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540

Das Buch f ü r All e.

M 22.

sogenannten Dasselbeulen, die durch die Ei-
ablage verschiedener Biesfliegenarten erzeugt
werden. Die Bies- oder Dasselfliegen schma-
rotzen auf unseren Hausthieren, dein Rind,
dem Schaf, den: Maulesel, sowie auf Edel-
wild, und suchen auch zuweilen den Men-
schen heim. Sie dringen nie in die Wohn-
räume des Menschen ein, sondern benutzen
nur dann die Gelegenheit, sich ihm zu
nähern, und mit ihrer Legeröhre ihre Eier
an seinen: Körper abzusetzen, wenn er, wie
dies ja häufig bei Feldarbeitern der Fall
ist, im Freien: schläft.
Der Verlauf der Krankheitserfcheinungen
ist folgender. Sobald die Larven der hier
in Betracht kommenden Biesfliegenarten aus
den Eiern geschlüpft sind, bohren sie sich
mittelst ihrer Schlundhaken in das Unter-
hautbindegewebe ein oder dringen längs
eines Haarschastes in einen Haarbalg. Da-
durch rufen sie das Gefühl von Jucken an
der betreffenden Körperstelle hervor. Nach-
dem sich nun die Larven gehäutet haben,
beginnen: sie durch ihre Streck- und Ein-
ziehungsbewegungen als fremder Körper
einen entzündlichen Reiz auf das umgebende
Bindegewebe auszuüben, so daß schließlich
ein förmlicher Sack um dieselben entsteht.
Jeder ^uck hat einen Ausführungsgang, der
an der Hautoberfläche mündet. Durch diesen
Ausführungsgang strömt der Larve die zum
Leben nöthige Luft zu, die sie durch Luft-
röhrenöffnungen an: Hinterende ihres Kör-
pers einzieht, andererseits werden durch den-
selben ihre gelblichen Aussonderungen hin-
ausbesördert. Die Larven leben von der
röthlichen, lpmphartigen Flüssigkeit, die von
den Wänden des Sackes abgesondert wird.
Die Geschwulst auf der Haut ist an-
fänglich ganz unbedeutend, aber nut dein
Wachsthum der Larven, von denen immer
eine größere Anzahl nebeneinander lagert,
nimmt auch die Geschwulst an Umfang zu,
so daß sie zuletzt als eine beulenartige Vor-
wölbung erscheint. Mehr als ein halbes
Jahr vergeht, bis die Dafselbeule ihren


Per Afrikareifcrrde Gamerou ch. (S. 539)

größten. Umfang erreicht, dann haben auch
die Larven ihre Reise zur Verpuppung er-
langt und verlassen durch die Ausführungs-
gänge ihre Kapsel, und die Dafselbeule geht
langsau: zurück, bis nur noch ein hartes,
weißes Knötchen von ihr übrig bleibt.
Da die Larven nicht wandern, sondern
an dem ersten Ort ihrer Ansiedelung ver-
harren, außerdem aber die betreffende Kör-
perfülle nicht durch sie verunreinigt rind da-
durch etwa Anlaß zu Füulnißprozesfen ge-
geben wird, so zeigt sich auch keine Allge-
ineinerkrankung des von ihnen bewohnte::
menschlichen Körpers. Gleichwohl find die
Schmerzen, die durch die Larven örtlich er-
zeugt werden, nicht gering.
In: Gegensatz zu den in Europa nur
selten wahrgenommenen Krankheitserschei-
nungen , die durch Biesfliegenlarven ent-
stehen, sind die durch Arten aus einer an-
deren Fliegenfamilie, den Musciden, verur-
sachten Erkrankungen bedeutend zahlreicher,
und die durch sie angerichteten Zerstörungen
viel schlimmer, die Folgezustände viel gefähr-
licher. Es kommen hier die zu den Musciden
zählenden Gattungen der Schmeißfliegen und
Fleischsliegen in Betracht.
Nachrichten von Erkrankungen durch diese
Fliegenarten gehen bis in graue Alterthum
zurück. Bereits Homer erzählt von weißli-
chen Würmern an: Menschen, die sich hin
und her winden und sehr beweglich sind,
womit nur Fliegenmaden gemeint sein kön-
nen. Dasselbe gilt von den meisten Anga-
ben, in denen es heißt, daß die „Menschen
von Würmern aufgefressen wurden." Auch
in neuerer Zeit sind derartige Fülle noch
vorgekommen. So berichtete 182i) Dr. Rollin
der französischen Akademie über das Miß-
geschick eines Bettlers in Lincolnshire. Der-
selbe hatte im Juni bei heißem Wetter im
Freien unter einen: Baun: geschlafen und
seiner Gewohnheit gemäß ein Stück Fleisch,
welches er sich zugeeignet hatte, ohne zu
ahnen, daß es voll von Fliegenmaden war,
an der Brust auf nackter Körperhaut ver-

Ludivig Kaffuth auf dem Slertieöeltc. (S. 539)
 
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