Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 3.1868

DOI Heft:
Heft 13
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44083#0367
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Zn stürmischer Zeit.
Novelle voll Eduard Ziehen.
(Schluß.)
3.
Als Cordelie zu Ende des scheidenden
Jahres eines Tages um die Dämmerungs-
zeit am Fenster stand und auf die Straße
hinabschaute, ließ sich in der Ferne ein
lautes Geschrei vernehmen, welches wie
Jubel klang. Seit langer Zeit nur an
Hiobsposten gewöhnt, glaubte sie, daß
sie sich getäuscht habe — doch wenige Mi-
nuten später sah sie einen Trupp Sol-
daten daherziehen, der von einer fröhlich
lärmenden und jauchzenden Volksmenge
umringt war. Sie riß das Fenster auf
und da hörte sie, wie ein Bürger zu dem
andern drunten vor dem Hause sagte:
„Die Gcneralstaaten senden Entsatz!
Die ersten Fähnlein sind heute zu Meppel
angekommen! Ihr Oberbefehlshaber hat
diese Soldaten als erste Verstärkung mit
Munition und Geld hierhergeschickt!"
Dieser Freudenbotschaft folgte bald eine
andere, welche Cordelie in die lebhafteste
Aufregung versetzte. Nach Verlauf einer
halben Stunde trat ein alter Kriegsmann
ein, gab sich als einen Abgesandten Fa-
bian's zu erkennen, und überreichte ihr
einen Brief, worin ihr der letztere schrieb,
daß er in das Heer des Obersten Norris
getreten, der von den Generalstaaten zum
Oberbefehlshaber der zum Entsatz Steen-
wyks bestimmten Truppen ernannt wor-
den sei, und mit diesen von Stund an
unablässig für die Befreiung der theuren
Heimath kämpfen werde. „Der Ueberbrin-
ger dieses Schreibens ist ein Mann von
erprobter Treue," lautete der Schluß;
„er hat sich erboten, mit Briefen von
meiner Mutter und Dir so bald als mög-


Mädchen

dem

Lerner Gbcrland.

aus

lich zu mir zurückzükehren. Ich sehne mich un-
beschreiblich, etwas von euch zu vernehmen —
laßt mich nicht zu lange harren!"

„Wann kehrt Ihr zum Lager des Oberstert
Norris zurück?" fragte Cordelie, nachdem sie das
Schreiben gelesen, wie von' einem plötzlichen
Gedanken ergriffen, den graubärtigen
Kriegsmann.
„Kurz vor Tagesanbruch, falls ich bis
dahin die Briefe von Euch und der Frau
Groon in Händen habe."
„Habt Ihr der letzteren schon Kennt
niß davon gegeben?"
„Ja — ich bin zuerst bei ihr gewesen,
und sie hat mir versprochen, bis acht Uhr
eine Antwort aufzusetzen."
„Ist der Rückweg zum Lager mit Ge-
fahren verknüpft?" fragte Cordelie nach
kurzem Sinnen.
„Gefahren gibt's jetzt überall," ent-
gegnete der alte Krieger lächelnd; „aber
mit etwas Muth und Schlauheit kommt
man schon an den spanischen Wachen
vorüber."
„An Muth fehlt's mir nicht," erwie-
derte das Mädchen entschlossen; „ich be-
gleite Euch."
„Wie? Ihr?!" fragte Jener mit dem
Ausdruck des höchsten Erstaunens.
„Ja — ich gehe mit Euch," wieder-
holte Cordelie. „Ich muß meinen Ver-
lobten selber sprechen, und zwar so bald
wie möglich. Sagt der Frau Groon
nichts von meinem Vorhaben, sie würde
mich doch nicht zurückzuhalten vermögen
und sich daher nur nutzlos ängstigen."
„Aber habt Ihr auch wohl bedacht..."
„Mein Entschluß steht unwandelbar
fest," unterbrach ihn das Mädchen. „Ich
lege Mannskleider an, und Ihr gebt mich
für Euren Sohn oder Neffen aus, falls
Ihr über mich befragt werden solltet.
Stellt Euch morgen früh um sechs Uhr
aus dem Marktplatz ein, da werdet Ihr
mich treffen. Auf Euren Anruf: „„Wer
da?"" antworte ich: „„Steenwyk.""

C 49
 
Annotationen