friedliche Abendplauderei nicht zu denken war.
Klärchen saß im Hofe auf der Bank; sie hatte
die Arme unter die weiße Schürze gesteckt und
starrte sinnend zu Boden. Sandmann mußte
an ihr vorübergehen.
— Gute Nacht, liebes Klärchen!
— Gute Nacht, Herr Schulmeister!
— Beruhigen Sie sich, es wird noch Alles
gut werden. Nach dem Sturme tritt stets gutes
Wetter ein. Vergessen Sie nicht, daß ich Ihnen
in aufrichtiger Freundschaft zugethan bin . . .
Das Glück, das mir geworden, ändert meine
Gesinnungen nicht . . . ich theile Alles gerne
und willig mit Ihnen.
— Danke, Herr Schulmeister!
— Vergessen Sie das nicht!
— Nein! antwortete sie kaum hörbar.
— Gute Nacht!
— Gute Nacht!
Der Schulmeister verließ den Hof.
— Du wirst schon gefügig werden! mur-
melte er im Gehen. O, wäre ich doch schon im
Besitze des Erbes! Der Magister muß sich be-
eilen ... So hätte ich denn die Saat ausge-
streut, die mir eine reiche Ernte bringen soll.
Die Mutter bleibt fest, ich kenne sie . . . der
Vater beginnt schon zu schwanken, dies merkt i

- ein Kind . . . und die Tochter wird gehorsam
sein, wenn der gefährliche Gartenknecht entfernt
ist. Da eröffnet sich mir mit einem Schlage
eine herrliche Aussicht! Freilich habe ich di«
Worte des sterbenden Doktors gehört... ich
befand mich ja im Nebenzimmer und konnte jede
Srflbe deutlich verstehen ... Es ist meine Pflicht,
daß ich das Verbrechen an das Licht bringen
helfe!
Klärchen weinte still vor sich hin.
— Was gäbe ich drum, dachte sie, wenn
ich in dem Herzen des Andreas lesen könnte!
Er muß mich doch nicht so recht lieb haben,
sonst müßte er mir Alles, Alles mittheilen. Ich
könnte ihm jede Kleinigkeit sagen, die hier vor-
geht . . . wahrhaftig, ich könnte ihm sogar ge-
stehen, wenn ich einen Fehler begangen hätte,
das fühle ich ... er aber bleibt verschlossen
und spricht höchstens in unverständlichen Worten
zu mir. Mein Gott, wie viel kann ich anneh-
men und vermuthen! Nein, für einen bösen Men-
schen halte ich ihn nicht, der Vater sagt ja auch,
daß er brav wäre; was soll ich nun anfangen?
Ich muß die Dinge gehen lassen wie sie eben
gehen ... der Monat ist bald nm und dann
. . . dann zieht Andreas ab. Ach, ich wollte,
er wäre gar nicht gekommen, das märe besser
für mich.
Traurig ging sie-in das Haus und besorgte
die letzten Geschäfte in der Küche.
— Grete! rief Keßler, als sein Weib, das
die Lampe auf den Tisch gesetzt hatte, die Stube
verlassen wollte.
— Was gibt's? fragte sie kurz.
— Bleibe bei mir.
— Ich will mich diesen Abend nicht mehr
ärgern.
— Tas sollst Du auch nicht. Wir sind zu-
sammen alt und grau geworden, und wollen
nun die Früchte unseres Fleißes in Ruhe genie-
ßen. Gib mir die Hand, Alte!
— Das hättest Du vor einer Stunde be-
denken sollen, ehe Du mich in Gegenwart des
Schulmeisters so derb anließest. Ich meine es
nur gut und weiß, was ich spreche..
— O, ich glaube Dir ja! Gib mir die Hand,
Grete!
— Wenn Du mir versprichst, den Andreas
ziehen zu lasten, diesen Zankapfel . . .
— Und wer kommt an seine Stelle?
— Es wird sich schon Jemand finden.
— Vielleicht der Schulmeister? fragte der
Eheherr.
— Warum nicht?
— Das wäre mir mein Mann!
— Er kann den elenden Posten aufgeben,
da er reich ist.
— Der schlaue Fuchs! Frau, Du rühmst
Dich, klug zu sein, und merkst die Absicht dieses
Menschen nicht! Unsere Tochter steckt ihm in der
Nase . . . daraus wird nichts. Uebrigens frage
Klärchen, ob sie den Schulmeister will.
Grete ward heftig.
— Will sie etwa den Andreas? rief sie laut.
— Ich habe sie noch nicht gefragt.
— So frage sie.
— Zanken wir uns doch nicht um des Kai-
sers Bart, Grete! Klärchen nimmt den, den sie
lieb hat, und damit abgemacht. An's Heirathen
ist vor der Hand noch gar nicht zu denken . .
In diesem Augenblick wurde an die Thüre
geklopft.
— Wer ist denn da noch so spät?
Grete ging und öffnete. Eine elegant ge-
kleidete Dame stand an der Schwelle. Ihr Ge-
 
Annotationen