Heft 13. JUustrrrte FamEen-Dertung. Zahrg. W4.
Roman
Faustmonolog jedoch schlief die junge
Alfred Aürst zu Windischgräh,
der neue österreichische Ministerpräsident. (S. 311)
Innern fehlte. Sie hatte einen Stolz darein gesetzt,
blasirt zu erscheinen, weil es vornehm aussah. Beinahe
war sie in Wirklichkeit so weit. Wie alle kleinen Gei-
ster, die aus engen Verhältnissen plötzlich in große über-
gehen, berauschte sie sich wahllos an dem Neuen. Aber-
Rausch ist Rausch. Und nach dem Rausch kommt un-
vermeidlich der Katzenjammer.
Bei dem Präsidenten stand die Sache kaum anders.
Auch sein Liebesrausch war denselben Weg gegangen.
Und was ihn damals, eben weil er das Gegentheil
gewöhnt war, an dem jungen Weibe entzückte, ihre
Urtheilslosigkeit, ihre Naivetät, das fand er in der Ehe
langweilig, sehr uninteressant.
Wie konnte sie auch dem geistvollen älteren Manne
auf die Dauer genügen? Die gegenseitige Enttäuschung
mußte ja nothwendigerweise erfolgen.
Allerdings hatte der Präsident sich in der ersten
Zeit bemüht, die Anschauungskraft seiner Gattin zu
vertiefen und zu erweitern. Er las ihr vor. Bei einem
Faustmonolog jedoch schlief die junge Frau ein. Da
hatte er das Buch so unsanft auf den Disch geworfen,
daß ste aus dem Schlummer auffuhr.
Er las nie wieder.
Er behandelte fortan Margarethe nur noch im Tone
spöttischer Ueberlegenheit, die er im alltäglichen Leben
ost sehr schonungslos herauskehrte. Um so mehr, als
der Präsident zu den Menschen gehörte, die ihre ganze
Liebenswürdigkeit an fremde Leute und außer Hause
verschwenden, so daß für die eigene Familie kaum eine
Spur davon übrig bleibt. —
Die beiden ungleichen Gatten setzten sich zu Disch.
Neben Margarethens Gedeck stand ein kleiner silberner
Deller. Ein Brief lag darauf.
„Von Mama!" sagte sie, ihn erbrechend.
„Deine Mutter eröffnet ja ein reines Schnellfeuer
von Briefen seit letzter Zeit," lächelte der Präsident
mit einer starken Beimischung von Ironie. „Nun, was
gibt's denn? Ein Schreckschuß!"
Der junge Frau war allerdings sichtlich betreten.
„Solche Idee!" rief sie, den Brief hinwerfend.
„Darauf verfällt doch sonst Niemand. Die
Eltern ziehen hierher Papa kann sich nach
dem Abschied, wie er behauptet, nicht mehr
mit Ehren dort sehen lassen."
„Hier will er also verschwinden? Oder
was sonst?" fragte der Präsident, sein Glas
wieder füllend.
„Was weiß ich!" rief die junge Frau
höchst ungeduldig. „Mama schreibt, da sie
nun doch einmal den Umzug machen müßten,
und wir hier wohnten, wollten sie nach
Berlin ziehen."
„So! Habe nichts dagegen!" sagte ihr
Gatte kühl.
„Du hast gut reden!" rief Margarethe
im richtigen Gefühl ihrer Unzulänglichkeit.
„Aber ich! Es wird unangenehme Scenen
geben mit Papa, das weiß ich vorher!"
„Wie wür's denn jetzt mit den griechi-
schen Kaisern?" fragte er mit beißendem
Spott, seine stets beobachtenden Augen auf
die erregte junge Frau richtend. „Haben
wir noch eine Ahnung davon in unserem
hübschen Köpfchen? Wie?"
Sie biß sich auf die Lippe. „Wenn Du
diesen Ton nicht aufgeben kannst, so spreche
ich überhaupt nicht mehr."
„Das wäre schade," fuhr er unbehindert
fort. „Ich bin überzeugt, daß wenn ein
halbes Dutzend von euch zusammen ist,
Frau v. Rönne mit eingerechnet, so könntet
ihr den klügsten Mann mundtodt machen."
„Und ist sie da," rief Margarethe, sich
mehr und mehr erhitzend, „ich meine Frau
v. Rönne, da wirst Du, wie damals,
ihre Hand kaum von den Lippen lassen
können."
„Keine Wirkung ohne Ursache! Die Ur-
ache ist — in meinem glücklichen Besitz."
„Ach, ivie lächerlich!" rief sie erbittert.
„Ehe Du an mich dachtest, und ich an Dich,
gehörtest Du zu den Anbetern der Frau
v. Rönne. Sie durfte nur winken —"
Die Generalstochter.
Georg Hartwig.
(Fortsetzung.)
- (Nachdruck verboten.)
er Major v. Rempler sagte nach der Ab-
reise seiner Tochter zu seiner Frau weiter
nichts, als: „Wäre, sie Frau Amtsrichter
Merling geworden, so Hütten wir sie hier
behalten. Ich will keine Klage hören —
erinnere Dich!"
Aber dabei hatte sein Gesicht mehr-
mals heftig nervös gezuckt, und er war spazieren ge-
gangen, gelaufen und gerannt, daß es schien, als wollte
er überhaupt nicht mehr nach Hause kom-
men. . . .
„Ja, was haben mir gesprochen?" wie-
derholte Margarethe, ihre Stiefelspitze be-
trachtend. „Und weshalb lachten wir zu-
sammen?"
Sie sprang von der Chaiselongue auf.
„Die Juristen haben immer etwas Lang-
weiliges, das ist ausgemacht! Und wenn
sie die ganze Weisheit im Kopfe Hütten.
So trocken! In Königsberg würde ich vor
Langweile gestorben sein, hier kann man es
wenigstens aushalten. Hier —"
Sie dachte an Hans Kaiserling. Er
mußte junge Offiziere in's Haus bringen.
Der Diener klopfte an. Die Suppe sei
aufgetragen.
Ach, ja doch! Diese ewige Suppe! Sie
glühte ja noch von Sonnenhitze! Dafür
hatte ihr Mann kein Verständniß. Aber
wenn er die halbe Nacht im Klub zubrachte,
da fragte er nach der Zeit nicht so skrupulös.
Dieser widerwärtige Klub!
Der Präsident erschien jetzt als per-
sonifizirte Ungeduld.
„Ich komme ja schon!" rief sie auf feine
Mahnung. „Ist das eine Noth um den
Teller Suppe!"
„Mache später, was Du willst," gab
er scharf zur Antwort. „Vorläufig sei
pünktlich. Ich dächte, Deine Abhaltungen
wären nicht so wichtig!"
Diese Aeußerung bezog sich auf das ab-
solute Nichtsthun der jungen Frau, geistig
wie physisch. Sie nahm außer einem Mode-
roman nie ein Buch in die Hand. Nie
eine Handarbeit. Wenn sie nicht ausging
oder Toilette machte, pflegte sie stundenlang
aus irgend einem Divan zu liegen und un-
nützes Zeug zu denken.
Bisweilen kauerte sie vor dem flackern-
den Kaminfeuer aus einem Kissen nieder
und träumte von etwas, das ihr im tiefsten
Roman
Faustmonolog jedoch schlief die junge
Alfred Aürst zu Windischgräh,
der neue österreichische Ministerpräsident. (S. 311)
Innern fehlte. Sie hatte einen Stolz darein gesetzt,
blasirt zu erscheinen, weil es vornehm aussah. Beinahe
war sie in Wirklichkeit so weit. Wie alle kleinen Gei-
ster, die aus engen Verhältnissen plötzlich in große über-
gehen, berauschte sie sich wahllos an dem Neuen. Aber-
Rausch ist Rausch. Und nach dem Rausch kommt un-
vermeidlich der Katzenjammer.
Bei dem Präsidenten stand die Sache kaum anders.
Auch sein Liebesrausch war denselben Weg gegangen.
Und was ihn damals, eben weil er das Gegentheil
gewöhnt war, an dem jungen Weibe entzückte, ihre
Urtheilslosigkeit, ihre Naivetät, das fand er in der Ehe
langweilig, sehr uninteressant.
Wie konnte sie auch dem geistvollen älteren Manne
auf die Dauer genügen? Die gegenseitige Enttäuschung
mußte ja nothwendigerweise erfolgen.
Allerdings hatte der Präsident sich in der ersten
Zeit bemüht, die Anschauungskraft seiner Gattin zu
vertiefen und zu erweitern. Er las ihr vor. Bei einem
Faustmonolog jedoch schlief die junge Frau ein. Da
hatte er das Buch so unsanft auf den Disch geworfen,
daß ste aus dem Schlummer auffuhr.
Er las nie wieder.
Er behandelte fortan Margarethe nur noch im Tone
spöttischer Ueberlegenheit, die er im alltäglichen Leben
ost sehr schonungslos herauskehrte. Um so mehr, als
der Präsident zu den Menschen gehörte, die ihre ganze
Liebenswürdigkeit an fremde Leute und außer Hause
verschwenden, so daß für die eigene Familie kaum eine
Spur davon übrig bleibt. —
Die beiden ungleichen Gatten setzten sich zu Disch.
Neben Margarethens Gedeck stand ein kleiner silberner
Deller. Ein Brief lag darauf.
„Von Mama!" sagte sie, ihn erbrechend.
„Deine Mutter eröffnet ja ein reines Schnellfeuer
von Briefen seit letzter Zeit," lächelte der Präsident
mit einer starken Beimischung von Ironie. „Nun, was
gibt's denn? Ein Schreckschuß!"
Der junge Frau war allerdings sichtlich betreten.
„Solche Idee!" rief sie, den Brief hinwerfend.
„Darauf verfällt doch sonst Niemand. Die
Eltern ziehen hierher Papa kann sich nach
dem Abschied, wie er behauptet, nicht mehr
mit Ehren dort sehen lassen."
„Hier will er also verschwinden? Oder
was sonst?" fragte der Präsident, sein Glas
wieder füllend.
„Was weiß ich!" rief die junge Frau
höchst ungeduldig. „Mama schreibt, da sie
nun doch einmal den Umzug machen müßten,
und wir hier wohnten, wollten sie nach
Berlin ziehen."
„So! Habe nichts dagegen!" sagte ihr
Gatte kühl.
„Du hast gut reden!" rief Margarethe
im richtigen Gefühl ihrer Unzulänglichkeit.
„Aber ich! Es wird unangenehme Scenen
geben mit Papa, das weiß ich vorher!"
„Wie wür's denn jetzt mit den griechi-
schen Kaisern?" fragte er mit beißendem
Spott, seine stets beobachtenden Augen auf
die erregte junge Frau richtend. „Haben
wir noch eine Ahnung davon in unserem
hübschen Köpfchen? Wie?"
Sie biß sich auf die Lippe. „Wenn Du
diesen Ton nicht aufgeben kannst, so spreche
ich überhaupt nicht mehr."
„Das wäre schade," fuhr er unbehindert
fort. „Ich bin überzeugt, daß wenn ein
halbes Dutzend von euch zusammen ist,
Frau v. Rönne mit eingerechnet, so könntet
ihr den klügsten Mann mundtodt machen."
„Und ist sie da," rief Margarethe, sich
mehr und mehr erhitzend, „ich meine Frau
v. Rönne, da wirst Du, wie damals,
ihre Hand kaum von den Lippen lassen
können."
„Keine Wirkung ohne Ursache! Die Ur-
ache ist — in meinem glücklichen Besitz."
„Ach, ivie lächerlich!" rief sie erbittert.
„Ehe Du an mich dachtest, und ich an Dich,
gehörtest Du zu den Anbetern der Frau
v. Rönne. Sie durfte nur winken —"
Die Generalstochter.
Georg Hartwig.
(Fortsetzung.)
- (Nachdruck verboten.)
er Major v. Rempler sagte nach der Ab-
reise seiner Tochter zu seiner Frau weiter
nichts, als: „Wäre, sie Frau Amtsrichter
Merling geworden, so Hütten wir sie hier
behalten. Ich will keine Klage hören —
erinnere Dich!"
Aber dabei hatte sein Gesicht mehr-
mals heftig nervös gezuckt, und er war spazieren ge-
gangen, gelaufen und gerannt, daß es schien, als wollte
er überhaupt nicht mehr nach Hause kom-
men. . . .
„Ja, was haben mir gesprochen?" wie-
derholte Margarethe, ihre Stiefelspitze be-
trachtend. „Und weshalb lachten wir zu-
sammen?"
Sie sprang von der Chaiselongue auf.
„Die Juristen haben immer etwas Lang-
weiliges, das ist ausgemacht! Und wenn
sie die ganze Weisheit im Kopfe Hütten.
So trocken! In Königsberg würde ich vor
Langweile gestorben sein, hier kann man es
wenigstens aushalten. Hier —"
Sie dachte an Hans Kaiserling. Er
mußte junge Offiziere in's Haus bringen.
Der Diener klopfte an. Die Suppe sei
aufgetragen.
Ach, ja doch! Diese ewige Suppe! Sie
glühte ja noch von Sonnenhitze! Dafür
hatte ihr Mann kein Verständniß. Aber
wenn er die halbe Nacht im Klub zubrachte,
da fragte er nach der Zeit nicht so skrupulös.
Dieser widerwärtige Klub!
Der Präsident erschien jetzt als per-
sonifizirte Ungeduld.
„Ich komme ja schon!" rief sie auf feine
Mahnung. „Ist das eine Noth um den
Teller Suppe!"
„Mache später, was Du willst," gab
er scharf zur Antwort. „Vorläufig sei
pünktlich. Ich dächte, Deine Abhaltungen
wären nicht so wichtig!"
Diese Aeußerung bezog sich auf das ab-
solute Nichtsthun der jungen Frau, geistig
wie physisch. Sie nahm außer einem Mode-
roman nie ein Buch in die Hand. Nie
eine Handarbeit. Wenn sie nicht ausging
oder Toilette machte, pflegte sie stundenlang
aus irgend einem Divan zu liegen und un-
nützes Zeug zu denken.
Bisweilen kauerte sie vor dem flackern-
den Kaminfeuer aus einem Kissen nieder
und träumte von etwas, das ihr im tiefsten