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210

Geheimnisse in Bezug aus den ,Stern des Südens'
wirken; wenn Du —"
„Nein, nein, tausendmal nein! Diesmal wird es
nicht zum Unglück, sondern zum Glück ausschlagcu,
Mutter. Verlaß Dich aus mich!"
Ein Diener trat aus deu Balkon. „Der Gartner
wünscht Euer Gnaden zu sprechen," meldete er.
„Checco? Was will er?"
„Ich weiß es nicht. Es ist ein junges Mädchen bei
ihm."
„Aha," machte Cesina lustig, „ich verstehe. Laß
ihn rasch kommen, Ernesto. — Mutter, Du mußt nett
mit Ehecco sein, Du weißt, was er uns in der Stunde
oer Gefahr gewesen ist. Ich glaube zu wissen, was er-
setzt null. Sei gut zu ihm."
Die Portiere, die den Balkon mit dem Zimmer ver-
band, schob sich auseinander, und Cheeco wurde sichtbar.
Er war roth im Gesicht und sah peinlich linkisch und
verlegen aus. Hinter ihm erschien Carmela, frisch und
duftig wie eine Frühlingsblume, ein südliches Haide-
röslein. Sie war wohl auch etwas befangen, aber aus
Augen und Mienen sprach trotzdem ihr freies, natür-
liches Temperament. Nur die elegante Hingebung und
die hohen, schön geputzten Frauen schienen sie für den
Augenblick zu verwirren.
„Was willst Du, Checco?" fragte Herzogin Estella,
„so hübsch geputzt, und wer ist das Kind dort?"
Etwas verdutzt schaute Checco auf das „Kind"
hinter ihm.
„Gnädigste Frau Herzogin," begann er schüchtern,
„das ist Carmela Cioffi aus Positano. Wir haben uns
versprochen, uns zu heirathen, sowie wir in der Lage sind,
einen Hausstand gründen zu können."
„Ah," unterbrach ihn lächelnd Herzogin Estella,
„also Deine Braut?"
„Ja, Frau Herzogin."
„Aber, Checco, sie ist ja noch ein wahres Kind!
Ich null wetten, sie ist noch keine siebzehn Jahre alt.
Nicht wahr, Carmela?"
„Bitte, Frau Herzogin, siebzehn Jahre und fast vier
Monate!" protestirte diese.
„Sho! Und ihr glaubt nun, die Zeit sei gekom-
men?"
„Ja, gnädigste Frau Herzogin, sie ist da. Als Sie
die Gnade hatten, mich als Schloßgärtner anzustellen,
da sagten Sie mir, wenn ich eimnal einen Wunsch
hätte, von dessen Erfüllung mein Glück abhänge, so
sollte ich mich nur vertrauensvoll an Sie wenden. Das
ist jetzt der Fall."
„So, so, Checco! Und was ist das für ein Wunsch?"
„Frau Herzogin, ich habe heute Morgen gehört, daß
die Vigna am Monte Bianco, die fri'cher dein Advokaten
Castaldi in Neapel gehörte, im nächsten Monat öffent-
lich versteigert werden soll.
„Aha, ich verstehe. Du willst von uns fort und
selbst Eigenthümer werden!"
„Nicht ich, aber die Carmela möchte es."
„Ei, Carmela, und warum willst Du nicht die Frau
des Schloßgärtners auf Positano werden?"
Carmela zuckte verlegen hin und her, wurde ein
wenig roth und fuhr endlich naiv heraus: „Halten zu
Gnaden, Frau Herzogin, weil es besser ist, die Frau
eines Weinbergbesitzers zu sein!"
Die Herzogin lachte. „Nun, dagegen ist allerdings
nichts Stichhaltiges einzuwenden, Carmela. Aber habt
ihr denn soviel Geld, die Vigna Zu kaufen?"
„Ich habe sechshundert Lire, Frau Herzogin."
„Und was kostet die Vigna?"'
„Gewiß nicht unter fünfzehntausend Lire."
„Ei, ei! Da wirst Du tüchtige Schulden machen
müssen."
„Gnädigste Frau Herzogin, eben deshalb komme ich
zu Ihnen. Ich wollte fragen, ob Sie mir nicht das
Geld als Hypothek gegen billigen Zins vorschießen
wollten."
Die Herzogin stand auf und streichelte Carmela am
Kinn.
Dann sagte sie: „Weißt Du, Checco, das ist nichts!
Ich verstehe mich auf solche Sachen nicht, aber ich weiß,
daß es nicht gut gethan ist, einen jungen Hausstand
in Schulden hineinzubauen."
„Frau Herzogin —"
„Höre mir zu. Ich will Dir die Vigna schenken
mit der einzigen Bedingung, daß Du stets ein braver,
ehrlicher, arbeitsamer Weinbauer bleibst. Was sagst Du
dazu, Carmela?"
Carmela faßte im Sturm ihrer Gefühle nach der Hand
der Herzogin Estella und küßte sie. Checco aber stand
ganz starr über diese Freigebigkeit. Dem guten, treuen
Burschen fiel es nicht bei, daß er eine solche Belohnung
für die Rettung des Grasen reichlich verdient hatte.
Plötzlich tönte von draußen herein ein betäubender
Lärm. Böllerschüsse wurden gelöst, Feuerwerkskörper
prasselten und knallten in der Luft, die Glocke der
kleinen Kapelle von Positano fing an zu läuten, und
die Leute von Positano, die zur'Feier des Tages in
Hellen Haufen das Schloß umstanden, ergingen sich in
einem ohrbetäubenden Evvwa-Rufen.

Das Buch für Allo.

Heft 9.

Herzogin Cesina wurde feuerroth.
„Sie kommen, sie kommen!" jubelte sie laut auf,
und da sie doch sofort das Bedürfniß hatte, in der
Freude ihres Herzens Jemand zu umarmen, und Nie-
mand sonst zugegen war, so umarmte sie Carmela und
küßte sie lebhaft auf die Wange.
„Sie kommen, Carmela, sie kommen!" jubelte sie
immerzu. „Du wirst auch mit Checco auf meiner Hoch-
zeit tanzen. Das bringt Glück, ein Brautpaar, das auf
eines anderen Hochzeit tanzt, bringt immer Glück! Und
wenn Du Hochzeit machst, so sage es mir vorher; ich
schenke Dir etwas Schönes. Hörst Du, Carmela?"
Dann lief sie fort, ihre Mutter konnte ihr kaum
folgen, vorbei an der feierlich und förmlich im Spalier
aufgestellten Dienerschaar hinunter nach der großen Frei-
treppe des Schlosses, vor der nebst der jubelnden Ein-
wohnerschaar von Positano eine ganze Karawane von
Mauleseln, Tragsesseln und Reitpferden stand, die eben
sich ihrer Lasten entledigte.
Auf der halben Treppe traf Herzogin Cesina mit
ihrem Bräutigam zusammen — eine Umarmung und
ein Kuß, dann ein tausendfaches Geknatter von aller-
hand Pulverprüparaten, ohne das eine Hochzeit in Unter-
italien nun einmal unmöglich scheint, ein grelles, über-
lautes und lustiges Hurrahrufen und Vivatschreien. —
Die Hochzeit wurde auf dem Schloß selbst vollzogen
und zwar mit allein Pomp und mit allen Förmlich-
keiten und Feierlichkeiten, mit denen man in Unteritalien
derartige Festlichkeiten zu begleiten liebt.
Wie überall bei derartigen Familienfesten, so blühte
auch hier die Projektenmacherei, und es war nur natür-
lich, daß mehr oder minder versteckte Anspielungen auf
eine bevorstehende Verbindung zwischen dem jungen
Herzog Attilio und Fräulein de Vries durch den Saal
schwirrten. Man hatte den sich immer vertraulicher ge-
staltenden Verkehr der beiden Familien wohl beobachtet
und glaubte nicht fehl zu gehen in der Annahme, daß es
nur noch an einer passenden Gelegenheit fehle, um die
Verlobung der beiden jungen Leute zu verkünden. Im
Grunde genommen hatte sowohl Konsul de Vries als
Herzog Cesare nichts Stichhaltiges gegen das Projekt
einzuwenden, nur liebte es der Letztere bei derartigen
Anzapfungen bedenklich den Kops zu schütteln und zu
sagen: „Äh, ah, sie sind noch zu jung, sie müssen noch
warten!"
Als praktischer Mann wollte Herzog Cesare aus
Fräulein de Vries einen Preis für Attilio machen für
ein glücklich überstandenes Staatsexamen. Er wollte
das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden.
Leider sollte diese Spekulation mißglücken.
Es war Abend. Die Herrschaften hatten sich nach
einem reichen Mahle in den Park begeben, um die dort
veranstaltete Illumination zu bewundern. Cesina ging
am Arme ihres Gemahls durch die reizend mit aller-
hand bunten Lampen verzierten Gänge. Es war eine
duftige, wunderbare Frühlingsnacht.
„Du bist es also zufrieden, Emilio?" fragte Cesina.
„Zufrieden? Was habe ich dabei zufrieden zu sein?
Der Schmuck ist Dein Eigenthum, Cesina, Du kannst
damit thun, was Dir beliebt. Die von Dir geplante
Verwendung desselben hat meinen ganzen Beifall."
Dann blieben sie plötzlich lauschend stehen. Hinter-
einer im Halbdunkel stehenden Gruppe prächtiger, riesig
entwickelter Agaven flüsterten zwei leise Stimmen.
„Sie sind mir böse, Attilio?" hörten sie Fräulein
de Vries sagen.
„Wie könnte ich das! Aber wenn ich Sie über-
zeugen könnte, daß meine Liebe zu Ihnen nicht ein
flüchtiger Sinnenrausch, eine schnell aufflackernde Leiden-
schaft, sondern der Impuls des Herzens, die unmittel-
bare Sprache der Seele und des Blutes ist, dann könnte
ich vielleicht auch hoffen, das Mißtrauen zu besiegen,
das Sie noch immer gegen die Beständigkeit meiner
Gefühle hegen. Ist es vor Ihren Augen ein Ver-
brechen, Elvira, ein Neapolitaner zu sein?"
„O, Attilio, o nein!"
„Wir sind nun einmal so. Unser Blut spricht eine
rasche, laute, leidenschaftliche Sprache. Sind nur des-
halb Lügner? Elvira, einen Kuß zum Zeichen, daß ich
an Sie glauben darf."
„O, o Attilio!"
„Niemand sieht uns, Elvira!"
Es wurde still hinter den Agaven. Cesina gab ihrem
Gemahl ein Zeichen und ging heimlich lachend um die
Hecke herum. Im Dunkel sah sie jetzt Attilio und
Elvira stehen. Sie lag in seinen Armen; er hatte sich
über sie gebeugt und küßte sie auf den Mund.
„Ei, ei, meine kleine Schwägerin! Wer hätte das
gedacht?" rief Cesina laut lachend.
Elvira fuhr erschrocken auf und machte sich ver-
wirrt los.
„Cesina!" stammelte sie verlegen.
„Ach, nun laß nur das Heimlichthun. Ich lasse mu-
mm nichts mehr vormachen. Nun mußt Du Farbe
bekennen, Elvira!"
„Attilio hat mich überrascht —"
„Ja, ja, und Du hast Dich überraschen lassen. Das
kennen nur. Aber nun sei gut und komm nut nur.

Mit dein Heimlichthun ist's nun ein- für allemal vorbei,
nicht wahr, Attilio? Komm, Elvira, ich gebe Dir einen
Talisman, einen Zauber, der Attilio bannt. Und wenn
er ja einmal, früher oder später, in seinen alten Leichtsinn
zurückfällt, so hast Du nichts weiter zu thun, als Du-
den ,Stern des Südens' in das Haar zu stecken. Schon
wenn er den Stein sieht, so wird das mehr werth
sein, als alle Predigten. Das Leuchten des ,Sterns
des Südens' wird beredter sein, als der Mund sämmt-
licher Weisen dieser Welt. Komm, Elvira, komm!"
Sie zog sie fort.
„Aber, Cesina, Du weißt nicht, was Du thust!"
wandte Elvira ein.
„Besser wie Du! Du bist die zukünftige Herrin im
Schloß dei Tibaldi, Deine Stirn hat also das Familien-
diadem des Geschlechts zu schmücken. Du wirst doch
den Talisman nicht zurückweisen, der das Herz Attilio's
bändigt? Es ist Deine Pflicht, ihn zu tragen, ebenso
wie es Dein Recht ist." —
Kurze Zeit darauf, als sich die Hochzeitsgäste wieder
in den Sälen des Schlosses zusammengefunden hatten,
schritten aus dem Thurmzimmer Cesina's Attilio und
Elvira, während Erstere mit dem Grafen Tozzo dem
Paare auf dem Fuße folgte. Elvira ging am Arme
Ättilio's und trug den Familienschmuck der Familie
dei Tibaldi. In dem Diadem glänzte wieder der echte
„Stern des Südens" und warf aus dem prächtig blonden
Haar seiner Trägerin, von dem sich der dunkle Stein
wundervoll abhob, seine Lichtfluthen in einer Weise
durch die glänzenden Säle, daß alle Welt erstaunt stehen
blieb und dem Fräulein de Vries, die schön und maje-
stätisch wie eine wahre Fürstin daherschritt, nachsah.
„Was ist das?" fragte Herzog Cesare erstaunt.
„Papa," entgegnete lächelnd Cesina, „das ist die
zukünftige Herrin im Schlosse dei Tibaldi."
Ende.

Die Grneralstochter.

Roman

von
Georg HarLwig.
Kapitell
des Herbstabends fiel
bescheiden ausgestattetes Zim-
mer des dritten Stockes und erhellte es
gerade noch genügend, daß das junge
Mädchen, welches an dein einfachen
Pianino saß, eben die Tasten unter-
scheiden konnte. Ihre Finger sichren
etwas unruhig auf der Klaviatur herum


und sie rückte ungeduldig auf ihrem Stuhle hin und
her, während der junge schlanke Mann an ihrer Seite
aufmerksam bald die Bewegungen ihrer weißen Hände,
bald das Mienenspiel ihres lieblichen, kokett-reizvollen
Gesichtchens beobachtete.
„Oi8, mein Fräulein! Ganz entschieden Ow!" sagte
er jetzt im Tone des Lehrers.
„Ich griff es ja!" versetzte sie, das Näschen auf-

werfend.
„Nein! Sie spielten ein schreckliches. 0, das mir
durch Mark und Bein ging."
„Aber, mein Gott, das ist doch zum Verzweifeln!
Da — wieder! Ich kann es heute nicht greifen! —
Ois! Ois! sage ich Dir, du dumme Taste!"
Hier brach der Akkord heftig ab, und ein eigen-
thümlicher Laut ward hörbar, als ihre kleine Hand
ziemlich derb auf die Klaviatur schlug.
„Aber nicht doch! Was machen Me denn? Das ist
doch keine Musik. Fangen Sie noch einmal an. Ist
es Ihnen denn ganz gleich, ob Sie Ow oder 6 greifen,
Fräulein Margarethe?"
„Nun habe ich's aber bald satt!" seufzte das junge
Mädchen kläglich. „Wie kann ein Mensch auch solch'
dummen Akkord vorschreiben! Da ist mir jeder Walzer-
lieber. — Wissen Sie schon, Herr Merling, ich gehe
heute Abend auf meinen ersten Ball."
Dabei sielen beide Hände vom Klavier in den Schoß.
Die Sprecherin drehte ihren Sessel ein wenig zur Seite
und das Gesicht gleichfalls.
„Ja, auf meinen ersten Ball, Herr Assessor!"
„Ach so! Dann freilich —"
„Dann bin ich entschuldigt, nicht wahr?"
„Nun — ich dachte, Sie wollten das Lehrerinnen-

examen machen?"
„Auch! Aber doch nicht gerade heute Abend! Mama
hat's durchgesetzt, daß wir gehen."
„Was Sie sagen! Und wo findet dieser erste Ball
statt, wenn ich fragen darf?"
„Bei Generals! Mama hat auch ganz Recht, wir
gehören auf diesen Ball. Denn warum? Papa ist
 
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