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guldenstücken herausgebuddelt, er erhielt anderes Geld
dafür und zog hocherfreut ab.
Im Jahre 1885 wurden in Deutschland alle alten
Thaler aufgerusen, die in den Jahren 1760 bis 1822
geprägt worden waren. Merkwürdigerweise kam nur
ein geringer Theil der Münzen, die sich noch im Um-
lauf" befinden mußten, em. Man konnte ja annehmeu,
daß ein Theil der Münzen zerstört und verloren sei
oder irgendwo versteckt und vergraben liege, aber der
geringe Zufluß in die Kassen war doch auffallend. Die
Erklärung für diesen Umstand ist eine sehr einfache.
Das Sammeln von Geldmünzen hat nämlich in den
letzten Jahrzehnten einen solchen Aufschwung genommen,
daß selbst im sogenannten Mittelstand Leute, die sonst
nicht über ein Vermögen verfügen, Münzensammler
werden und manchmal mit großer Leidenschaft dieser
Lieberhaberei fröhnen. Für solche Sammler sind „alte
Thaler", die jetzt als verfallen gelten, werthvolle Ob-
jekte, und die alteren Münzensammler, die m früheren
Zeiten die letzten Münzen deutschen Gepräges, die
ihnen durch die Hand gingen, aufbewahrt haben, er-
halten jetzt für vollständige Sammlungen ganz riesige
Das Buch f ü r A l l e.
Preise geboten. Beim Wechsel von Münzspstemen em-
pfiehlt es sich unter fetzigen Verhältnissen noch immer,
von den ausrangirten alten Stücken Metallgeldes eine
Anzahl zurückzubehalten, theils als Andenken für sich und
die kommenden Geschlechter, theils deshalb, weil solche
alten Münzen immer werthvoller werden, je mehr man
sich von der Zelt des Münzsystemwechsels entfernt.
Kupfer- und kleine Silberstücke aus der Zeit der fran-
zösischen Fremdherrschaft in Deutschland zu Anfang
unseres Jahrhunderts und aus der Zeit der Klein-
staaterei werden heute von Sammlern und Händlern
mit Gold ausgewogen, obgleich diese Münzen natürlich
längst „verfallen" sind.
Anders steht es mit dem verfallenen Papiergeld.
Fast alljährlich bringt irgend eine Zeitung in Deutsch-
land die Nachricht von einem sonderbaren Funde, der
hier und dort gemacht worden ist; bald in einem alten
Sopha, bald in einer alten Familienbibel oder in irgend
einem anderen Stück Besitzthum findet man Papier-
geld, das von den längst verstorbenen Besitzern dort
versteckt wurde. Dieses Papiergeld ist werthlos, denn
es ist längst für verfallen erklärt worden. Alan hat
Heft 5.
wissenschaftlich und finanzpraktifch darüber viel gestritten,
ob nicht ein Staat die Verpflichtung habe, Papiergeld,
das er einmal ausgegeben hat, unter allen Umstünden
wieder einzulöseu. Das, was er da ausgibt, sind doch ge-
wissermaßen Schuldscheine, und ein anständiger Schuldner
entzieht sich seinen Verpflichtungen nicht, wenn ihm ein
Schuldschein auch lange nach dein Verfalltag vorgelegt
wird. Auf der anderen Seite würden die Staaten
mit einer Umänderung ihres Münzsystems aber niemals
fertig werden, wollten sie nicht darauf driugen, daß die
Umwechslung bis zu einem bestimmten Tage völlig voll-
zogen sein müsse. Gewöhnlich nimmt man in allen Kultur-
staaten einen solchen Umtausch vou Papiergeld so vor,
daß das nicht umgewechselte Papiergeld noch nach dem
letzten Termine vier Jahre lang die Giltigkeit eines
Schuldscheins hat, der gegen die betreffende Bank oder
den Staat eingeklagt werden kann. Nach diesen vier
Jahren wird noch eine letzte Bekanntmachung erlassen,
dann aber gilt jedes Papiergeld für gänzlich werthlos,
wenn nicht noch in einzelnen Staaten, nue zum Bei-
spiel in Deutschland, die Möglichkeit vorlwgt, daß durch
einen Guadenakt des Monarchen die Einwechslung noch
Angriff einer Watzenspinne ans einen Skorpion.
Originalzeichnung von A. Specht. (S. 130)
nachträglich genehmigt wird. Natürlich uurd ein solcher
Gnadenakt aber nur in äußerst seltenen Fällen ergehen.
Die Staaten machen natürlich dadurch, daß eine
Anzahl von Banknoten nicht zur Einwechslung oder
Ummechslung eingereicht wird, ein ganz glanzendes
Geschäft. Am 1. Januar 1876 verloren alle Noten
der deutschen Reichsbank, welche auf Thaler lauteten,
ihre Umlaufsfähigkeit. Fünf Jahre später waren aber
noch nicht eingelöst oder umgewechselt über 90,000 Thaler
in Stücken zu 10 Thaler, 220,000 Thaler in Abschnit-
teu zu 100 Thaler, 41,000 Thaler m Abschnitten zu
500 Thaler, zusammen mehr als 2 Millionen Mark.
Selbst von Noten der Privatbanken, wie der Kölnischen
Privatbank, welche ebenfalls am 1. Januar 1876 um-
laufsunfähig wurden, waren bis zu jenem Zeitpunkt
mehr als 30,000 Thaler noch nicht zur Einlösung ge-
langt.
In Preußen waren im Jahre 1884 von Kassen-
anweisungen aus den Jahren 1851 bis 1861, die schon
seit dem Jahre 1878 zur Umwechslung einberufeu waren
und damals nur noch den Werth von Schuldscheinen
hatten, mehr als M»0,0o0 Thaler noch nicht eingelöst.
An Kassenanweisungen von 1835 und an Darlehens-
kassenscheinen aus 1848 waren zu jenem Zeitpunkt
266,000 Thaler noch nicht eiugelöst, und von den kur-
hessischen Kassenscheinen fehlten noch immer etwa
32,000 Thaler.
Noch schlimmer wie mit den Kassenscheinen ist es
mit den Kupons, wie bekanntlich die gedruckten Quit-
tungen heißen, die den Staats- und sonstigen öffent-
lichen Papieren, Pfandbriefen, Prioritäten, Aktien u.s.w.
aiif eine Reihe von Jahren für die Erhebung der Zinsen
oder Dividenden beigegeben werden. Die Gesetzgebung
aller Staaten und die Statuten aller Gesellschaften be-
stimmen fast ausnahmslos, daß ein Kupon seine Giltig-
keit verliert, wenn er vier Jahre nach der Fälligkeit nicht
zur Auszahlung eingereicht wird.
Bemerkt mag noch werden, daß Oesterreich-Ungarn
auch ohne Wechsel des Münzsystems doch häufig Kassen-
scheine euizieht und für verfallen erklärt, wenn eine
Umwandlung der äußeren Gestalt unH Farbe dieser
Kassenscheine erfolgt. Die Anwohner der deutsch-öster-
reichischen Grenze sind gezwungen, auf diesen Umstand
wegen des unvermeidlichen Verkehrs über die Grenze
sorgfältig zu achten.
Der "Schwindel, der Alles, was in der Welt eristirt,
auszubeuten versucht, hat sich auch wiederholt des „ver-
fallenen Papiergeldes" beinächtigt. In Deutschland haben
Gauner namentlich österreichisches und amerikanisches
verfallenes Papiergeld in frecher Weise zum schwindel
benützt. Sie zeigten größere Noten, die über 100 Dol-
lars oder 100 Gulden lauteten, vor, und baten, ihnen
darauf einen kleinen Vorschuß zu geben, da sie nothwendig
Geld brauchten und ihnen der hohe Kassenschein nur
in der Bank umgewechselt würde. Nun sei aber ent-
weder eine Bank nicht im Orte oder die Bank sei gerade
in der Mittagszeit jetzt geschlossen, und in außerordent-
lich vielen Fällen gelang es den Gaunern rind gelingt
es ihnen wohl heute noch, auf derartige verfallene Kassen-
scheine Vorschüsse zu erschmiudeln, mit deuen sie natür-
lich dann das Weite suchen.
Anders liegt folgender Fall: kürzlich verurtheilte
das Wiener Schwurgericht den Rechnungsoffizial im
Reichsfinanzministerium Franz Maga zu vier Jahren
schweren Kerkers, weil er seit Jahren Fünfzig-Gulden-
Noten, die als unbrauchbar eingeliefert waren, zu seinem
Nutzen mehrmals hatte einlösen lassen, anstatt sie der
Vorschrift entsprechend zu verbrennen.
Unsere Leser ersehen hieraus, daß sowohl mit be-
schädigtem >vie mit verfallenem Metall- und Papiergeld
auf mannigfache Weise Schwindel getrieben werden kann,
weshalb es gut ist, sich mit den dabei in Frage kom-
menden Verhältnissen genau vertraut zu machen.
guldenstücken herausgebuddelt, er erhielt anderes Geld
dafür und zog hocherfreut ab.
Im Jahre 1885 wurden in Deutschland alle alten
Thaler aufgerusen, die in den Jahren 1760 bis 1822
geprägt worden waren. Merkwürdigerweise kam nur
ein geringer Theil der Münzen, die sich noch im Um-
lauf" befinden mußten, em. Man konnte ja annehmeu,
daß ein Theil der Münzen zerstört und verloren sei
oder irgendwo versteckt und vergraben liege, aber der
geringe Zufluß in die Kassen war doch auffallend. Die
Erklärung für diesen Umstand ist eine sehr einfache.
Das Sammeln von Geldmünzen hat nämlich in den
letzten Jahrzehnten einen solchen Aufschwung genommen,
daß selbst im sogenannten Mittelstand Leute, die sonst
nicht über ein Vermögen verfügen, Münzensammler
werden und manchmal mit großer Leidenschaft dieser
Lieberhaberei fröhnen. Für solche Sammler sind „alte
Thaler", die jetzt als verfallen gelten, werthvolle Ob-
jekte, und die alteren Münzensammler, die m früheren
Zeiten die letzten Münzen deutschen Gepräges, die
ihnen durch die Hand gingen, aufbewahrt haben, er-
halten jetzt für vollständige Sammlungen ganz riesige
Das Buch f ü r A l l e.
Preise geboten. Beim Wechsel von Münzspstemen em-
pfiehlt es sich unter fetzigen Verhältnissen noch immer,
von den ausrangirten alten Stücken Metallgeldes eine
Anzahl zurückzubehalten, theils als Andenken für sich und
die kommenden Geschlechter, theils deshalb, weil solche
alten Münzen immer werthvoller werden, je mehr man
sich von der Zelt des Münzsystemwechsels entfernt.
Kupfer- und kleine Silberstücke aus der Zeit der fran-
zösischen Fremdherrschaft in Deutschland zu Anfang
unseres Jahrhunderts und aus der Zeit der Klein-
staaterei werden heute von Sammlern und Händlern
mit Gold ausgewogen, obgleich diese Münzen natürlich
längst „verfallen" sind.
Anders steht es mit dem verfallenen Papiergeld.
Fast alljährlich bringt irgend eine Zeitung in Deutsch-
land die Nachricht von einem sonderbaren Funde, der
hier und dort gemacht worden ist; bald in einem alten
Sopha, bald in einer alten Familienbibel oder in irgend
einem anderen Stück Besitzthum findet man Papier-
geld, das von den längst verstorbenen Besitzern dort
versteckt wurde. Dieses Papiergeld ist werthlos, denn
es ist längst für verfallen erklärt worden. Alan hat
Heft 5.
wissenschaftlich und finanzpraktifch darüber viel gestritten,
ob nicht ein Staat die Verpflichtung habe, Papiergeld,
das er einmal ausgegeben hat, unter allen Umstünden
wieder einzulöseu. Das, was er da ausgibt, sind doch ge-
wissermaßen Schuldscheine, und ein anständiger Schuldner
entzieht sich seinen Verpflichtungen nicht, wenn ihm ein
Schuldschein auch lange nach dein Verfalltag vorgelegt
wird. Auf der anderen Seite würden die Staaten
mit einer Umänderung ihres Münzsystems aber niemals
fertig werden, wollten sie nicht darauf driugen, daß die
Umwechslung bis zu einem bestimmten Tage völlig voll-
zogen sein müsse. Gewöhnlich nimmt man in allen Kultur-
staaten einen solchen Umtausch vou Papiergeld so vor,
daß das nicht umgewechselte Papiergeld noch nach dem
letzten Termine vier Jahre lang die Giltigkeit eines
Schuldscheins hat, der gegen die betreffende Bank oder
den Staat eingeklagt werden kann. Nach diesen vier
Jahren wird noch eine letzte Bekanntmachung erlassen,
dann aber gilt jedes Papiergeld für gänzlich werthlos,
wenn nicht noch in einzelnen Staaten, nue zum Bei-
spiel in Deutschland, die Möglichkeit vorlwgt, daß durch
einen Guadenakt des Monarchen die Einwechslung noch
Angriff einer Watzenspinne ans einen Skorpion.
Originalzeichnung von A. Specht. (S. 130)
nachträglich genehmigt wird. Natürlich uurd ein solcher
Gnadenakt aber nur in äußerst seltenen Fällen ergehen.
Die Staaten machen natürlich dadurch, daß eine
Anzahl von Banknoten nicht zur Einwechslung oder
Ummechslung eingereicht wird, ein ganz glanzendes
Geschäft. Am 1. Januar 1876 verloren alle Noten
der deutschen Reichsbank, welche auf Thaler lauteten,
ihre Umlaufsfähigkeit. Fünf Jahre später waren aber
noch nicht eingelöst oder umgewechselt über 90,000 Thaler
in Stücken zu 10 Thaler, 220,000 Thaler in Abschnit-
teu zu 100 Thaler, 41,000 Thaler m Abschnitten zu
500 Thaler, zusammen mehr als 2 Millionen Mark.
Selbst von Noten der Privatbanken, wie der Kölnischen
Privatbank, welche ebenfalls am 1. Januar 1876 um-
laufsunfähig wurden, waren bis zu jenem Zeitpunkt
mehr als 30,000 Thaler noch nicht zur Einlösung ge-
langt.
In Preußen waren im Jahre 1884 von Kassen-
anweisungen aus den Jahren 1851 bis 1861, die schon
seit dem Jahre 1878 zur Umwechslung einberufeu waren
und damals nur noch den Werth von Schuldscheinen
hatten, mehr als M»0,0o0 Thaler noch nicht eingelöst.
An Kassenanweisungen von 1835 und an Darlehens-
kassenscheinen aus 1848 waren zu jenem Zeitpunkt
266,000 Thaler noch nicht eiugelöst, und von den kur-
hessischen Kassenscheinen fehlten noch immer etwa
32,000 Thaler.
Noch schlimmer wie mit den Kassenscheinen ist es
mit den Kupons, wie bekanntlich die gedruckten Quit-
tungen heißen, die den Staats- und sonstigen öffent-
lichen Papieren, Pfandbriefen, Prioritäten, Aktien u.s.w.
aiif eine Reihe von Jahren für die Erhebung der Zinsen
oder Dividenden beigegeben werden. Die Gesetzgebung
aller Staaten und die Statuten aller Gesellschaften be-
stimmen fast ausnahmslos, daß ein Kupon seine Giltig-
keit verliert, wenn er vier Jahre nach der Fälligkeit nicht
zur Auszahlung eingereicht wird.
Bemerkt mag noch werden, daß Oesterreich-Ungarn
auch ohne Wechsel des Münzsystems doch häufig Kassen-
scheine euizieht und für verfallen erklärt, wenn eine
Umwandlung der äußeren Gestalt unH Farbe dieser
Kassenscheine erfolgt. Die Anwohner der deutsch-öster-
reichischen Grenze sind gezwungen, auf diesen Umstand
wegen des unvermeidlichen Verkehrs über die Grenze
sorgfältig zu achten.
Der "Schwindel, der Alles, was in der Welt eristirt,
auszubeuten versucht, hat sich auch wiederholt des „ver-
fallenen Papiergeldes" beinächtigt. In Deutschland haben
Gauner namentlich österreichisches und amerikanisches
verfallenes Papiergeld in frecher Weise zum schwindel
benützt. Sie zeigten größere Noten, die über 100 Dol-
lars oder 100 Gulden lauteten, vor, und baten, ihnen
darauf einen kleinen Vorschuß zu geben, da sie nothwendig
Geld brauchten und ihnen der hohe Kassenschein nur
in der Bank umgewechselt würde. Nun sei aber ent-
weder eine Bank nicht im Orte oder die Bank sei gerade
in der Mittagszeit jetzt geschlossen, und in außerordent-
lich vielen Fällen gelang es den Gaunern rind gelingt
es ihnen wohl heute noch, auf derartige verfallene Kassen-
scheine Vorschüsse zu erschmiudeln, mit deuen sie natür-
lich dann das Weite suchen.
Anders liegt folgender Fall: kürzlich verurtheilte
das Wiener Schwurgericht den Rechnungsoffizial im
Reichsfinanzministerium Franz Maga zu vier Jahren
schweren Kerkers, weil er seit Jahren Fünfzig-Gulden-
Noten, die als unbrauchbar eingeliefert waren, zu seinem
Nutzen mehrmals hatte einlösen lassen, anstatt sie der
Vorschrift entsprechend zu verbrennen.
Unsere Leser ersehen hieraus, daß sowohl mit be-
schädigtem >vie mit verfallenem Metall- und Papiergeld
auf mannigfache Weise Schwindel getrieben werden kann,
weshalb es gut ist, sich mit den dabei in Frage kom-
menden Verhältnissen genau vertraut zu machen.