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Das Buch für Alle.
Heft 6.
drinnen in der Stadt ist das Alles ganz anders. Was
bin ich Oa noch neben Ihnen? Die Kreise, denen Sie
angehören, werden ja niemals die meinigen sein."
Sie standen an der offenen Gartenpforte, und der
grauköpfige Bediente von Lindow hatte schon die Hand
am Wagenschlag. Jngeborg fühlte das sehnliche Ver-
langen, ihren: Begleiter auf seine letzten Worte noch
etwas recht Herzliches und Ermuthigendes zu sagen;
aber der rechte Ausdruck für das, was sie empfand,
wollte sich nicht so rasch einstellen, als die Situation
es geboten hatte.
„Das liegt in Ihrer eigenen Hand," sagte sie nur.
Humoristisches.
Alte und rreno Zeit.
Ein oller Rittersmann erwachte —
Was der Wohl heut' für Augen machte
Ich glaub', er hält' an seinen Sprossen
Richt allzuvicle Freud' genossen.
Sang sonst als treuer Troubadour
Bor'm Feuster er den Liebesschwur,
Und sollt' ihn ein Turnier gelüsten,
So müßte er sich wacker rüsten,
Auch mit der Elektrizität
Er schwerlich sich befreunden thät.
Und wollte er die Welt befrei'»,
Von Bären, Drachen oder Leu'n,
WaS man als „Wein" betitelt jetzt.
Ich glaub', er kehrt im Augenblick
Zu seinem Schluunucrtruuk zurück.
„Wenn Sie jenes nette Heilmittel gefunden haben
werden —"
Sie stockte; denn sie war zornig über die eigene
Ungeschicklichkeit, die etwas ganz Anderes auf ihre
Lippen gelegt hatte, als sie hatte aussprechen wollen.
Düringhoffen jedoch erwiederte, indem er sich zum
letzten Abfchied gegen sie verneigte, in eigenthümlich
verändertem Don: „Ich weiß wohl, Fräulein Wallroth,
daß man eitles Mannes Werth allein an seinen Er-
folgen mißt; der Erfolg aber winkt nur dem, bei dem
Verdienst und Glück sich einen, und das Glück ist ein
Faktor, mit dein man in der Wissenschaft so wenig
rechnen kann als in: Leben, zumal wenn man, wie ich,
nicht gerade zu den Sonntagskindern gehört. Ich
wünsche Ihnen voll Herzen glückliche Fahrt und eine
gute Nacht!"
„Gute Nacht!" rief sie zurück. Aber es war un-
gewiß, ob er es über dem Zufallen des Kutscheilschlages
noch gehört hatte.
Mit einer tiefschmerzlichen Empfindung im Herzeit
lehnte sich Jngeborg gegen die Polster des Wagens
zurück. Sie fühlte sich plötzlich namenlos einsam und
verlassen, und während sie durch den stillen, sonntäg-
lichen FrühlingSabend dahinfuhr, rannen über ihre
Das Buch für Alle.
Heft 6.
drinnen in der Stadt ist das Alles ganz anders. Was
bin ich Oa noch neben Ihnen? Die Kreise, denen Sie
angehören, werden ja niemals die meinigen sein."
Sie standen an der offenen Gartenpforte, und der
grauköpfige Bediente von Lindow hatte schon die Hand
am Wagenschlag. Jngeborg fühlte das sehnliche Ver-
langen, ihren: Begleiter auf seine letzten Worte noch
etwas recht Herzliches und Ermuthigendes zu sagen;
aber der rechte Ausdruck für das, was sie empfand,
wollte sich nicht so rasch einstellen, als die Situation
es geboten hatte.
„Das liegt in Ihrer eigenen Hand," sagte sie nur.
Humoristisches.
Alte und rreno Zeit.
Ein oller Rittersmann erwachte —
Was der Wohl heut' für Augen machte
Ich glaub', er hält' an seinen Sprossen
Richt allzuvicle Freud' genossen.
Sang sonst als treuer Troubadour
Bor'm Feuster er den Liebesschwur,
Und sollt' ihn ein Turnier gelüsten,
So müßte er sich wacker rüsten,
Auch mit der Elektrizität
Er schwerlich sich befreunden thät.
Und wollte er die Welt befrei'»,
Von Bären, Drachen oder Leu'n,
WaS man als „Wein" betitelt jetzt.
Ich glaub', er kehrt im Augenblick
Zu seinem Schluunucrtruuk zurück.
„Wenn Sie jenes nette Heilmittel gefunden haben
werden —"
Sie stockte; denn sie war zornig über die eigene
Ungeschicklichkeit, die etwas ganz Anderes auf ihre
Lippen gelegt hatte, als sie hatte aussprechen wollen.
Düringhoffen jedoch erwiederte, indem er sich zum
letzten Abfchied gegen sie verneigte, in eigenthümlich
verändertem Don: „Ich weiß wohl, Fräulein Wallroth,
daß man eitles Mannes Werth allein an seinen Er-
folgen mißt; der Erfolg aber winkt nur dem, bei dem
Verdienst und Glück sich einen, und das Glück ist ein
Faktor, mit dein man in der Wissenschaft so wenig
rechnen kann als in: Leben, zumal wenn man, wie ich,
nicht gerade zu den Sonntagskindern gehört. Ich
wünsche Ihnen voll Herzen glückliche Fahrt und eine
gute Nacht!"
„Gute Nacht!" rief sie zurück. Aber es war un-
gewiß, ob er es über dem Zufallen des Kutscheilschlages
noch gehört hatte.
Mit einer tiefschmerzlichen Empfindung im Herzeit
lehnte sich Jngeborg gegen die Polster des Wagens
zurück. Sie fühlte sich plötzlich namenlos einsam und
verlassen, und während sie durch den stillen, sonntäg-
lichen FrühlingSabend dahinfuhr, rannen über ihre