Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 3.1868

DOI Heft:
Heft 6
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44083#0159
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Das Äreu) im Walde.
Novelle von Uugust Schrader.
(Fortsetzung.)
Wie ein Trunkener eilte er durch den Wald,
bis er das Forslhans erreichte.
— Mutter, Mutter, rief er, als er in das
Stübchen trat.
Die alte Frau fuhr erschreckt auf.
— Was ist Dir, mein Sohn?
Er niußte sich einige Augenblicke erholen,
ehe er die Worte über die Lippen bringen konnte:
— O Gott, ich würde es nicht glauben,
wenn ich mich nicht davon überzeugt hätte!
Der arme Manu war tief erschüttert: er
mußte weinen.
— .Richard, Ri¬
chard! klagte die Mut¬
ter. Du machst mir
großes Herzeleid! Ach,
wie ruhig könnten wir
leben, wenn Du Dich
mit männlichem Muthe
wappnen wolltest.
— Die arme, un-
glückliche Adele!
— Dachte ich es
doch, daß diese Frau
wieder den Anlaß ge-
geben.
Die Mutter trat an
das Fenster und weinte
still vor sich hin; sie
verwünschte den Zufall,
der die Bekanntschaft
des Sohnes mit jener
Adele vermittelt hatte.
— Mutter, bat Ri¬
chard, habe Nachsicht
mit mir; ich weiß, daß
ich Dir Kummer be¬
reite, daß ich die Ruhe,

in der wir bisher gelebt, zerstöre . . . Aber
rechne mir die Schuld nicht zu, es waltet ein
mehr als grausames Geschick, da? mich zu zer-
schmettern droht.
— So sage mir doch endlich, was Dich von
Neuem betroffen hat.
Der Förster berichtete.
— Der Graf ist ein nichtswürdiger Mensch!
schloß er.
— Denke nicht mehr daran.
— Er betrügt Adelen und stiehlt mir das
Glück meines Lebens. Mutter, dieser vornehme
Wüstling macht zwei Menschen elend, die so glück-
lich hätten werden können. Und Adele kennt
den Abgrund nicht, der sich vor ihren Füßen
öffnet . . . ein leises Lüftchen kann den Schleier
zerreißen, den die Perfidie über ihr Haupt ge-,

worfen. Wie schrecklich muß das Erwachen aus
dem Traume sein, in den Adele sich selbst ein-
gewiegt. Graf von Ravenstein ... der Name
zerreißt mir das Herz! Ach, und wie Adelen
betrügt er seine Gattin, die gute und schöne
Tochter des reichen Roland!
— Nun fasse Dich, Sohn! Diese neueste Er-
fahrung muß Dich in dem Vorsatze bestärken,
jene Frau, deren Abkunft Du nicht kennst, so
rasch als möglich zu vergessen. Was kümmert
sie Dich? Mag der Graf für sie sorgen; Du
aber wirst Dir ein braves Mädchen suchen, ans
das Du stolz sein kannst. Glaube mir, dem
Rausche der Leidenschaft folgt eine schreckliche Er-
nüchterung ... Du muthest Dir zu viel zu,
wenn Du wähnst, die Verirrung einer Frau,
an die Dn für die Zeit des Lebens gekettet bist,
zu ignoriren. Es wer-
den Stunden kommen,
in denen Du bis zum
Aeußersten getrieben
wirst. Und dann, mein
Sohn, bereuest Du die
rasche That, dann be-
greifst Du Dich selbst
nicht und verwünschest
die unüberlegt vollzo-
gene Verbindung.
— Mutter, Du
kennst Adelen nicht.
— Ich weiß ge-
nug, nm mir ein Ur-
thcil über sie zu bilden.
— Sie ist gut und
schön wie ein Engel.
— Aber sie ist auch
die Geliebte des Gra-
fen, sie, von bürgerli-
cher Abstammung.
— Die Nichtswür-
digkeit des Grafen, der
ihr ewige Treue ge-
schworen, wirft keinen
C 21


'MM

Vie kninen des Parthenon zu Athen.
 
Annotationen