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Das Buch f ü r All e.
Heft 7.
Giuseppe Acrdi. (S. 174)
Nach einer Photographie von A. Ferraris im Verlag von G. Ricordi L Cie. in Mailand.
„Vater!" flehte Fräulein Helene leise, und
gegen den Doktor gewendet, fügte sie hinzu:
„Die Pflegerin, welche Sie uns schicken wollen,
wird hoffentlich die Freundlichkeit haben, wich
in Allem zu unterweisen, was bei der Behand-
lung des Kranken zu beachten ist. Ich werde
dann im Stande fein, sie hier und da abzu-
lösen, so daß es dem Patienten niemals an der
nöthigen Beaufsichtigung und Pflege mangelt."
Doktor Giersberg nickte. „Wenn Ihre
Handlungen so tapfer find, wie Ihre Worte,
mein Fräulein, ist der arme Düringhosfen da
ja in ganz guten Händen. Aber nun ist's ge-
nug geschwatzt; jetzt heiszt's ansafsen, und da
wäre," bis dle Wärterin ankommt, etwa Fol-
gendes zu thun."
Kurz und verständlich gab er seine Anwei-
sungen, und aus Fräulein Helenens Antworten
konnte er mit Befriedigung entnehmen, daß
sie ihn vollständig begriffen habe. Er mußte
denn auch bezüglich des „Frauenzimmerun-
verstandes" schließlich zu einer etwas milderen
Auffassung gekommen sein, da er ihr dein:
Abschied ermuthigend zunickte und in seinem
freundlichsten Tone sagte: „Vor Allem zeigen
Sie ihm ein heiteres Gesicht, wenigstens so
lange er noch Augen dafür hat. Das ist die
Kunst, die an einem Krankenbette zuerst gelernt
werden muß, obwohl sie mitunter schwerer ist,
als alles Andere. Und nun gehen Sie an's
Werk! Am Abend sehen wir uns wieder."
Er stapfte zur Thür; aber Halbwegs kehrte
er noch einmal um und streckte dein Gerichts-
vollzieher seine Hand entgegen.
„Adieu, Sie Mann des Gesetzes! Ich werde
künftig versuchen, die Augen zuzukneisen, wenn
ich an Ihrer Thür da draußen vorübergehe."
Vater Leubuscher brummte etwas Verlegenes;
aber sie schüttelten sich doch kräftig die Hände,
und als Giersberg hinaus war, meinte der
Riese: „Das ist ein guter Doktor, zu dem Hütte
ich Vertrauen."
Dann suchte er seufzend seine zerstreuten
Akten wieder zusammen und ging an sein Tage-
werk, das so sauer und nur zu häufig leider-
gehabt, ihre Hilfeleistungen anzunehmen; aber
die sanfte Bestimmtheit, mit der sie sich auf
ihr dem Doktor gegebenes Versprechen berief,
machte ihn gefügig. Auch hätte er kaum noch
die Energie gehabt, ernstlich zu widerstreben,
denn seine Kräfte nahmen zusehends in dem-
selben Maße ab, wie sich das Fieber steigerte.
Als seine freiwillige Pflegerin ihm eben
wieder eine Gabe des rasch angefertigten Me-
dikaments gereicht und den von Doktor Giers-
berg verordneten feuchten Umschlag erneuert
hatte, sagte Düringhoffen, indem er dankbar
zu ihr aufsah: „Nun habe ich noch eine große
Bitte, Fräulein Hplene! Möchten Sie wohl
einen Brief schreiben, den ich Ihnen diktiren
werde?"
„Gewiß! Einen Brief an Ihre Mutter, Herr
Düringhoffen?"
„Nein! Weshalb sollten wir die arme
Frau früher in Angst und Kummer versetzen,
als es unbedingt nothwendig ist! Doktor Giers-
berg 'wird Ihnen sagen, wann die Zeit gekom-
men ist, an sie zu schreiben; der Brief, nur
den ich Sie jetzt bitten möchte, ist für den
Professor Wallroth."
Fräulein Helene hatte sich bereits Papier und
Feder zurecht gelegt, und sie schrieb nach Düring-
hosfen's Diktat:
„Mein hochverehrter Meister und väterlicher
Freund!
Ich glaube eine Entdeckung gemacht zu
haben, die vielleicht nicht ganz ohne Werth
für die Wissenschaft ist. Wenn ich darüber
bis zu diesem Augenblicke gegen Jedermann
geschwiegen, so geschah es nicht aus thörichter
Geheimthuerei, sondern weil ich selber noch
immer ernste Zweifel in das völlige Gelingen
meines Bemühens fetzte. Nun aber darf ich
wohl ohne Ueberhebung ausfprechen, daß ich
am Ziele bin, an demjenigen Ziele wenigstens,
welches nach der Art und dem Maße meines
Wissens für mich überhaupt erreichbar ist. Ein
glücklicher Zufall, wie er in unserer Wissen-
schaft ja nicht selten ist, hat mir über die letzten
Schwierigkeiten hinweggeholfen, und in den
auck/so kostspielig war. — Geräuschlos und geschickt ! drinnen im Krankenzimmer ihres schweren Amtes. An- ! nächsten Tagen schon gedachte ich mit dem Resultat
waltete Fräulein Helene während der nächsten Stunden ! fänglich hatte Düringhosfen wohl allerlei kleine Bedenken ! meiner Versuche vor Sie hinzutreten, um Ihr Urtheil
Der elektrische Scheinn-erser aus der Weltausstellung in Ghicago. Nach einer photographischen Originalaufnahme. (S. 1/4)
Das Buch f ü r All e.
Heft 7.
Giuseppe Acrdi. (S. 174)
Nach einer Photographie von A. Ferraris im Verlag von G. Ricordi L Cie. in Mailand.
„Vater!" flehte Fräulein Helene leise, und
gegen den Doktor gewendet, fügte sie hinzu:
„Die Pflegerin, welche Sie uns schicken wollen,
wird hoffentlich die Freundlichkeit haben, wich
in Allem zu unterweisen, was bei der Behand-
lung des Kranken zu beachten ist. Ich werde
dann im Stande fein, sie hier und da abzu-
lösen, so daß es dem Patienten niemals an der
nöthigen Beaufsichtigung und Pflege mangelt."
Doktor Giersberg nickte. „Wenn Ihre
Handlungen so tapfer find, wie Ihre Worte,
mein Fräulein, ist der arme Düringhosfen da
ja in ganz guten Händen. Aber nun ist's ge-
nug geschwatzt; jetzt heiszt's ansafsen, und da
wäre," bis dle Wärterin ankommt, etwa Fol-
gendes zu thun."
Kurz und verständlich gab er seine Anwei-
sungen, und aus Fräulein Helenens Antworten
konnte er mit Befriedigung entnehmen, daß
sie ihn vollständig begriffen habe. Er mußte
denn auch bezüglich des „Frauenzimmerun-
verstandes" schließlich zu einer etwas milderen
Auffassung gekommen sein, da er ihr dein:
Abschied ermuthigend zunickte und in seinem
freundlichsten Tone sagte: „Vor Allem zeigen
Sie ihm ein heiteres Gesicht, wenigstens so
lange er noch Augen dafür hat. Das ist die
Kunst, die an einem Krankenbette zuerst gelernt
werden muß, obwohl sie mitunter schwerer ist,
als alles Andere. Und nun gehen Sie an's
Werk! Am Abend sehen wir uns wieder."
Er stapfte zur Thür; aber Halbwegs kehrte
er noch einmal um und streckte dein Gerichts-
vollzieher seine Hand entgegen.
„Adieu, Sie Mann des Gesetzes! Ich werde
künftig versuchen, die Augen zuzukneisen, wenn
ich an Ihrer Thür da draußen vorübergehe."
Vater Leubuscher brummte etwas Verlegenes;
aber sie schüttelten sich doch kräftig die Hände,
und als Giersberg hinaus war, meinte der
Riese: „Das ist ein guter Doktor, zu dem Hütte
ich Vertrauen."
Dann suchte er seufzend seine zerstreuten
Akten wieder zusammen und ging an sein Tage-
werk, das so sauer und nur zu häufig leider-
gehabt, ihre Hilfeleistungen anzunehmen; aber
die sanfte Bestimmtheit, mit der sie sich auf
ihr dem Doktor gegebenes Versprechen berief,
machte ihn gefügig. Auch hätte er kaum noch
die Energie gehabt, ernstlich zu widerstreben,
denn seine Kräfte nahmen zusehends in dem-
selben Maße ab, wie sich das Fieber steigerte.
Als seine freiwillige Pflegerin ihm eben
wieder eine Gabe des rasch angefertigten Me-
dikaments gereicht und den von Doktor Giers-
berg verordneten feuchten Umschlag erneuert
hatte, sagte Düringhoffen, indem er dankbar
zu ihr aufsah: „Nun habe ich noch eine große
Bitte, Fräulein Hplene! Möchten Sie wohl
einen Brief schreiben, den ich Ihnen diktiren
werde?"
„Gewiß! Einen Brief an Ihre Mutter, Herr
Düringhoffen?"
„Nein! Weshalb sollten wir die arme
Frau früher in Angst und Kummer versetzen,
als es unbedingt nothwendig ist! Doktor Giers-
berg 'wird Ihnen sagen, wann die Zeit gekom-
men ist, an sie zu schreiben; der Brief, nur
den ich Sie jetzt bitten möchte, ist für den
Professor Wallroth."
Fräulein Helene hatte sich bereits Papier und
Feder zurecht gelegt, und sie schrieb nach Düring-
hosfen's Diktat:
„Mein hochverehrter Meister und väterlicher
Freund!
Ich glaube eine Entdeckung gemacht zu
haben, die vielleicht nicht ganz ohne Werth
für die Wissenschaft ist. Wenn ich darüber
bis zu diesem Augenblicke gegen Jedermann
geschwiegen, so geschah es nicht aus thörichter
Geheimthuerei, sondern weil ich selber noch
immer ernste Zweifel in das völlige Gelingen
meines Bemühens fetzte. Nun aber darf ich
wohl ohne Ueberhebung ausfprechen, daß ich
am Ziele bin, an demjenigen Ziele wenigstens,
welches nach der Art und dem Maße meines
Wissens für mich überhaupt erreichbar ist. Ein
glücklicher Zufall, wie er in unserer Wissen-
schaft ja nicht selten ist, hat mir über die letzten
Schwierigkeiten hinweggeholfen, und in den
auck/so kostspielig war. — Geräuschlos und geschickt ! drinnen im Krankenzimmer ihres schweren Amtes. An- ! nächsten Tagen schon gedachte ich mit dem Resultat
waltete Fräulein Helene während der nächsten Stunden ! fänglich hatte Düringhosfen wohl allerlei kleine Bedenken ! meiner Versuche vor Sie hinzutreten, um Ihr Urtheil
Der elektrische Scheinn-erser aus der Weltausstellung in Ghicago. Nach einer photographischen Originalaufnahme. (S. 1/4)