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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 2.1867

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Heft 1
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https://doi.org/10.11588/diglit.44082#0040
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Se, wenn m'r etwa noch in dc fliegenden Blät-
ter käme oder sonst wo hin.
— I, wo denken Se denn hin, Herr Raths-
sportelamtskassicr? Keene Idee!
— Na also. — Kenn'n Sie sich, Herr merk-
licher Herr Ministerial-Geheimkanzlist, noch be-


sinn'n, wie m'r ä mal zusamm' nach Lebte gin-
gen, Anno achtzchnhundertsechsundverz'g im Fe-
bruar? Wie uns draußen bei d'r Ziegelei der
große Hund ansprung, un' mir der Hut in'n
Dreck fiel? Jen'u Abend hab ich den letzten Ha-
senbraten gegessen in mein'n Leben!
— Was, Se haben friher welchen gegessen?
— Ich sage Sie, ich esse 'n fir mei' Leben
gerne!
— Un' essen ken'n mehr? Nee, das muß man
aber sagen, da gehert Charakter d'rzu!
— Ja, was das ahnbelangt, da fehlt mir'sch
nich dran. Sehn Se, des Frihjahr, enige Zeit
druff, da gehe ich Sie spatzieren über de neie
Bricke. Nu hab' ich nämlich ausgezeichnet gute
Ogcn in de-Ferne. Mir machten ä mal nach
Berne, un von da weg nach 'n Forsthaus bei
Langhennersdorf, da konnte ich Sie von der
Oberstube die Uhr uff 'n behmischen Bahnhof
erkenn'!
— Na, hährn Se, des is aber ufgeschnittcn!
— Ja, wenn Se mir so komm', da her' ich
gleich uf.
— Ach dummes Zeig!
— Na also: Wie ich da über de neie Bricke
so langsam mein'n Schritt dahinbummele, da
guck' ich so von ohngefähr nach 'n großen Ge-
hege nunter. Da is doch in der Regel im Fri-
jahr, wenn's Eis fort geht, alles eh Wasser.
So och da. Also ich gucke ganz zusällig da
nunter, un' gucke, un' gucke, un' kann's erst gar
nich recht weg kriegen. Da is Sie so ene klene
Insel, die hatte sich so gebild't. Nur so c ganz
klecnes Fläckchcn un ringsherum nischt -wie
Wasser. Uf der Insel da seh' ich nu' immer
so was 'rumschnippeln, und wie ich endlich da-
hinter komme, da is das, weeß Gott, ä Hase.
Der lcest da rum wie ä Närr'scher, un kann
natierlich ifich 'runter. — Härrc, ich das sehn,
un nu so geschwinde wie's ging, ins Gehege:
das war eens! Wenn ich mich nich vor 'n
Leiten genirt hätte, ich hätte ä Träppchen ge-
macht. Ich weeß noch heite nich, wie ich so ge-
schwinde dahin gekommen bin. (Uf e'mal war ich

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da.) Un meine Freede, da liegt gleich rechts ä
Stückchen von den Huttmacher hin ä Kahn ahn-
gebunden. Wie der da hin geherte, oder wen
er geherte, das war mir ganz eens. Ich war in
eener wahren Rahsche. Wie ein heiliges Don-
nerwetter ich in den Kahn 'nein, un nu fort.
Na, rudern kann ich, das wissen Se. Als Junge
hab' ich ja immer uf der Elbe gelegen, 's dauerte
Sie gar nich lange, da war ich da. Nu hätten
Sie aber mein'n Lampe sehen sollen, was der
for Mätzchen machte, wie ich ahngewackclt kam.
Der machte ä Paar Ogen, das war- zum Wäl-
zen. — Nu halt' ich mir'sch schon überlegt, wie
ich's machen wollte. Runter könnt er nicht, sicher
war er mir. Ins Wasser, das mußt ich, sprung
er nich. Ich dachte, mit der linken Hand kriegst
'n bei'm Hinterbeen', un mit der rechten, da
zeechenst 'n, da gibst d'n eens ins Genicke, daß
er e bischen getehsche werd. Sähn Se, aber die
Sache kamp Sie ganz anders. Ich habe eben
's letzte Bern aus 'n Kahn gehoben, un greife
nu mit der linken Hand behutsam aber geschwinde
zu. Ja, schistihwi. Da gibt sich der Balg mit
'n Hinterbeen' ä Schub und schmeißt mir eene
Fuhre Sand in die Ogen, daß ich gleich laut
hätte brillen kenn'. Ich stand Sie da, wie e
dummer Junge. Vollständ'g blind, sag' ich Sie,
un hatte meine heilige Noth, daß ich den Dreck
widder aus 'n Ogen kriegte. Was ich für eene
Wuth hatte — ich nahm mir'sch feste vor, das
Vieh gleich todt zu schlagen. Wie ich nu end-
lich wieder ä bischen blinzeln konnte — soll mich
der Deibel holen, da is der Hallunke mit den-
selben Satz, mit den er mir 'n Dreck in die
Ogen schlenkerte, in'n Kahn gesprungen. Das hatte
die Kanaille gut berechnet. Der Kahn hatte da-
durch 'n Ruck gekriegt, un — weck war er!
— Ganz fort?
— Ganz fort. Ae Stickchen von der Insel
fort, da war so enue Strehmung, da war er
neingekommen, un weck war er!
— Konnten Sie 'n denn gar nich mehr sehen?
— Ja sehn könnt ich ihn wohl noch. Ich
sehe nämlich sehr gut in de Ferne. Ich sage
Sie, wer machten ä mal zusamm'n nach Berne,
un nun —
— Ach das Hamm' se ja schon erzehlt.

— Ja so. — Ja sehn Se, sehn kunnt ich
'n noch, aber kriegen? Nee!

Lildcr-Nathscl.
Auslösung folgt im nächsten Heft.


— Ei Donnerwetter!
— Nu, da schlag' aber der Deibel nein!
— Ja, das sagt ich och. 's hulf aber nischt!
— Im ersten Ogenblicke da war ich ganz däm-
lich. Nich blos, daß der Hase fort war, ich
konnte ja nu och nich von der Insel runter.


Ich drillte, sag' ich Sie, wie en Verrickter. Ich
globe, Tichatschcck hat in sein'n Leben keen'n
solchen heischern Hals gehabt, als ich da drufs
kriegte. Wie nu so der erste Schreck vorbei war,
(der hatte mich warm gemacht), da fing ich mcr-
derlich an zu frieren. Das ene mal, da hatte
ich so ene verrickte Idee, durchzuschwimmcn. Ich
ließ es aber unterwegs. Da hab' ich Sie ge-
standen von ohngesähr halb Dreien an, bis um
ä halb Achte. Ich hatte schon alle Hoffnung
ufgcgeben. Da sah ich endich ä Kahn, un ü
Paar Leite drinne. Die hatten aber zu thun.
Die hatten mich mit 'n Nocke schlenkern sehn,
den hatte ich.ausgezogen un als Nothfahne be-
nutzt. Nun über das Gefrage von den beeden
Seelen. Die konnten natirlich nich begreifen,
wie ich da hin kam. Ich blieb aber stumm wie
ä Fisch. — Drei Tage hab' ich im Bette gcstecken
un geschwitzt, un värzchn Tage lang war ich gar
kcc Mensch. Den ersten Tag, als ich ausging,
da wurde mir och de Klage zugefärtigt wegen
dem Kahne, 's hatten mich welche von der
Friedrichsstraße erkannt. Na, korz un gut, ich
sollte den Kahn bezahlen. Glicklicherweise hatten
sie 'n nachher in Torgau ufgcfangen. Kee Hase
war aber nich drinne gewesen, un mei schöner
Stock, der mit'n Elfenbeenknoppe, der mich zwce
Thaler gekost' hat, der war och weg. Ich war
aber froh, daß der Kahn wieder da war. Aber
nu, mei Gutester, klagt Sie der Fischer uf Ver-
dienst-Einbuße, un weil nu der Actewar meente,
ich sollte mich vergleichen, 's kennte sonst noch
bese werden for mich, da bot ich 'n Kerl vier
Thaler. Unter sechsen that cr's aber nich, un
dc Kosten, die ufgelofen waren, die mußt ich och
noch bczahjstn. Außerdem hatt' ich den beeden,
die mich holten, ä Thaler gegeben. Das war
der billige Hasenbraten, den ich zu essen dachte.
Sehn Se, nu seit der Zeit, wenn ich Sie
so enne Kanaille sehe, da krieg ich ene Wuth,
ich kennt' 'n gleich noch e' mal todtschlagen.
— Seit der Zeit ess' ich keen'n Hasenbraten
mehr!
 
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