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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 2.1867

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Heft 7
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https://doi.org/10.11588/diglit.44082#0190
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183 <A-

— Das haben Sie erfahren? ries Klärchen
verwundert.
— Ja, mein Kind!
— Und von wem, wenn es erlaubt ist zu
fragen?
— Die göttliche Fügung setzt mich von Allem
in Kenntniß, bei dem ich mitwirken soll. Es
besteht ein geistiger Rapport unter den From-
men . . . Ah, Sie verstehen mich nicht, mein
Kind! So will ich mich deutlicher erklären . . .
reichen Sie dem Manne, der sich um Sie be-
wirbt, recht bald die Hand, denn Gott hat es
ihm eingegeben, daß er Sie zur Frau begehren
solle. Das Füllhorn der himmlischen Gnade
wird sich über Sie ausschütten, wenn Sie der
Stimme von oben Folge leisten.
— Was sagt denn diese Stimme? fragte
Klärchen, deren Verwunderung sich mit jedem
Augenblick mehrte.
— Die Ehen werden im Himmel geschlossen.
— Das habe ich schon einmal von unserm
Pfarrer gehört.
— Der Schulmeister von Eichstedt ist ein
Mann Gottes.
— Ich will es glauben.
— Der Gehülfe aber ist ein Sündenkind,
das der Teufel in das Haus gebracht hat.
— Der Teufel?
— Ja, mein liebes Klärchen.
— Es soll doch keinen Teufel mehr geben . .,
— Lüge, Lüge! Er schleichet überall um-
her in Lammesgestalt und suchet, die er ver-
schlinge!
— Das ist ja entsetzlich!
— Sie hat er sich zum Opfer auserkoren
und Ihren braven Vater hat er verblendet durch
Glanz und Schimmer des Mammons, der da
ist Baals und seiner Genossen. Ihre gute Mut-
ter ist noch vorurtheilsfrei, die Gnade lebt noch
in ihr und das Licht der Weisheit erleuchtet
und erwärmt sie. Die Mutter ist für die Toch-
ter die Gesandtin Gottes, die Zunge, durch die
der Allgegenwärtige spricht. Hören Sie auf
diese Zunge, sie verkündet Heil und Segen.
Klärchen hatte erstaunt die Hände gefaltet.
— Woher wissen Sie denn das Alles, mein
Herr?
— Der Allwissende hat es mir im Traume
verkündet, das; ich helfen und retten solle eine
verlorene Seele, daß ich das Böse ausrotte und
das Gute fördere. Erkennen Sie die wunder-
bare Fügung des Himmels! Er führte mich
Ihnen entgegen und beschleunigte so das edle
Werk der Rettung! Sie mußten von dort, ich
mußte von hier kommen in einem und demsel-
ben Augenblick . . . Dies hat nicht das Ohn-
geführ gethan, es liegt eine tiefe Bedeutung da-
rin, die der Mensch erkennen soll. Ich habe
mich des göttlichen Auftrags nun entledigt; be-
herzigen Sie meine Worte und handeln Sie da-
nach, daß der Teufel in Lammesgestalt Sie nicht
verschlinge. Der Weg der Gnade ist Ihnen
noch einmal geöffnet, betreten Sie ihn ohne Zö-
gern, und Sie werden in das Paradies einer
glücklichen Ehe gelangen.
— Herr Magister, sagte Klärchen, wollen
Sie mir einen Gefallen erweisen?
— Gern, denn es ist mir eine heilige Pflicht,
Presthasten und Bedrängten beizustehen.
— Kommen Sie nach Eichstedt und sprechen
Sie mit meinem Vater; das klebrige findet sich.
Aber kommen Sie bald, daß der Streit in un-
serem Hause beigelegt werde.
— Morgen, Nachmittags!
>— Sie sind stets willkommen!

Klärchen schlüpfte in das Hofthor des Gast-
hauses. Der Magister sah ihr mit stechenden
Blicken nach, dann verschwand er zwischen den
Paffanten in der Straße. Die beiden Lauscher
hatten Alles gehört, da nicht nur die Wand
sehr dünn war, sondern auch einer der Fenster-
flügel offen gestanden hatte. Amelie sah ihren
Begleiter fragend an.
— Ich würde es nicht glauben, murmelte
dieser, wenn ich nicht mit eigenen Ohren gehört,
nicht mit eigenen Augen gesehen hätte.
— Der Zusammenhang Ist nicht schwer zu
errathen, meinte die Wittwe. Die beiden Kum-
pane leisten sich gegenseitig einen Dienst . . .
der Schulmeister legt ein Zeugniß ab, der Ma-
gister spielt den Freiwerber ... Ich hoffe,
Beide werden sich täuschen.
— Klärchen hat den Magister nach Eichstedt
geladen . . .
— Das aufgeklärte Mädchen wird sich Ihnen
schon mittheilen.
In diesem Augenblick trat die Tochter des
Gärtners ein; sie erzählte lachend die Unterhal-
tung mit dem kleinen Mann, den sie einen pfif-
figen Kobold nannte. Dann theilte sie mit, wie
sie ihn bei Fräulein Häuslein kennen gelernt
und wie er ihr seinen geistlichen Rath ange-
tragen hatte.
— Ich habe ihn für morgen nach Eichstedt
bestellt, schloß sie ihren Bericht, damit Andreas
mit ihm abrechnen kann. Es ist nicht gleichgül-
tig, daß man einen Menschen auf diese Weise
verdächtigt.
— Glaubst Du ihm denn? fragte der Ge-
hülfe.
— Ein Mann, der dem widerwärtigen Schul-
meister das Wort redet, verdient eben so wenig
Glauben, als der Schulmeister selbst, der füns-
undzwanzigtausend Thaler geerbt haben will.
Du weißt nun Alles, Andreas, finde Dich mit
dem frommen Manne ab und mache ihn in un-
serer Familie unschädlich.
Die Reisenden nahmen einige Erfrischungen
ein, dann traten sie die Rückfahrt an. Hinter
dem Garten des Landhauses verließ Amelie den
Wagen. Antonie wartete schon in der offenen
Gitterthür. Leo winkte ihr einen Gruß zu und
fuhr weiter. Schon nach einer halben Stunde
rollte das Fuhrwerk in den Hof des Vaters
Keßler. Der Alte saß aus der Bank und rauchte
sein Pfeifchen. Klärchen eilte zu ihm, küßte ihm
die Stirne und legte einen ziemlich schweren
Beutel mit Geld auf seine Kniee.
— Ist Alles gut abgelaufen? fragte der Alte.
— Der Andreas hat wieder ein prächtiges
Geschäft gemacht; er versteht's wie Keiner.
Vater Keßler lächelte ironisch.
— Spricht er denn noch von Gehen? fragte
er mit leiser Stimme.
Die Tochter erröthete leicht.
— Ich habe nichts gehört, Vater! Glaube
schon, daß es ihm nicht wieder einfallen wird.
Sie verschwand in der Thür des Hauses.
— Es ist richtig! murmelte der Alte. Nun,
mir ist es schon recht, daß ich mich nicht ge-
täuscht habe. Das Uebrige findet sich.
Er ging in das Zimmer, zählte das Geld
und verschloß es. Beim Abendessen zeigte Mut-
ter Keßler sich sehr mürrisch; der Tochter machte
sie über Kleinigkeiten Vorwürfe, dem Manne
antwortete sie kurz und barsch, und den Gehül-
fen schien sie gar nicht zu bemerken. Sie ward
erst dann wieder freundlich, als der Schulmeister
-kam, der seinen gewöhnlichen Abendbesuch ab-
stattete. Keßler rief seinen Gehülfen, uni mit

ihm den Garten zu besichtigen; Klärchen machte
sich in der Küche zu schaffen, und dabei sang
sie so laut und hell, daß der fromme Schul-
meister es in der Laube hörte. Frau Grete
meinte, ihre Tochter sei jetzt immer fröhlich und
guter Dinge, ein Zeichen von Gesundheit. Sand-
mann war anderer Meinung, er behauptete,
Klärchen lebe mit dem Gehülfen im Einverständ-
nis;; die Eltern sollten auf der Huth sein, wenn
sie für ihre Güte nicht Schimpf und Schande
ernten wollten. Der verkappte Bösewicht würde
sich bald in seiner wahren Gestalt zeigen, und
dann sei es zu spät, den Lauf der Dinge zu
hemmen. Als er sich entfernte, flüsterte er der
Frau zu: „Sie beherbergen einen Verbrecher
unter Ihrem Dache!"
Frau Grete schüttelte nachdenklich den Kopf,
begleitete den wcrthen Gast bis zur Gitterthür,
und nahm sich vor, ihrem Manne recht ernstlich
den Kopf zurechtzusetzen, ein Vorhaben, daß sie
denselben Abend noch ausführte. Der Alte hörte
ruhig zu, schüttete die Asche aus dem Kopse
seiner Pfeife, sagte „gute Nacht!" und ging zu
Bett. Grete verbiß ihren Zorn, sie wollte so
spät keinen Lärm mehr schlagen. Während die-
ser Zeit stand Andreas am Kammerfenster und
koste zärtlich mit der Geliebten, die ein weißes
Nachthäubchen trug, das ihrem frischen Gesicht-
chen reizend stand.
— Du thust, als ob Du den Groll meiner
Mutter nicht merktest, flüsterte sie. Die gute
Alte wird schon zur Besinnung kommen . . .
— Deine Liebe, Klärchen, läßt mich alle
Leiden ertragen! Gute Nacht, schlafe süß!
Sie küßten sich. Das Fenster ward leise
zugeschoben und der Gehülfe schlüpfte durch den
Garten nach seinem Kämmerchen. Lange hatte
er eine so ruhige Nacht nicht gehabt, als die
nun folgende. Ueber die Bemühungen des Ma-
gisters mußte er lächeln, denn er setzte nicht den
geringsten Zweifel mehr in die Ehrenhaftigkeit
des Arztes, der sein in romantischer Verblen-
dung entworfenes Projekt vereitelt hatte.

Gegen neun Uhr desselben Abends zog Amelie
die Glocke. Eine Magd erschien.
— Bitte die Frau Doktorin, daß sie mich
mit einem Besuch erfreue! sagte sie dem Do-
mestiken.
Zehn Minuten später erschien Antonie.
— Mein Gott, wie erregt bist Du!
— Setze Dich zu mir, meine Liebe, Du sollst
erfahren, was mich so freudig erregt. Hier liegt
das Tagebuch des Doktors Espe, das ich von
der Schwester desselben erhalten habe. Darüber,
daß der Doktor das Kind meines ersten Man-
nes nicht vergiftet hat, bin ich nun völlig im
Klaren, denn mehrere Bemerkungen über den
sich verschlimmernden Zustand des armen Knaben
beweisen es; aber hier finde ich Bemerkungen,
die der Doktor vor Jahren niedergeschrieben . . .
diese lies!
Antonie neigte sich über das Buch und las
folgende Zeilen:
— „Den 13. Februar 18 . . Es macht mir
Sorge, daß ein Fläschchen mit Arsenik aus mei-
nem Schranke verschwunden ist. Mein Freund,
der würdige Magister Kind, befindet sich stets
in sehr trüber Stimmung, ich fürchte, ich
fürchte . . ."
— Richte Deine Aufmerksamkeit nur auf die
roth angestrichenen Stellen! rief die Wittwe.
Antonie las weiter:
— „Den 1. März. Mein Freund befindet
sich immer noch wohl, obgleich er viel von Le-
 
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