Naumburg. Dom. Das Langhaus.
49
die reich und sicher entworfenen und tief ausgeschnittenen Bäumchen, Ranken-
und Blattschlingen der vollendeten Naumburger Ornamentik zeigen, ja die Kehlen
neben den Ecksäulchen mehrfach im An- und Ablauf mit einem aus den Plättchen
oder den Kapitalen losgelösten Blatte gefüllt sind. Derselbe Unterschied wieder-
holt sich an den Eckblättern der kleinen Basen. Unter jenem altertümlichen
Kapitäl finden wir ein gerundetes Klötzchen, auf welchem ein gestieltes Blatt
emporkriecht, daneben innen eine zerstoßene Yogelzehe. Die übrigen bieten die
landläufigen umgerollten Blätter. Erwägt man diese widerspruchsvollen
Erscheinungen, so kann man nur schließen, daß beide Pfeiler mit ihren Bogen-
anfängern und einem Teil der Hochwand aus der älteren Udonischen Flach-
deckbasilika stehen geblieben sind, doch in einem so ruinösen Zustand, der ihre
fast völlige Überarbeitung erforderte. Um das Maß der Bedenken voll zu machen,
tritt nun gleich westlich hinter den Hauptpfeilern des ersten Joches eine Naht
auf, welche vom zweiten Wölbstein der Arkade bis zum Kapitäl der Wand Vorlagen
reicht, zunächst als dünne Lisene abgearbeitet, daneben in den vor- und zurück-
stehenden Quadern einer Mauerzahnung erkennbar (Eig. 25), deren Glättung und
Verwischung beim Weiterbau nicht ganz gelang, da die Hochwände ein Minimum
auseinandergerückt wurden. Bis hierher wurde also der alte Bau abgebrochen
— wenn er nicht etwa gar an dieser Stelle liegen geblieben war — und in einem
ganz anderen System weitergeführt.
Über den beiden ersten Arkadenbögen stehen in der oberen Hälfte, in
demselben flachen Spitzbogen gehalten, vorgekragte Entlastungsbögen heraus,
welche man in der Zeit tastender Versuche gern als eine Art Gegenschub gegen
anfallende Gewölbe — hier der Seitenschiffe — anlegte. Sie finden sich in
derselben Funktion auch über den Vierungsbögen in Pforta und sonst. Daß die
Seitenschiffe des älteren Baues jedenfalls nicht gewölbt waren, ist ziemlich evident,
obwohl auch die Schildrippen den Knick der Bögen mitmachen, denn die
Verlegenheit offenbart sich gerade darin, daß man weder die Grate noch die
Schildrippen recht unterzubringen wußte. Erstere sind hochgestelzt und treten
erst über der Bruchstelle hervor, letztere sind anfänglich nur als schwache Wulste
angeklebt und über den Seitenschifffenstern ganz ohne Not ausgebaucht. In der
ganzen Travee sind an ihnen noch die Ansätze der Scheitelrippen erhalten.
Hiermit mag eine andere auffällige Baunaht in Verbindung stehen, welche
sich an der Mauer des Nordschiffs zeigt. Vom dritten Joch an bis zum Turm
setzt die Mauer genau in Kämpferhöhe bis zu 10 cm zurück. Im Südschiff tritt
der Absatz nur bei der Tür auf. Man hat den Eindruck, als habe durch diese
veränderte Disposition Platz für die Schildrippen geschaffen werden sollen. Man
wolle auch beachten, daß die Seitenschiffmauern so nahe an die schlichten
Rundbogentüren der Türme anstoßen, daß für Eckpfeiler kein Raum blieb. Man
half sich mit Dreiviertelsäulen, von denen die der Südecke sogar erst über der
Tür auf einer Konsole aufsetzt.
Verknüpft man diese Merkmale, erwägt man die schlichte Form der Seiten-
schifffenster, die versuchte Lisenengliederung des Nordschiffs außen, die Rund-
bogentüren der Seitenschiffe und Turmkapellen, welche der spätere Meister nie
anwandte, die Stellung der Türme und die ebenso schlichte Aufmauerung ihrer
beiden ersten Geschosse, so wird man zu einer wichtigen Erkenntnis geführt.
Kreis Naumburg. 4
49
die reich und sicher entworfenen und tief ausgeschnittenen Bäumchen, Ranken-
und Blattschlingen der vollendeten Naumburger Ornamentik zeigen, ja die Kehlen
neben den Ecksäulchen mehrfach im An- und Ablauf mit einem aus den Plättchen
oder den Kapitalen losgelösten Blatte gefüllt sind. Derselbe Unterschied wieder-
holt sich an den Eckblättern der kleinen Basen. Unter jenem altertümlichen
Kapitäl finden wir ein gerundetes Klötzchen, auf welchem ein gestieltes Blatt
emporkriecht, daneben innen eine zerstoßene Yogelzehe. Die übrigen bieten die
landläufigen umgerollten Blätter. Erwägt man diese widerspruchsvollen
Erscheinungen, so kann man nur schließen, daß beide Pfeiler mit ihren Bogen-
anfängern und einem Teil der Hochwand aus der älteren Udonischen Flach-
deckbasilika stehen geblieben sind, doch in einem so ruinösen Zustand, der ihre
fast völlige Überarbeitung erforderte. Um das Maß der Bedenken voll zu machen,
tritt nun gleich westlich hinter den Hauptpfeilern des ersten Joches eine Naht
auf, welche vom zweiten Wölbstein der Arkade bis zum Kapitäl der Wand Vorlagen
reicht, zunächst als dünne Lisene abgearbeitet, daneben in den vor- und zurück-
stehenden Quadern einer Mauerzahnung erkennbar (Eig. 25), deren Glättung und
Verwischung beim Weiterbau nicht ganz gelang, da die Hochwände ein Minimum
auseinandergerückt wurden. Bis hierher wurde also der alte Bau abgebrochen
— wenn er nicht etwa gar an dieser Stelle liegen geblieben war — und in einem
ganz anderen System weitergeführt.
Über den beiden ersten Arkadenbögen stehen in der oberen Hälfte, in
demselben flachen Spitzbogen gehalten, vorgekragte Entlastungsbögen heraus,
welche man in der Zeit tastender Versuche gern als eine Art Gegenschub gegen
anfallende Gewölbe — hier der Seitenschiffe — anlegte. Sie finden sich in
derselben Funktion auch über den Vierungsbögen in Pforta und sonst. Daß die
Seitenschiffe des älteren Baues jedenfalls nicht gewölbt waren, ist ziemlich evident,
obwohl auch die Schildrippen den Knick der Bögen mitmachen, denn die
Verlegenheit offenbart sich gerade darin, daß man weder die Grate noch die
Schildrippen recht unterzubringen wußte. Erstere sind hochgestelzt und treten
erst über der Bruchstelle hervor, letztere sind anfänglich nur als schwache Wulste
angeklebt und über den Seitenschifffenstern ganz ohne Not ausgebaucht. In der
ganzen Travee sind an ihnen noch die Ansätze der Scheitelrippen erhalten.
Hiermit mag eine andere auffällige Baunaht in Verbindung stehen, welche
sich an der Mauer des Nordschiffs zeigt. Vom dritten Joch an bis zum Turm
setzt die Mauer genau in Kämpferhöhe bis zu 10 cm zurück. Im Südschiff tritt
der Absatz nur bei der Tür auf. Man hat den Eindruck, als habe durch diese
veränderte Disposition Platz für die Schildrippen geschaffen werden sollen. Man
wolle auch beachten, daß die Seitenschiffmauern so nahe an die schlichten
Rundbogentüren der Türme anstoßen, daß für Eckpfeiler kein Raum blieb. Man
half sich mit Dreiviertelsäulen, von denen die der Südecke sogar erst über der
Tür auf einer Konsole aufsetzt.
Verknüpft man diese Merkmale, erwägt man die schlichte Form der Seiten-
schifffenster, die versuchte Lisenengliederung des Nordschiffs außen, die Rund-
bogentüren der Seitenschiffe und Turmkapellen, welche der spätere Meister nie
anwandte, die Stellung der Türme und die ebenso schlichte Aufmauerung ihrer
beiden ersten Geschosse, so wird man zu einer wichtigen Erkenntnis geführt.
Kreis Naumburg. 4