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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 2.1867

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Heft 7
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https://doi.org/10.11588/diglit.44082#0189
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Lod und Leben.
Novelle vou August Schrader.
(Schlich.)
Der Gärtner und die Wittwe hatten das
Gasthaus erreicht; sie betraten ein besonderes
Zimmer im Erdgeschoß und warteten auf die
Rückkehr Klärchens. Leo ward unruhig; er äu-
ßerte Besorgnisse wegen des langen Ausbleibens
seiner Braut, so nannte er schon die Tochter
des Gärtners.
— Sind Sie nun ganz glücklich? fragte
Amelie. Hat Ihr Herz volle Befriedigung ge-
funden?
— Ja! antwortete Leo bestimmt. Ich bin
zu der Erkenntniß gelangt, daß man Gegenliebe
gewaltsam nicht fordern kann, ohne einen maß-
losen Egoismus an den Tag zu legen. Mußten
Sie mich denn wieder lieben, weil ich Sie
liebte?
— Leo, ich habe Sie stets geschätzt . . .
An meinem guten Willen, Sie glücklich zu machen,
hat es nie gefehlt; aber das Herz läßt sich nicht
tyrannisiren ... die Freundschaft, die ich da-
mals für Sie empfand, ist noch heute dieselbe
. . . Seien Sie glücklich, recht glücklich in der
Liebe zu dem guten und schönen Mädchen, das,
so verräth Alles, Ihnen herzlich zugethan ist.
Sollten sich Ihnen Schwierigkeiten entgegen-
stellen, die durch irdischen Mammon zu beseiti-
gen sind, so zählew Sie auf mich.
Sie reichte ihm mit dem Ausdrucke tiefer
Empfindung die Hand.
— Erröthen Sie nicht, fügte sie weich Hin-
zu, ich kann mir Ihren Seelenzustand, in dem
Sie sich an den Arzt wandten, um mir das
Vermögen zu erhalten, lebhaft denken . . . Auch
Antonie ist Ihnen dankbar, Sie haben ihr eine
Existenz gegründet, obgleich sie den Doktor nicht
mit ganzer Seele lieben kann. An Ihrer Seite
würde sie glücklich gewesen sein ... sie hat es
mir noch vor Kurzem gestanden.

— Ich konnte sie nicht lieben! ries Leo mit
einem Seufzer.
— Da haben Sie meinen Fall. Zwischen
Liebe und Freundschaft liegt ein weites Feld!
— Klärchen hat meine Aussöhnung mit dem
Leben vermittelt, sie ist halb Antonie, halb
Amelie!
— Danken Sie ihr durch Treue und Er-
gebenheit, sie ist Ihr Schutzengel!
— Wie steht es mit Ihnen, Amelie?
Sie seufzte schwermüthig lächelnd.
— Ich hoffe, daß auch ich bald Ruhe fin-


vir Äudrngajse in Frankfurt a. M. (S. Seite 209.)


den werde. Die Angriffe des Magisters werden
ja nun wohl abzuschlagen sein, da Fräulein
Espe uns wirksame Waffen geliefert hat. Das
Tagebuch gibt wohl noch Aufschlüffe, die uns
nützen können.
Amelie war an das Fenster getreten.
— Dort kommt Klärchen! rief sie.
Leo trat an die Seite der Wittwe. Er kam
noch zur rechten Zeit, um ein seltsames Begeg-
nen zu beobachten. In dem Augenblick, als
Klärchen über die Straße ging, trat ihr ein
kleiner Herr entgegen, der höflich grüßte und
sie dann freundlich anredete.
— Der Magister! rief Amelie.
— Ehrenfried Kind?
— Derselbe.
— Er scheint meiner Braut nachzustellen.
— Ziehen wir uns hinter die Gardine zurück.
Es geschah. Klärchen näherte sich dem Hause
so, daß sie dicht unter dem Fenster stand. Der
Magister war ihr gefolgt; er lächelte wie ein
Satyr dem reizenden Mädchen zu, das, wie es
schien, einen Scherz mit ihm treiben wollte, denn
es sah malitiös auf den kleinen Mann nieder,
der überaus elegant gekleidet war und einen
neuen glänzenden Hut trug. Seine Händchen
waren mit aschgrauen Handschuhen bekleidet.
Den Goldknopf eines Nohrstöckchens hielt er an
das Kinn, während er sprach.
— Ich habe bis jetzt vergebens auf Ihren
Besuch gewartet, mein liebes Kind!
— Thut mir leid, konnte nicht kommen.
— Bedürfen Sie meines Rathes nicht mehr?
— Nein!
— Auch meiner Hülfe nicht?
— Eben so wenig.
— Ah, ich erratye! Das Herzchen ist befrie-
digt und ein Unglück nicht mehr vorhanden;
wünsche Glück, viel Glück!
— Was soll das heißen, mein Herr?
— Ich habe erfahren, das Sie einen wür-
digen Mann hcirathen, einen braven Charakter,
der Sie herzlich liebt.

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