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Helt 2.

Das Buch für Alle.

55

worden war, er ließ nämlich das Bild umdrehen, indem er
Feder, Tinte und Siegellack forderte. Auf die Rückseite der
Leinwand des Bildes schrieb er dann seinen Namen. Darnach
zog er ein Taschenpetschaft hervor und drückte auch noch sein
Siegel daneben.
Das Gemälde wurde ihm eine halbe Stunde nachher in's
Hotel geschickt. Mit anderen Kunstsachen brachte er es nach
England, wo es dann in der Gallerte seines Schlosses eine
wahre Zierde bildete und viel bewundert wurde.
Etwa ein Jahr nachher besuchte ihn einmal sein Freund
Lord Seymour, der auch ein Gemäldeliebhaber war und eine
prächtige Gallerte besaß, wie ja so viele reiche und vornehme
Engländer. Mit Stolz zeigte Palmerston ihm seine neu-
erworbenen Kunstschätze. Vor dem Bilde von Salvator Rosa
blieb Seymour überrascht stehen.
„Aber, bester Freund," rief er, „mit dem Gemälde da sind
Sie schnöde angeführt worden, denn es ist nur eine Kopie!
Das Original besitze ich selbst seit einem halben Jahr."
„Ganz unmöglich," versetzte Palmerston. „Ich habe in
Rom selbst das Bild gekauft und unser vortrefflicher Kunst-
kenner Morris hat die Echtheit ausdrücklich bestätigt."
„Wo?"

„Bei dem Kunsthändler Vinetti."
„Bei dem habe ich dasselbe Bild gekauft, und zwar das
Original."
„Haha! Wie viel haben Sie dafür bezahlt?"
„Viertausend Pfund."
„Denselben Betrag zahlte ich auch," sagte Palmerston.
„Einer von uns muß also betrogen worden sein, und ich glaube
sicher, lieber Seymour, daß Sie es sind."
„Nein, theuerster Freund!"
„Aber so bedenken Sie doch: Professor Morris bestätigte
mir die Echtheit!"
„Und die Echtheit meines Exemplars verbürgte in Rom
ein noch viel berühmterer Kunstprofesfor."
„Mich konnte man gar nicht beschwindeln, dazu war ich zu
schlau. Sehen Sie doch hier auf der Rückseite des Gemäldes
den Beweis: meinen Namenszug und mein Siegel!"
„Nun, das kann ich Ihnen auch zeigen, denn ich war
ebenso schlau."
„Wie ist das denn zu erklären?"
„Einer muß Unrecht haben."
„Ich nicht!"
„Ich auch nicht!"

„Wetten wir?"
„Meinetwegen!"
„Um tausend Pfund, zahlbar von dem, der die Kopie be-
sitzt, an den Eigenthümer des Originals."
„^eU, es sei!"
„Aber wie sollen wir die Sache zur Entscheidung bringen?"
„Mein Gemälde lasse ich hierher zu Ihnen schaffen; wenn
wir dann beide nebeneinander haben, so kann die vergleichende
genaueste Prüfung um so besser geschehen."
„Sehr schön!" rief Palmerston. „Professor Morris ist
auch wieder in England. Er muß mit dabei sein. Ich werde
ihn dazu einladen." —
Zwei Tage später waren die beiden Gemälde in demselben
Saale beieinander ausgestellt in ganz gleicher bester Tages-
lichtbeleuchtung. Palmerston und Seymour besichtigten beide
auf's Genaueste und waren höchlich überrascht. Sie konnten
durchaus keinen Unterschied entdecken. Eines schien so gut
wie das andere zu sein. Welches aber war nun eigentlich das
Original?
Dann kam auch Professor Morris. Mit Erstaunen ver-
nahm er, um was es sich handle. Auf's Sorgsamste be-
trachtete und verglich auch er die Gemälde. „Das ist seltsam!"


Megenwurmsncher in Merlin. Nach einer Originalskizze von E. Hosang. (S. 51)

rief er endlich. „Ganz unerklärlich ist's! Keines dieser beiden
Bilder ist nach meiner Ueberzeugung das Original. Aber,
Mylord, das Gemälde, welches Sie in meinem Beisein in
Rom so theuer kauften, war ganz bestimmt das echte Original.
Ich täuschte mich damals nicht."
„Es ist aber doch dasselbe Bild," sagte Palmerston. „Auf
der Rückseite ist ja meine Unterschrift, mein Siegel."
„Unbegreiflich!" murmelte der Professor. „Offenbar liegt
eine geschickte Schwindelei vor; doch wie dieselbe hat geschehen
können, ist ganz räthselhaft." — Nachdem er eine Weile nach-
gesonnen, sprach er weiter: „Ich glaube aber doch Jemand
zu kennen, der das Räthsel aufzuklären vermöchte, wenn er
will."
„Wer ist's denn?"
„Ein sehr talentvoller junger italienischer Maler, der seit
einiger Zeit in London sich aufhält, Signor Parazzo."
„Wohl," sprach Palmerston, „so wollen wir ihn schleunigst
herbeirufen, um seine Meinung zu vernehmen."
Schon am folgenden Tage kam der junge Künstler an.
Die Angelegenheit wurde ihm auseinander gesetzt. Mit selt-
samem Lächeln betrachtete er die beiden Gemälde.
„Ich könnte das wohl erklären," sagte er, „aber es ist
das ein römisches Geheimniß, welches ich eigentlich nicht ent-
hüllen sollte —"
„Uns ist viel an der Aufklärung gelegen, denn es handelt
sich um eine bedeutende Wette. Wir zahlen Ihnen hundert
Pfund Sterling und versichern Sie unserer beständigen Pro-
tektion, wenn Sie uns gefällig sein wollen."
„Wenn die Herren das Geheimniß bewahren wollen —"
„Dazu verpflichten wir uns!"

„Nun denn, diese beiden Gemälde sind vortreffliche Kopien,
welchen künstlich sehr geschickt ein nachgedunkeltes Aussehen
verliehen worden ist. Das läßt sich ja Alles machen für's
liebe Geld! Das ist heutzutage eine einträgliche Industrie.
Die reichen Leute wollen alte Meisterwerke kaufen; es sind
deren nicht genug vorhanden, um die Nachfrage zu befriedigen,
nun, so fabrizirt inan einfach das Gewünschte. Junge Maler,
die ihre eigenen Originalschöpfungen nicht los werden können,
weil darnach kein Mensch fragt, liefern für den Händler
treffliche Kopien, die ihnen gut bezahlt werden. Das Weitere
ist dann Gewiffenssache des Händlers, der es verantworten
mag. Nicht nur in Italien, auch in den Niederlanden blüht
diese Industrie. Hunderte von trefflichen Kopien alter Meister-
werke werden alljährlich als Originale verkauft, besonders
nach England und Nordamerika. Die amerikanischen Millionäre
gehen nämlich noch viel leichter auf den Leim, als die vor-
nehmen Engländer. J.'denfalls aber bekommen sie für ihr
Geld immer schöne Gemälde, die an sich wohl ebenso schön
sind, als die Originale."
„Aber wir kauften doch in Rom Jeder damals unzweifel-
haft das Originalbild von Salvator Rosa, dessen Echtheit
Kenner ersten Ranges bestätigten. Vorsichtshalber versähe::
wir die Rückseite des Gemäldes mit unseren Namensunter-
schriften und unseren Siegeln. Und das ist doch sicher: Siegel
und Namen sind nicht gefälscht!"
Wieder lächelte der junge Italiener. „Das Gemälde mar
doppelt," sagte er, „erst das richtige Original, darunter dann
die Kopie. Sie schrieben also Ihre Namen und drückten Ihre
Siegel auf die Kopie. Der schlaue Händler wußte aus Er-
fahrung, wie es die Herren beim Gemäldekauf zu machen

pflegen, und hatte sich also darauf vorbereitet. Das kost-
bare Originalbild von Salvator Rosa ist gewissermaßen seine
treue Melkkuh, wovon er auf solche Weise schon manches
Dutzend guter Kopien höchst vortheilhaft als Original an
den Mann gebracht haben mag."
Palmerston und Seymour sahen sich an und brachen gleich-
zeitig in schallendes Gelächter aus. „Wahrhaftig, so muß es
zugegangen sein!" rief dann der Erstere. „Gründlich sind
wir Beide behumbugt worden; unsere Wette ist also nichtig.
Nun, unsere theuer erkauften Kopien sind ja doch recht schön;
so wollen wir uns denn auch fernerhin daran erfreuen, gerade
so, als ob wir Jeder das kostbare Original besäßen. Vielen
anderen Gemäldesammlern ist es wohl ebenso ergangen —
nur wissen sie es nicht!" F. L.
Schlagfertige Antwort. — Der Feldmarschall Radetzky
war einst' in einen Prozeß wegen einer Erbschaft verwickelt.
Eines Tages traf er den gegnerischen Anwalt auf der Straße,
trat an ihn heran und sprach: „Wenn Sie sich bei der nächsten
Verhandlung wieder solche Ausfälle gegen meine Person er-
lauben, dann wehe Ihnen!"
Der Anwalt verbeugte sich höflich und erwiederte: „Thut
nichts, Herr Feldmarschall; wir Oesterreicher haben von Ihnen
gelernt, uns nicht zu fürchten." —dn-
Iie beiden Heitert. — Ein Bruder des Dichters Gellert
war in Leipzig Fechtmeister. Einst stand er in einem Kon-
zerte neben dein Dichter Rabener. Eine junge Dame, welche
ihn nicht kannte, fragte Rabener, wer das sei? Witzig ent-
gegnete dieser: „Er hat keinen eigenen Namen, er behilft sich
mit dem seines Bruders Gellert." vr. W.
 
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