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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 2.1867

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Heft 4
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https://doi.org/10.11588/diglit.44082#0101
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Tod und Leden.
Novelle von Uugull Schrader.
(Fortsetzung.)
Wir betreten das Putzzimmer des Fräuleins
Adele Häuslein. Entspricht die Einrichtung des-
selben auch nicht dem neuesten Geschmack, so ist
sie doch glänzend und werthvoll. Sauberkeit
und Ordnung herrschen Überall. Mit peinlicher
Genauigkeit sind die einzelnen Gegenstände auf-
gestellt. Der Beobachter würde sofort erkannt
haben, das; hier die Hand einer alten Jungfer
waltete. Wie, wird der Leser fragen, läßt sich
dies erkennen? Es liegt etwas Eigenthümliches
in der Umgebung einer solchen Dame, etwas
altmodisch Kokettes, das
sich ebensowohl fühlen
als mit den Sinnen ver¬
nehmen läßt. Die alten
Jungfern sind in der
Regel geizig, wenigstens
doch in hohem Grade
ökonomisch; es soll dies
Niemand merken, da¬
rum putzen sie alle Ge¬
genstände heraus, daß
sie neu erscheinen. Sie
verbergen das Alter
ihrer Person mit der¬
selben Aengstlichkeit, als
das Alter ihrer Sachen.
Dies giltvorzüglich von
solchen bejahrten Da¬
men, die die Hoffnung
auf einen Mann noch
nicht aufgegeben haben.
Zu dieser Kathcgorie
zählte Fräulein Adele.
Es hatten sich bei ihr
schon verschiedene Freier
gemeldet, aber alle wa¬
ren zurückgetreten, nach¬

dem sie die Holde näher kennen gelernt. Der
! Reiz des großen Vermögens, das sie besitzen
sollte, war nicht mächtig genug, die Antipathie
zu besiegen, die ihre Person hervorrief. Sie
hatte schon einmal ernstlich geliebt; leider war
der Geliebte ihr untreu geworden und hatte
ein armes, aber schönes Mädchen geheirathet.
Die Frömmelei, der sie ergeben, lag in der
Familie. Die Welt indeß behauptete, Vater
Häuslein habe nicht immer als Christ gehan-
delt, der Ursprung seines Vermöges sei ein
verwerflicher. Konnte man der Tochter einen
Vorwurf daraus machen? Der Magister Ehren-
sried Kind kümmerte sich nicht darum; er machte
der reichen Erbin auf seine Weise den Hof, da
er bei der Wittwe Bosen entschieden Unglück

gehabt. Während er dort durch Drohungen er-
preßte, suchte er hier durch Liebe zu gewinnen.
Die Bekanntschaft mit der Schönen hatte er auf
dem Friedhöfe gemacht und in der Kirche fort-
gesetzt. Beobachten wir ihn.
— Fertig? fragte er hold lächelnd, indem
er eintrat.
Die Dame stand noch vor dem Spiegel.
— Im Augenblick, mein lieber Freund!
— Sie bedürfen des Aufputzes nicht.
— Ich würde den Flitter verschmähen, wenn
ich der bösen Welt gegenüber nicht darauf hal-
ten müßte.
Sie setzte ein schwarzes Häubchen auf das
blonde Haupt.
— Die Welt, die Welt! rief seufzend der
kleine Herr. Sie zwingt
nicht selten zu Hand-
lungen, die der Fromme
verschmäht. Gott sieht
auf das Herz, nicht auf
die äußere Hülle. Die-
sem Satze muß der gute
Christ huldigen. Die
Schätze des Herzens sind
unvergänglich, der ir-
dische Mammon schwin-
det oft über Nacht.
— O, wie schön
und wahr sprechen Sie!
Er wollte ihr den
kurzen Hausmantel ab-
nehmen.
— Bitte! rief sie,
zurücktretend.
— Gestatten Sie
mir diesen kleinen Lie-
besdienst.
Adele verneigte sich
und schlüpfte in das
angrenzende - Kabinct.
Als sie nach zwei Mi-
nuten zurückkam, trug

Vas Schloß von Versailles. (S. S. 118)
 
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