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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 3.1868

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Heft 9
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https://doi.org/10.11588/diglit.44083#0278
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272

Beamte, ein junger Heilkräftiger Mann, ver-
stand cs besser wie seine Vorgänger, seine Stel-
lung den Bauern gegenüber zu einer Achtung
gebietenden zu machen. Energisch
griff er durch und ließ es nimmer
an der nöthigen Strenge, ohne die
bei den norddeutschen hartköpfigen
Bauern von damals nun einmal
nicht dnrchzudringcn war, fehlen.
„Dat is an annern Kerl, as der
vorige! Da fackelt nich!" hieß es
bald, wenn von dem neuen Amts-
hauptmaun die Rede war.
Die erste Amtshandlung dessel-
ben war die Schließung des Kru-
ges des Kaspar Kassebom, der
durch Dulden von Gelagen und
Zechereien während der Stunden
des Gottesdienstes nicht allein einer
groben Gesetzwidrigkeit sich schuldig
gemacht, sondern auch dadurch den
Bedingungen, unter welchen ihm
die Coucession zur Krugwirthschaft
crtheilt gewesen, schnurstracks zu-
wider gehandelt hatte. Nicht min-
der ward ihm das Amt eines Schul¬
zen, das zu verwalten er sich nim-
mer würdig gezeigt, ohne weiteres
genommen, und da der Wackere
hierdurch bald die Ucberzeugung
gewinnen mußte, daß im Dorfe
Laubach sein Weizen nie wieder
in die Blüthe schießen werde, hielt
er es am gerathcnsten, sich von
hinnen zu heben. Er verkaufte sein
Wohnwesen, verließ Laubach und
begab sich ins Hessische, woselbst
er der Chronik zufolge gleichfalls
eine Krugwirthschaft geführt haben
soll. Es waren aber keine Segenswünsche,
welche ihm die Weiber im Dorfe Laubach mit
auf den Wege gaben.
Was den Vogt betrifft, der bekanntlich selbst
einen über den Durst trank, und bei dem Fünf
oft eine gerade Zahl war, so erhielt derselbe
Stellung in einem entfernten Amtssitze, und
seinen nächsten Vorgesetzten ward die strenge
Weisung ertheilt, auf den Mann ein wachsames
Auge zu haben.
Auch die Schwadron Dragoner, die der
Herzog in Aussicht gestellt, rückte einige Tage
nach dessen Besuch wirklich in Laubach ein, und
waren die Bauern durch die Ermahnungen
und die Züchtigung ihres Fürsten etwa noch
nicht genugsam zerknirscht und mürbe geworden,
die eingerückten 120 Dragoner und deren 140
Pferde thaten ein Uebriges. Die zu erhalten
war weiß Gott keine Kleinigkeit, und die
Bauern ersehnten bald nichts herzlicher, als
den Abzng der Einquartirung. Um dies zu
erreichen, führten sie jetzt ein Leben, das in
der That ein musterhaftes genannt werden
konnte. Von Schnapstrinkcn oder gar Betrin-
ken, von Prügeln der Weiber war keine Rede
mehr. Der Wirtschaft nahmen sie sich mit
dem regsten Eifer an und statt einmal in
den Gottesdienst zu gehen, wie ihnen befohlen,
besuchten sie an Sonn- und Feiertagen die
Kirche jetzt gar zweimal, am Morgen sowohl
wie am Nachmittag.
Drei Wochen hatte cs sich die Einquartirung
im Dorfe nun bereits wohl sein lassen, als sich
eines schönen Morgens eine aus drei Bauern beste-
hende Deputation zu dem neuen Amtshaupt-
mann begab und diesen dcmüthig und nm

Gotteswillen ersuchte, doch veranlassen zu wol-
len, daß die Dragoner, welche das Dorf in
den letzten Wochen fast kahl gefressen, nunmehr

zurückgezogen würden, sintemalen in ihrer eige-
nen sowohl, als der Aufführung der übrigen
Bauern doch entschieden eine Acnderung zum
Bessern cingetreten und zu Klagen Veranlassung
nicht mehr vorliege. Der Amtshanptmaun gab
letzteres zu, ermahnte die Bauern jedoch noch-
mals ernstlichst, von dem jetzt betretenen Pfade
nicht wieder abzugehen, und versprach endlich,
beim Fürsten das Seinige zu thun, um sie von
der drückenden Last der Einquartirung zu befreien.
Lilder-Rälhfrl

Auflösung de» Lilder-Läthsels im achten Heft.
Bauernkrieg.


Der Herzog willfahrte freilich der vom
Amtshauptmann unterstützten Bitte der Bauern,
ließ denselben jedoch zugleich die Eröffnung
machen, daß die Einquartirung ver-
doppelt wiederum in Laubach ein-
rücken werde, sobald die Bauern
in das Laster des Trunkes zurück-
fallen würden.
Aufrichtig freut es uns, daß
wir, gestützt auf die Chronik, ans
der wir vorstehende wahrhaftige Ge-
schichte geschöpft, die Mittheilung
machen können, daß die Bauern
auch fürder ein solch Leben geführt
haben, daß der Amtshauptmann
nimmer nöthig gehabt hat, nach
Branschweig zu berichten nnd um
Rückkehr der Einquartirung zu er-
suchen.
Was endlich zum guten Schluß
unsere alte Freundin, die Wittwe
des verstorbenen Häuslings und
Gemeindedieners Lange, Katharine
Dorothea Wilhelmine, geborne Pa-
pen, angcht, so hat dieselbe noch
manch' lieben Tag gelebt. Ihre
letzten Jahre hat sie bei der Toch-
ter in Laubach verbracht, die seit
dem Besuche des Herzogs mit ih-
rem Manne, der später gar Dorf-
schulze geworden, die glücklichste
Ehe von der Welt geführt hat.
Obgleich Heinrich Bente damals zu
seiner eigenen, sowie nicht minder
zur Freude seines Weibes zufällig
nicht mit im Kruge anwesend ge-
wesen und ihm die Ermahnungen
sowohl, wie die Züchtigung des
Herzogs daher nicht zu Theil ge¬
worden, so hat der Vorfall doch einen so tiefen
Eindruck auf ihn gemacht, daß er seit dem Tage
den Schnaps nimmer wieder angerührt hat.
Von dem-Dorfschulzen Heinrich Bente, seinem
Weibe und von der Wittwe des verstorbenen
Häuslings und Gemeindedieners Lange, Katha-
rine Dorothea Wilhelmine, geborne Papeu,
mag man heutzutage im Dorfe Laubach viel-
leicht nichts mehr wissen, wohl aber spricht
man dort noch jetzt davon, wie der Herzog
Karl Wilhelm Ferdinand, den das Volk den
„Alten von Braunschweig" nennt, dereinst die
Sausgesellschast daselbst auf andere Wege ge-
bracht hat, derselbe Karl Wilhelm Ferdinand,
der noch immer frisch in den Herzen mancher
Braunschweiger lebt, nnd der,nachdem ihm 1806
in der Schlacht bei Jena eine Franzosenkugel
erst der Augen Licht und später auch das Licht
des Lebens geraubt, zu Ottensen au der Mauer
der Kirche fein Grab gefunden, wovon es im
Liede heißt:
Zu Ottensen an der Mauer
Der Kirch' ist noch ein Grab,
Darin des Lebens Trauer
Ein Fürst gelegt hat ab.
Geschrieben ist der Namen
Nicht auf den Leichenstein;
Doch er sammt seinem Samen
Wird nie vergeffen sein.
Von Braunschweig ist's der Alte,
Karl Wilhelm Ferdinand,
Der vor des Hirnes Spalte
Hier Ruh' im Grabe fand.
 
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