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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 3.1868

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Heft 9
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https://doi.org/10.11588/diglit.44083#0247
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Das Ären? im Walde.
Novelle von Uuguk Schrader.
(Fortsetzung.)
Adele wanderte rüstig aus dem bezeichneten
Wege weiter. Der Schatten und Kühlung ge-
währende Wald erleichterte ihr das Fortkommen
. . . Sie dachte nicht au Nebenumstände, nur
das Eine schwebte ihrem Geiste vor: ich muß
mir Gewißheit über das Schicksal des Kindes ver-
schaffen, nm mich gegen die böse Sabine sicher
zu stellen. Der Graf, der zur Zeit, als der
Raub verübt, in dem Laudhause gewesen, mußte
Auskunft geben können. In der Todesangst,
die sich ihrer bemächtigt, faßte die Arme sogar
den Entschluß, die Gräfin um Hülfe zu bitten,
wenn der Graf hartherzig sie ihr verweigern
sollte. Es war dies
mehr ein Drohmittel
als ein Akt der Rache,
sie hoffte, bis zu die¬
sem Punkte nicht ge¬
trieben zu werden.
Hätte man ihr das Kind
nicht genommen, sic
würde längst sich der
Umgebung entzogen ha¬
ben, die sie mit ihren
Feinden in Verbindung
brachte. Mit dem Ei¬
fer, den die Mutter-
liebe anstachelte, ver¬
folgte sie den einnial
entworfenen Plan. Sie
zitterte bei jedem Ge¬
räusch, das sich im
Walde vernehmen ließ.
Bald fürchtete sie von
Gerichtsdienern ver¬
folgt zu werden, bald
wähnte sic auf ein
Hinderniß zu stoßen,
das ihr Bemühen ver¬

eiteln könnte. Schon nach einer halben Stunde
lichteten sich die Bäume und der Weg führte
in das freie Feld. Die Sonne war schon tiefer
gesunken, ihre schrägen Strahlen verbreiteten
eine erträgliche Hitze. Adele ging zwischen Korn-
feldern hin, deren schwere Aehren der Ernte
entgegenreiften. Sie war nie in dieser Gegend
gewesen, da sie ihre Spaziergänge nur bis zu
dem Kreuz im Walde ausgedehnt hatte.
Am Wege saß, beschattet von einem wilden
Rosenstrauch, ein alter Mann, der behaglich
aus einer kurzen Pfeife rauchte. Neben ihm
im Grase lag das Reisebündel. Wir kennen
diesen Alten, es war Hagenwald, den Richard
und* Sabine an der Gartenthür des Forsthauses
getroffen hatten.
Adele fühlte ihre Füße brennen, die des

raschen und langen Gehens ungewohnt waren:
schwankend schritt sie vorüber, denn sie bemerkte
den Ruhenden nicht.
— Mein Gott, rief sie seufzend, ich muß
einige Augenblicke rasten!
Der große, hoch aufgeschossene Strauch bot
noch ein zweites Plätzchen, das spärlich mit
Gras bewachsen war.
— Hierher, meine Dame, hierher! rief
der Alte.
Adele erschrak heftig.
— Was wollen Sie?
— Ich räume Ihnen das weiche Plätzchen,
da ich weiter wandern muß.
Hagenwald war ausgestanden und warf den
Ranzen über die Schulter.
— Ich möchte doch den Weg fortsetzen!
flüsterte die ängstliche
Frau.
— Das wäre Thor-
heit, wenn Sie ermü-
det sind, denn es ruht
sich hier vortrefflich.
— Immerhin . . .
— Fürchtet sich die
Dame vor mir?
— Nein; aber ich
habe Eile.
— Gut, so können
wir ein Stück Wegs
mit einander gehen,
denn ich will vor dem
Abend die Stadt noch
erreichen.
Der Alte stand
schon auf dem hart ge-
tretenen Fußpfade.
— Es wandert sich
in Gesellschaft besser,
als allein! fügte er
lächelnd hinzu.
Der Greis erschien
zwar aufdringlich, aber
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