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Heft 2. IRustrivte Fcrmrlren-Deitung>Mrg. 1894.




Im Wanne öer Camorra

Roma n

Loka ZZeety. (S. 35)

beschaffen, nicht so leicht machen möchten, um ihn nicht
daran zu gewöhnen. Ich kann ruhig hinzusügen, daß
die Summen, um die es sich dabei handeln würde, ge-
eignet wären, Ihre eigenen Interessen zu beeinträchtigen,
meine Gnädigste."
Don Luigi war in seiner Weise schlau. Er glaubte,
das Geld, das in seinen Kreisen der höchste Gott, der
Angelpunkt aller Interessen war, wäre auch in der herzog-
lichen Familie von gleicher Ausschlag gebender Kraft.
Er glaubte durch Hervorheben der Verluste, die eventuell
auch das Erbe der Herzogin Cesina beeinträchtigen müß-
ten, diese zn bewegen, ihrem Bruder abschlägig zu be-
scheiden.

Woldrmar Urban
(Fortsetzung.)

Die zierlichen Lippen Eesina's kräuselten sich zu einem
leichten, fast verächtlichen Lächeln. „Sie find sehr freund-
lich, Herr Castaldi," sagte sie mit überlegener Ruhe,
„sich in dieser Weise um meine Interessen zu kümmern,
wenn ich auch nicht einzusehen vermag, wer Sie dazu
berechtigt hat."
„O, ich bitte um Verzeihung, meine Gnädigste,
wenn ich —"
„Ohne Ursache, mein werther Herr," unterbrach sie
ihn kurzweg, „indessen würde es sich doch empfehlen,
diesen Punkt unerörtert zu lassen. Was dann die von
meinem Bruder erbetene Gefälligkeit anbetrifft, so —"
Sie hielt inne und lauschte einen Moment. Vor-
der Portiere ertönte der rasche, energische
Schritt eines Mannes, und unmittelbar
daraus trat ihr Vater in das Gemach.
Herzog Cesare, das Haupt der Familie
dei Tibaldi, war ein Sechziger, der sich
aber ausnahmsweise gut konservirt hatte.
Das kurzgefchorene Haupthaar war frei-
lich schon stark ergraut, aber der Vollbart
noch dunkel; die Augen hatten eine durch-
dringende Schärfe, und schon nach diesen
zu urtheilen, begriff man sehr leicht, wes-
halb Herzog Attilio sich scheute, nut fei-
nem Vater in unliebsame Differenzen zu
gerathen. Ter Mann, der, wie Don
Luigi gesagt hatte, zu stolz war, seinen
eigenen Schatten neben sich zu sehen, hatte
augenscheinlich em rasches Temperament
und war von einer rücksichtslosen Strenge
und Entschiedenheit.
„Ah, Du bist nicht allein, Cesina,"
sagte er etwas üherrafcht; „ich wußte das
nicht und bitte um Verzeihung, wenn ich
störte."
„Du störst durchaus nicht, Papa," sagte
feine Tochter nicht ohne eine leichte Ver-
legenheit. „Das ist Herr Luigi Castaldi,
den Attilio in einer besonderen Angelegen-
heit an mich gewiesen hat."
Herzog Cesare sah den jungen Mann,
der sich tief und unterwürfig verneigte,
nur sehr flüchtig an.
„Castaldi?" fragte er nach einer kaum
merklichen Pause. „Sie sind der Sohn
des Advokaten Pietro Castaldi in Neapel,
mein Herr?"
„Euer Gnaden zu dienen," erwiederte
Don Luigi mit einiger Beklommenheit.
Es war das erste Mal, daß er dem Her-
zog gegenüberstand, und die gewichtige
Persönlichkeit desselben, namentlich seins
strengen, klug prüfenden Augen verfehlten
ihre Wirkung auf ihn nicht.
„Herr Castaldi," sagte Herzog Cesare
wieder in der ihm eigenthümlichen scharfen
Entschiedenheit, „es thut mir sehr leid,
von Ihren Diensten in keiner Weise Ge-
brauch machen zu können."
„Herr Herzog —"
„Keine Worte; ich bitte sehr. Ich kenne
Ihren Vater sehr gut und bedauere lebhaft,

ie wissen, ums in dem Brief steht, Herr
Castaldi?" fragte Herzogin Cesina.
„Ich glaube wohl, daß
es sich um eine kleine An-
leihe handelt, die Ihr Herr-
Bruder, der sich in momen-
taner Verlegenheit zu befinden
schien, bei Ihnen machen möchte," ent-
gegnete Don Luigi. „Aber Sie haben eine
Indiskretion meinerseits, um was es sich
auch immer handeln mag, durchaus nicht
zu befürchten, gnädigste Herzogin. Jin
Gegentheil würde ich mich durch Ihr Ver-
trauen sehr geehrt fühlen und Ihnen, da
ich voraussetze, daß Sie sich in dergleichen
Dingen doch wohl nicht so ganz kompe-
tent erachten dürften, einen etwa gewünsch-
ten Rath herzlich gern ertheilen."
„Und worin würde dieser bestehen, Herr
Castaldi?"
Don Luisti wagte es, zunächst äußer-
lich eine gewisse Vertraulichkeit zu affek-
tiren, die aber in ihrem besten Theil voll-
ständig verunglückte, weil die junge Dame
unnahbar und stolz, kalt wie Ecs vor ihm
stehen blieb.
„Ich möchte mir erlauben, Sie vorerst
darauf aufmerksam zu machen, daß es sich
um eine, auch für reiche Leute beträchtliche
Summe handelt," erwiederte er langsam,
„und ich würde es infolge dessen nicht
. für gerathen halten, dein Ansuchen Ihres
Herrn Bruders so ohne Weiteres zu ent-
sprechen, und wenn es auch nur deshalb
wäre, um ihm eine Wiederholung eines
solchen Ansuchens so peinlich wie möglich
zu machen. Denn wickelt sich heute die
Angelegenheit sozusagen im Handumdrehen
ab, so ist zehn gegen eins zu wetten, daß
Ihr Herr Bruder über kurz oder lang den
einmal so leicht und glatt zurückgelegten
Weg von Neuem betritt. Wohin das führen
dürfte, werden Sie, meine allergnädigste
Herzogin, sich selbst besser sagen, als ich
es kann."
„So?" entgegnete Cesina kurz, „Sie
würden es also für praktisch halten, wenn
ich meinen Bruder im Stich ließe."
„Das habe cch nicht gesagt, sondern
ich wollte nur andeuten, daß Sie ihm
die von ihm beliebte Weise, sich Hinter-
bein Rücken des Herzogs Cesare Geld zu
 
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