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aber zweifellos eine ganz andere Bedeutung: er kennzeichnet die Stätte,
von welcher herab dem Volke die Heiligthümer der Kirche gezeigt, die
Privilegien der Stadt verlesen,1) wichtigere Verordnungen des Käthes be-
kannt gemacht und auch Predigten gehalten wurden ; der Adler auf dem
Thurm mag wohl an die kaisertreue Haltung des Stiftes erinnern, sei es,
dass Ludwig ihn der Kirche verlieh, sei es, dass wahrscheinlicher das Stift
auf diese ostentative Weise seine Gesinnung zur öffentlichen Schau stellte.

Von den sonstigen Schicksalen des Stiftes und der Kirche im XIV. Jahr-
hundert seien zunächst die Neufundierung des Altars und der Vikarie
St. Jakob durch Guda von Sindlingen im Jahre 1327 sowie die Stiftung
eines Altars zu Ehren Gottes und der Heiligen und eines zweiten Altars
zu Ehren der heiligen Anna mit den dazu gehörenden Vikarien durch
Konrad und Kunigunde Kintfleisch im Jahre 1332 erwähnt. In der grossen
Wassersnoth vom 20. bis 22. Juli 1342 wurde die Kirche hart mitgenommen;
das Wasser stieg im Innern, da die Kirche sehr tief lag, bis zum Schwib-
bogen. Im Jahre 1381 erhielt das Stift durch den päpstlichen Legaten
Kardinal Pileus das besondere, in der kirchlichen Anschauung jener Zeit
höchst wichtige Vorrecht, während aller über die Stadt verhängten Inter-
dikte im Chor der Kirche Gottesdienst abzuhalten, .aber nur bei ver-
schlossenen Thüren, ohne Glockengeläute und mit strengem Ausschlüsse
der Gebannten.

Gegen Ende des Jahrhunderts trat auch das Stift mit der übrigen
Weltgeistlichkeit in scharfem Kampfe dem Käthe der Stadt gegenüber,
als dieser die Heranziehung des Clerus zu den städtischen Abgaben und
Steuerlasten erzwingen wollte und endlich auch in dem Vertrage vom
25. August 1407 mit dem Erzbischof von Mainz durchsetzte. In diese
Kämpfe, gegen deren Ende wenigstens der Dechant von St. Leonhard
sich auf die Seite des Käthes stellte, fällt noch ein besonderer Zwist des
Leonhardstiftes mit der Leitung der Stadt. Zu den Vertheidigungsbauten,
welche der Städtekrieg der 80er Jahre veranlasste, gehörte auch ein starker
Festungsthurm vor der Süd westecke der Kirche, dicht an der vor deren
Mainseite herlaufenden Stadtmauer. Das Stift widersetzte sich dem Baue,
da es einen Theil des dazu nöthigen Grundes und Bodens als sein Eigentlium
beanspruchte, woraus zu schliessen ist, dass die Stadt schon früher auf
ihr ursprüngliches, 1219 zweifellos erhaltenes Eigenthumsrecht an dem
Kirchengrundstück verzichtet haben muss. Den Protest des Stiftes liess
aber der Kath ebenso unbeachtet wie den Einspruch des Mainzer Erz-
bischofs und das von diesem anscheinend über die Stadt verhängte Interdikt.
In den Jahren 1388—91 wurde das stattliche Werk vollendet, welches
sich mehr als vier Jahrhunderte als starker Schutz und schöne Zierde der
Stadtmauer erhielt und besonders der Kirche als treffliche Wehr bei
Wassersnoth und Eisgang diente; auch barg der feste Thurm bald nach

x) Zum letzten Male im Jahre 1470.
 
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