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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 3.1868

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Heft 5
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https://doi.org/10.11588/diglit.44083#0127
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im Walde.

fragte er.

leicht ein

fort:

Tallryrand.

allein sein sollte. Der Herbst war schon weit
vorgerückt, das Laub fiel von den Bänmen, und
Morgens war die Flur mit Reis bedeckt ... Da
entschloß sich Sabine zur Abreise, um Erkundi-
gungen über den Geliebten einzuziehen; sie ver-
sicherte, mir Aufklärung verschaffen zu wollen.
Adele mußte sich unterbrechen, um einige.
Augenblicke zu ruhen. Als sic die großen seelen-
vollen Augen aufschlug, als ihre Blicke den Gra-
fen trafen, schauderte sie zusammen.
— O Gott, rief sie dann, werde ich noch
einmal glücklich, so habe ich mein Glück theuer
erkauft!

— Ich glaube Dir, daß Du viel gelitten hast.
— Du allein kannst mir die Ehre zurück-
geben . . .
— Sei doch ruhig!
— Ich kann meine Schande kaum noch der
Welt verbergen!
— Fahre fort, damit ich die Jntrigue durch-
schaue, die man zu Deinem Verderben ausge-
führt hat. Nur dann, wenn ich Alles weiß,
bin ich im Stande, Dir zu nützen.
Der Graf konnte die leidenschaftlich erregte
Adele nicht zurückstoßen, er mußte ihre Zärtlich-
keiten dulden.
— Reiste Sabine noch ab?
— Ja.
— Beeile Dich, es könnte
Unberufener uns stören.
Adele seufzte, dann fuhr sie
— Die guten Wirthsleute sorgten für
mich, als ob ich ihre Tochter wäre; hätte
ich den tiefen Seelenkummer nicht gehabt,
ich würde mich in der Einsamkeit des trau-
ten Städtchens wohl gefühlt haben. Erst
nach Wochen kam ein Brief von Sabinen,
in welchem sie mir schrieb, Otto befinde
sich ans Reisen, die er in Familienange-
legenheiten habe unternehmen müssen, und
werde erst in einigen Monaten zurückkehren.
Zugleich crtheilte sie mir den Rath, in dem
Badeorte zu bleiben, bis sie mir weitere
Nachrichten zu senden im Stande sei. Mir
blieb keine Wahl, ich entschloß mich kurz,
diesem Rathe zu folgen. War es doch gleich-
gültig, ob ich hier oder dort mich vor den
Menschen verbarg . . . Otto, ehe der Win-
ter zu Ende ging, hatte ich der Welt ein
Töchterlein geschenkt .... ich nannte es
Ottilie ...
Adele lag laut weinend au der Brust
des Mannes, den sie immer noch für den
Geliebten hielt. Seine Lage war die pein-
lichste, die sich denken läßt. Hatte er doch
eine Ueberraschung zu fürchten, die für ihn

Das Kreuz
Novelle von Uugnfi Schrader.
(Fortsetzung.)
— Dann räche mich, Otto, räche mich! Ich
habe zu viel gelitten, bin der Verzweiflung, dem
Wahnsinne nahe gewesen. Hier an dem Kreuze >
habe ich mir Trost und Stärkung geholt, hier!
habe ich geweint und gebetet ... Du solltest^
ja unter dem Rasen ruhen . . . Mit eigenen
Händen habe ich das Kreuz zusammengefügt, habe
den Hügel aufgeworfen, daß die mir heilige
Stätte vor dem Vergessen geschützt sei . . .
— Fasse Dich, Adele!
— Geduld, ich muß meine Sinne sam-
ipeln, daß ich nichts übergehe.
— Beginne bei der Trennung im Bad .,.
— Ganz recht, dort muß ich beginnen.'
Die Trennung von Dir störte zuerst das
hohe Glück, das Deine Liebe mir gewährte.
Hätte die Aussicht auf das nahe Wieder-
sehen mich nicht getröstet, ich würde dem
Schmerze erlegen sein. Zwar glaubte ich
Deinen Schwüren, aber die Furcht vor
unerwarteten Ereignissen drückte mich schwer
danieder. Du bist Graf, ich bin ein bür-
gerliches Mädchen . . . Der Stolz Deines
Vaters, der unter den Kurgästen allgemein
bekannt, der kolossale Rcichthum, der Dir
in Aussicht stand . . . Alles das raubte
mir den Muth, an einen glücklichen Ver-
lauf der Dinge zu glauben. Du warft mit
dem leidenden Vater abgcreist, konntest
Deine Liebesbetheurnngcn, die mir so uöthig,
nicht wiederholen . . . Ach, wäre nur ein
Brief von Dir angekommen, den Du zu
senden versprochen! Ich blieb allein mit
meinem Schmerze, mit meiner Sehnsucht
. . . Die Kurgäste verließen nach und nach
das Bad . . . Sabine Roland war meine
einzige Freundin, sie tröstete mich und ver-
schob auch ihre Abreise, damit ich nicht
 
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