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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 2.1867

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Heft 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.44082#0042
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-M! 34 ßZ-

Armin küßte der Dame bewegt die Hand.
— Gleicht die Freundin Ihnen nur zur
Hälfte, so wird sie mir Bewunderung und Ver-
ehrung abzwingen.
— Sie''übertrifft mich in jeder Beziehung!
antwortete Antonie. Morgen, so hoffe ich, wird
die Freundin ankommen, wie alljährlich, um einige
Wochen mit mir zu verbringen. Schweigen Sie,
beobachten Sie und...lernen Sie lieben! Mein
Mann kommt...er braucht nicht zu wissen, daß
ich Sie unter die Haube bringen will.
Die Dame erhob sich rasch und eilte die
Stufen der Veranda hinab in den Garten. Ar-
min, der ihr langsam folgte, sah, daß sie sich
jauchzend an die Brust des Gatten warf und
ihn so innig küßte, als ob sie nach langer Tren-
nung mit ihm vereinigt würde. Arm in Arm
kamen Beide zurück. Der Advokat reichte dem
Freunde die Hand, fragte, wie er sich unter-
halten und drückte lebhaft die Freude aus, nun
in Ruhe den Abend genießen zu können. Man
speiste, machte einen Spaziergang durch den
duftenden Garten und trennte sich gegen zehn
Uhr. Mohr begleitete den Freund bis zu der
Gitterthür. Hier sagte er vertraulich: „Freund,
es ist eine Hiobspost angelangt. Einer Ihrer
Wechselgläubiger verfolgt Sie. Wäre die Summe
nicht so bedeutend, ich würde sie vorschießen...
leider besitze ich in diesem Augenblick die Büttel
nicht...ich müßte die Hülfe meiner Frau in An-
spruch nehmen...
Armin gerieth in Verlegenheit.
— Ich habe Spielschulden hinterlassen, mur-
melte er, bin von den Freunden arg und ost
betrogen...Ihr Schwager weiß es ja!
— Immerhin, Wechsel bleibt Wechsel! Noch
haben Sie für Ihre Sicherheit nicht zu fürch-
ten; aber wir müssen Vorkehrungen treffen, daß
die ungeduldigen Gläubiger beruhigt werden.
Haben Sie Feinde?
— Ich wüßte nicht... nur der Eigennutz
kann mich verfolgen.
— Wir berathen morgen oder übermorgen.
In meinem Hause sind Sie sicher. Ist es nöthig,
so werden Sie in der Villa wohnen...
— Freund, lieber Freund!
— -Heute ward mir eine Stellung für Sie
angetragen.
— Jst's möglich!
— Sie werden sie unter den obwaltenden
Verhältnissen nicht annchmcn. Es wird gut sein,
daß Niemand Ihren Aufenthalt kennt. Der
nächste Brief meines Schwagers mag entschei-
den. Zählen Sic auf mich! Gute Nacht!
Der junge Mann trennte sich gerührt von
dem großherzigen Freunde. Während er lang-
sam der Stadt zu ging, überdachte er seine Lage.
„Bah," murmelteer, „Amelie's Vermögen ist mehr
als zweifelhaft, ich werde sie aufgeben. Antonie
hat Recht: ohne Geld gibt es keine glückliche
Ehe. Die vorgeschlagene Partie reizt mich ...
Die schöne Wittwe mag meine Schulden be-
zahlen, daß ich ihres Besitzes mich freuen kann.
Zwei Wittwen! rief er lachend. Ich wähle die
reichste! Amelie hat mir, ich habe ihr kein Ver-
sprechen gegeben..-demnach sind wir Beide frei.
O, wäre die Freundin doch schon angekommen.
Ich liebe sie schon, obgleich ich sie noch nicht
gesehen habe. Antonie besitzt eine seine Bildung
und guten Geschmack, auf ihr Urtheil kann man
bauen. Wohlan, ich heirathe die Wittwe, und
wenn sie ein Ausbund von Launen und Kapricen
ist. Dann und wann ein kleiner Streit kann i
nicht schaden, er verscheucht die Monotonie des
Ehestandes."

Diese Reflexionen hatten Armin in so hei-
tere Laune versetzt, daß er noch ein Stündchen
in einem Weinhausc verbrachte, ehe er heimging.
Der genoffene Champagner verfehlte seine Wir-
kung nicht. Lebhaft zog der Taumelnde die
Glocke. Fritz, der alte Diener, öffnete.
— Sie kommen heute sehr spät! rief er
verdrießlich.
— Meinen Sie, alter Freund? Ich denke,
es ist noch früh.
— Mitternacht ist längst vorüber. Man hat
seine Nachtruhe nicht mehr...
— Hier ist ein Goldstück... ich lasse mich
nicht umsonst bedienen.
Fritz war beruhigt; er leuchtete dem ver-
gnügten Gaste die Treppe voran, half ihm beim
Auskleiden, brachte ihn zu Bett und löschte sorg-
sam die Kerze aus. Dann zog er sich in sein
Stübchen zurück, das istr Erdgeschosse des alten
Hauses lag.
4.
. Am nächsten Morgen neun Uhr erschien der
Advokat pünktlich, wie stets. Die Schreiber
arbeiteten schon seit einer Stunde. Die Ge-
schäftsordnung des Rechtsanwalts war muster-
haft. Er selbst ging den Leuten mit gutem Bei-
spiele voran. Fritz hatte schon auf den Herrn
gewartet; er berichtete ihm im.Vorzimmer, daß
Herr Sander sehr spät und sehr aufgeregt nach
Hause gekommen sei. Der Doktor lächelte.
— Hast Du mir nichts weiter zu melden,
Fritz?
— Doch ja. Schon um acht Uhr fragte
ein Herr nach Ihnen, der es sehr eilig zu haben
schien.
— Wer war der Herr?
— Hier ist seine Karte.
Der Doktor warf einen Blick auf das glän-
zende kleine Blatt.
— Magister Ehrenfried Kind! murmelte er
überrascht.
— Er wird nach neun Uhr wieder anfragen.
— Gut; sobald er kommt, führe ihn zu mir.
Anderen Klienten sage, daß ich nach zehn Uhr
zu sprechen sei.
Mohr betrat sein Kabinct, empfing die Be-
richte des ersten Schreibers und theilte neue
Arbeiten aus. Nachdem er die eingegangenen
Briefe durchgesehen, stand er sinnend vor seinem
Arbeitspulte. Es mochten ihn Sorgen drücken,
die nicht leicht zu beseitigen waren. Er rieb
mit dem Finger die Stirn, las noch einmal
einen der Briefe und stieß einen leisen Fluch aus.
— Nun wird es doch Zeit! murmelte er.
Geld und immer Geld! Es ist ein Kunststück,
die Balance zu halten und der Welt gegenüber
als unabhängiger Mann zu erscheinen.
Nicht lange hatte er in einem Aktenstücke
gelesen, als Fritz den Magister Kind anmeldete.
Der kleine Herr, wir kennen ihn schon, wird
unverzüglich vorgelassen.
— Gott zum Gruße, Herr Doktor!
— Guten Morgen, Herr Magister!
Beide Männer reichten sich die Hände, wie
alte Bekannte. Kind lächelte, Mohr sah ernst aus.
— Ich bedarf Ihres Rathes, Herr Doktor!
— Der Rechtsanwalt steht Ihnen zu Diensten.
Ehrenfried Kind hatte aus dem Klientensessel
Platz genommen.
— Ist es nöthig, fragte er süß lächelnd,
daß ich Ihnen die Geschichte meiner verstorbenen
Schwester Agnes, der ersten Frau des Inspek-
tors Bose, in das Gedächtnis; zurückrufe?
Der Advokat hatte einige Augenblicke den
Siegelring an seiner Hand betrachtet.

— Nein! antwortete er ruhig.
— Gut!
— Ich erinnere mich noch genau aller Um-
stände, die Sie damals mir mittheilten, als
Sie das Testament Ihres Schwagers Bose an-
fechten wollten.
— Sic riechen mir ab von einem Prozesse...
— Weil ich überzeugt war, daß er für Sie
fruchtlos ausgehen würde. Es boten sich keine
rechtlichen Anhaltspunkte. Der Knabe Felix erbte
von der Mutter, dann trat, nach der gesetzlichen
Bestimmung, der Vater als Erbe des Sohnes
ein, und Bose hatte ein Recht, über sein Ver-
mögen zu verfügen. Wenn Amelie, seine Wittwe,
die ihr gestellten Bedingungen erfüllt, worüber
Sie zu wachen haben, ist auch jetzt ein Angriff
fruchtlos.
— Freilich, flüsterte der Magister, Amelie
ist noch jetzt unverheirathet; sie hat nicht einmal
eine Liebschaft angcknüpft...wenigstens ist mir
eine solche nicht bekannt geworden.
Jetzt lächelte der Doktor.
— Liebschaften, Herr Magister, verpönt das
Testament nicht! Die Wittwe darf sich vor einer
bestimmten Frist nicht verhcirathen . . . das ist
Alles.
— Trotzdem, lieber Herr Doktor, glaube ich
in den Besitz des Bose'schen Vermögens zu ge-
langen.
Der Advokat unterdrückte sein Erstaunen.
— Sie qlaubtn es?
— Ja!
— So müssen Zwischenfälle eingetreten sein,
die der Angelegenheit eine veränderte Gestalt
geben.
— Nur ein Zwischenfall, lieber Doktor!
Diesen Ihrer Ansicht zu unterbreiten bin ich
gekommen.
— Lassen Sie hören!
— Ich zähle natürlich auf Ihre Diskretion,
wenn meine Ansichten nicht die richtigen sind,
und werde mich dantbar zeigen, wenn mit Ihrer
Hülfe mir die beiden Güter Groß- und Klcin-
Wiederstadt zufallen. Ich begreife, daß es eines
tüchtigen Rechtsanwalts bedarf, um die Sache
durchzuführen, im Falle die Wittwe Bose sich
nicht zu einem Vergleiche hcrbeiläßt, wozu sie,
wie es scheint, wenig Lust verspürt.
Ehrenfricd Kind erzählte nun dieselbe Ge-
schichte, die er Ameise am Tage vor seiner Ab-
reise erzählt hatte.
— Wie, rief Mohr, der Knabe Felix, der
rechtmäßige Erbe, ist vergiftet?
- Ja!
— Und Sie besitzen das Papier des Dok-
tors Espe?
— Wonach ihm fünfundzwanzigtausend Tha-
ler gezahlt werden sollen, sobald Amelie unbe-
schränkte Besitzerin des Vermögens ist.
— Von dem Doktor haben Sie das Papier?
— Er gab es mir kurz vor seinem Tode,
weil die Zahlung nicht erfolgt ist...oder mag
sie auch erfolgt sein...ich weiß es nicht... Das
Papier ist da. Der Doktor konnte nicht klagend
auftreten, ohne sich selbst denunciren zu nrüsscn.
Jetzt ist er todt. ..
— Hat er Ihnen bekannt, daß er dem Kinde
Gift gereicht?
- Ja!
— Und wer hat ihn beauftragt?
— Bose und Amelie. Der gute Mann liebte
die zweite Frau mehr als das Kind aus erster
Ehe. Ich lege die Angelegenheit in Ihre Hände,
lieber Doktor; schreiben Sie an die Wittwe,
schildern Sie ihr die schrecklichen Folgen der
 
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