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Heft 14.

IRustrrrtte Famrlren-Dertung. Zahrg. 1894.

Die Grnerglstochter.
Roman
Georg Harlwig.
(Fortsetzung.)
- (Nachdruck verboten.)
Zehntes Kapitell
m Sonntag Vorinittag pflegte General v.
Kaiserling mit soldatischer Pünktlichkeit an
der Wohnung seines Schwiegersohnes vor-
zusahren, um Tochter und Enkel einen
Besuch abzustatten.
Das war ihm eine liebe Stunde, auf
welche er sich die ganze Woche hindurch
freute, inmitten der anstrengenden Thätig-
keit, welche sein ver-
antwortungsvoller
Beruf, seine hohe
dienstliche Stellung
ihn: auferlegte.
Allerdings mischte
sich in das Gefühl
des Stolzes und der
Freude, welche das
Zusammensein mit
diesen beiden ihm so
theueren Wesen stets
in Herrn v. Kaiser-
ling's Brust wach-
rief, ein bitterer
Tropfen des Selbst-
vorwurfs, stark ge-
nug, seine sonst so
kernige Gerechtig-
keitsliebe mit belei-
digendem Vorurtbeil
zu durchsetzen.
Er grollte Gerd.
Nichts gefiel ihm an
diesem. Und seit er
die ehelichen Ver-
hältnisse seinerToch-
ter durchschaut, zeigte
sich diese Abneigung
immer freierund mit
immer schärferem
Beigeschmack von
Mißachtung.
Jawohl, Gerd ge-
nügte ihm in keiner
Weise als Gemahl
seiner vielbewunder-
ten Tochter, die ohne
Gerd's Existenz eine
der glänzendsten
Parthien gemacht
haben würde. Daß
Ellinor die ganze

Schuld trug an dem unglücklichen Jrrthum jener Nacht,
wenn überhaupt von Schuld die Rede sein konnte,
daran dachte er nicht.
Selbstverständlich mußte der klaffende Rangunter-
schied zwischen ihm und dem jungen Hauptmann v. Glem-
bach diese feindselige Stimmung auf das Empfindlichste
verfchürfen. Da das väterliche Wohlwollen gänzlich
fehlte, trat er dem dadurch tief Verletzten nie anders
gegenüber, als mit dem Uebergewicht seiner hohen
Stellung. Ob ausgesprochen oder nicht, ob mit Absicht
oder ohne Absicht, sein Verhalten drängte den jungen
Mann schonungslos in die unterwürfige Nolle des
Untergebenen, den: die unverdiente Wohlthat der Pro-
tektion zu Theil geworden ist, ganz unbekümmert darum,
was diese Stellungnahme in Glembach's feinfühligem
Selbstbewußtsein wirkte.
Mit elastischen Schritten war Herr v. Kaiserling
die Treppenstufen emporgestiegen.
Sein Kommen elektrisirte stets. Er war daher billig
erstaunt, Ellinor mit ihrem Knaben aus dem Arm

nicht wie sonst am obersten Treppenabsatz seiner harren
zu sehen.
Sie kam ihm hastig im Korridor entgegen, schlang
beide Arme um seinen Hals und küßte ihn.
„Nun?" fragte er, ihr schönes Antlitz väterlich lieb-
kosend. „Wo steckt denn Dein Junge, Elli?"
„Er fiebert etwas, Papa! — Nein, nein, es ist nicht
schlimm. Der Arzt meinte, es seien Zähne im Anzug.
Komm nur!"
Sie trat an seinem Arm in's Kinderzimmer, wo
das Gitterbettchen des Kleinen in seiner eleganten Aus-
stattung sogleich die ungetheilte Aufmerksamkeit des
Generals auf sich zog.
Er beugte sich über das Kind, indem er seine Taschen
von allerhand Spielereien entleerte. „Was ist denn das,
Alex, mein guter Junge? Sieh da — eine Ticktack!
Horch? Wer bin ich denn, Alex? Der O—papa!"
Ellinor's ernstes Antlitz strahlte. „Der O—papa,
Alex! Wer? Der gute, liebe O—papa! Gibst Du ihm
kein Küßchen, Alex? Sieh doch, Papa, er will Dich
umarmen! Da!
Nimm ihn ruhig
auf!"
Sie hob den Kna-
ben aus den Kissen
und legte ihn dem
General in die Arme.
Ganz glücklich drückte
dieser das lockige
Köpfchen gegen seine
Wange.
Bewundernd stand
die Wärterin neben
dieser Gruppe.
„O—papa!"sagte
der Kleine, nach dem
blitzenden Orden
greifend.
„Du sollst ihn
haben, Alex! Ziehe
doch die Nadel her-
aus, Elli. Er kann
ruhig damit spielen,
der kleine Mann! —
Na, da! Wie er
gleich lacht, der
Schelm! Der wird
noch genug davon
bekommen im Leben,
dafür stehe ich Dir
gut, Elli!"
Die junge Frau
nickte. Selbstver-
ständlich IWiekönnte
es dem Liebling ihrer
Seele daran fehlen!
„Und jetzt schicke
sogleich zu einem
Kinderarzt. Hörst
Du? Ich muß Ge-
wißheit haben. Der
arme Kerl hat eine
ganz heiße Stirn.


viiotosi-spins-VeNnF von Nnrn?. NanfstLnZI in iVInnelien.
As), meine Keötingsspeise? Nach einem Gemälde von Th. Kleehaas. (S. 335)
 
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