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OIL

Das Vu ch f ü r A l l e.

Helt 2D

Was nun?
Das Ende, ja! Das war ausgemacht. Aber wie?
Wo?
Es hatte zu schneien aufgehört, als er auf die straße
kam, aber es wehte ein kalter Nordostwind. Der Boden
war gefroren und am Himmel zogen vom Winde zer-
rissene graue Wolken dahin, fahl angeleuchtet von dem
dämmernden Wintermorgen. Die Straße war noch leer,
denn es war noch sehr früh, und nm Ende derselben
begegnete ihm ein Bäckerjunge, der frierend lind klap-
pernd in seinem mehlweißcn Gewand und seinen Pan-
toffeln frische Semmeln zu den Kunden trug. An der
Ecke, die nach dem Platz nusmündet, stand ein Schutz-
mann halb schlafend in einer Hausthürnische. Dec
hätte wohl auch lieber in seinem warmen Bett gelegen,
und doch ivar er tausendmal glücklicher, als das arme
verlorene Menschenkind, das dort verzweifelt durch die
windkalten, menschenleeren Straßen eilte, denn alle diese
Leute waren in ihrem Dienst, in ihrer Pflicht, in jenen
weiten ungeheuren Maschen, die das Menschengeschlecht
umschlingt und zusammenhült; nur er, Paul Brennecke,
stand außerhalb, losgelöst, aufgegebcn — weil er sich
selbst ausgab.

Er eilte weiter, seinem Instinkt folgend, aus den
Grenzen der Stadt. Nur nichts mehr sehen, keine
Menschen mehr, keine Lebenden und besonders keine
Todten! So kam er in die Südvorstadt und rannte
dem Walde zu, der sich am Flußufer ausdehnt. Hier
fand er nun allerdings Alles ftumm und still. Kahl
und schwarz starrten die Baumwipfel in den wolken-
grauen Himmel, kein Thier regte sich im Walde, kein
Luftzug bewegte die dürren Zweige — eine entsetzliche
Oede, ein Bild des Todes!
Er schrak zusammen. Durch den öden Wintermorgen
zitterten die Schläge einer Thurmglocke. Es schlug in
der nahen Stadt sechs Uhr, erst hier, dann dort, und
er lauschte, um die Schlüge zu zählen. Sechs. War
das die Stunde? Seine Stunde? Was denn sonst?
"Nur rasch, uur vorwärts. Die Thurmuhr war das
letzte Verhallen, der ^chlußakkord — das Ende vom
Liede seines Lebens, das so schön, so verlockend, so viel-
versprechend und jugendfrisch begonnen hatte, und das
nun in Grauen und Elend, mißtönend, häßlich, grausam
verklang — durch seine schuld. Und diese Schuld mußte
gebüßt werden. Nur rasch, nur vorwärts!
Da stand er am Fluß. Unheimlich, farblos in der
kahlen, todten Winterlandschaft schob er seine Wellen

trüg und langsam dahin. Am Rande waren dünne
Eisansätze. Das Wasser mußte also sehr kalt sein.
Gleichviel, nur vorwärts! Er warf die Mütze in den
Schnee und löste auch das Halstuch. Hoffte er da-
durch eine Spur zu hinterlassen, damit man wisse, wo
er zu finden sei?
Dann ein Sprung von dem hohen Ufer — ein Aus-
klatschen im Wasser, dem ein leises Gurgeln folgte!
"Nun war Alles wieder still wie vorher — aber nur
einen Moment. Ein Arm ruderte sich hastig wieder
hervor aus dem lebensfeindlichen Element, ein pustender,
entsetzlich entstellter Kopf folgte, in dem in Todesangst
und Schrecken die Augen rollten.
„Ach, wie kalt, wie entsetzlich! Nein, nicht den Tod,
den starren, kalten, unerbittlichen!" flehten die Augen.
„Leben, und wenn es das eines Hundes wäre, nur
Leben!"
Mit der Kraft der Verzweiflung rang der Ertrin-
kende mit dem Strom.
Vergeblich! Das Lied ist aus. Die Wellen über-
wältigen den Hnlbohnmächtigen, tragen ihn eine viertel,
eine halbe Minute fort und versenken ihn dann stumm,
lautlos, erbarmungslos in sein nasses Grab.

Die projektirte unterirdische Bahn in Z-Rris: Die Station bei dem Triumphbogen de UEtoike.


Die projektirte unterirdische elektrische Ducht in
Puris.
<^eit dem November 1891 besitzt London eine unterirdische
elektrische Bahn, die erste Linie dieser Art, und zwar von
der City (King William Street) unter der Themse nach South-
wark. Es soll dort jetzt ferner eine Linie von der City nach der
Waterloo Hauptstation (South Western Linie) zur Ausführung
kommen, außerdem aber plant inan auch für Paris die Er-
bauung einet elektrischen Untergrundbahn nach dem Londoner-
Muster, deren Einrichtungen Ne beiden Illustrationen auf
S. 609 und 612 zur Anschauung bringen. Das Projekt ist
von dem Ingenieur Verlier entworfen worden. Die Bahn
soll unterirdisch zwischen dem Wäldchen von Vincennes im
Osten nach dem Boulogner Wäldchen im Westen der Seine-
hauptstadt gehen rind also im Ganzen eine Strecke von elf
Kilometer durchlaufen. Bei der Londoner Bahn liegen die
Geleise in zwei getrennten gußeisernen Röhren, deren eine für
die Hinfahrt, die andere für die Rückfahrt bestimmt ist; beide
sind zumeist neben einander, stets aber die eine höher als die
andere angeordnet, damit die Passagiere in den Stationen
über oder unter den Röhren zu den hydraulischen Auszügen
gelangen können, welche den Verkehr des Publikums mit der
Oberwelt vermitteln In Paris dagegen: plant man nur ein
einziges großes Elsenrohr von 5,80 Meter Durchmesser für
zwei iu entgegengesetzter Richtung laufende Züge. Die Bu-
reaux und die Warteräume für das Publikum liegen gleich-
falls unterirdisch zu beiden Seiten des Bahnsteiges auf den
Stationen, deren 13 in Aussicht genommen sind. Von oben
führen an diesen Stellen Wendeltreppen nach unten, über
deren oberer Oeffnung sich jedesmal ein kleiner Kiosk erhebt.
Die zur Betriebskraft nöthige Elektrizität wird in dem Ma-

schinenhause an einer Endstation erzeugt. Während die Strom-
zuleitung bei Straßenbahnen die Hauptschwierigkeit bildet, be-
findet sie sich bei der Untergrundbahn in vollkommen geschützter
Lage. Zn London ruhen die elektrischen Lokomotiven auf zwei
Achsen, deren jede unabhängig von der anderen durch die Dy-
namomaschine angetrieben wird. Der elektrische Strom wird durch
eine in der Mitte des Geleises liegende Stahlschiene geleitet,
aus welcher drei schwere Kontaktschlitten der Lokomotive gleiten.
Durch die Fahrschienen kehrt der Strom zu seinem Erzeuger,
einer Edison-Hopkinson-Dynamomaschine, zurück. Das gleiche
System wird auch in Paris zur Anwendung gelange!:; auch
die Beleuchtung der Wagen und der Strecke wird natürlich
durch elektrisches Licht erfolgen. Das obenstehende Bild gibt
eine ober- und unterirdische Ansicht von der Station der Unter-
grundbahn bei dem Triumphbogen de l'Etoile zwischen den:
Boulogner Wäldchen und den Champs Elysees. Der Kiosk
über den: oberen Ende der Wendeltreppe erhebt sich ii: der
"Avenue des Champs Elysöes. Die Illustrativ!: auf S. 609
zeigt unten eine wiederum ober- und unterirdische Ansicht der
Station aus der Place du Palais-Royal und oben eine Durch-
schnittsaufnahme der Bahnanlage unter den: Straßenpflaster.
Wir sehen hier die Röhre, in welcher die beiden Züge verkehren,
quer durchschnitten; die beide!: Oeffnungei: rechts und links
davon jedoch haben nichts mit der Untergrundbahn zu thun,
sondern: gehören zur Kanalisation. Was die Kosten betrifft,
so sind diese auf 5,750,000 Franken pro Kilometer berechnet
Jeder Zug kann beliebig aus ein, zwei, drei oder vier Wagen
mit je 52 Plätzen bestehen. Die Schnelligkeit soll ungefähr
20 Kilometer in der Stunde betragen, so daß d:e Gesammt-
dauer der Fahrt in einer Richtung einschließlich des Aufent-
haltes auf dei: Stationei: 37 Minuten betragen würde.

Ljnusmttttcrchtil.
(Siehe dns Bild auf Seite M3 )
/^is gewährt einen liebliche,: Anblick, bei ganz jungen Mäd-
chen schon die zukünftige vorsorgliche und tüchtige Haus-
frau sich regen zu sehen. Diese Art Geschäftigkeit hat etwas
Heiteres und Rührendes zugleich. Der rüstige Ernst ist jetzt
noch halb und halb Spiel, aber den noch kindlichen Wesen
steht diese Hausmütterlichkeit sehr gut. Unser anziehendes
Bild auf S. 613 stellt ein derartiges reizeudes Mädchen dar,
welches mit großen: Eifer den Hausgeschüften sich widmet.
Dorothea ist erst fünfzehn Jahr alt, ihre Erscheinung ist blühend
kindlich, aber über ihr ganzes Wesei: ist etwas Ahnungsvolles
ausgebreitet, das der zukünftigen Jungfrau schon gehört.
Dorothea ist heiter und lustig, mauchmal zu übermüthigem
Scherz aufgelegt, plötzluh weicht dieser jedoch einer nachsinnen-
den Ruhe und dann strahlen die dunkle,: Augen des Mäd-
chens ein ganz eigenthümliches Licht, als ob es fern hinaus-
sähe in eine glückliche, selige Zeit, die bald kommen wird.
Dorothea ist zierlich und gewandt bei ihren HauSgeschäften,
sie greift Alles geschickt an und es ist eine Freude, ihrem
Walten zuzusehen. Ueberlegt und ruhig führt sie aus, was
sie unternimmt, lieblich geht und steht sie, ihr Lache,: und
Träumen zieht in gleicher Weise an. Alles deutet auf die
rüstige, vortreffliche, anmuthige Hausfrau, und wie sie auf
unserem Bilde dastcht, im Begriff, die dampfende Thcekanne
in das Zimmer zu tragen, spricht aus ihr eine so reizende
Hausmütterlichkeit, daß sie wohl den Maler begeistern konnte,
das anmuthige junge Geschöpf in ihrem häuslichen Walten
auch Anderen zur Lust und Freude in einen: Gemälde zu
veranschaulichen.
 
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