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Bergner, Heinrich [Editor]
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 24): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Naumburg — Halle a. d. S., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.25507#0119
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Kreis Naumburg.

Wangen sind namentlich bei den Frauen auffallend flach, die Lippen schmal
und schwunglos, die Unterlippe stets hervorgezogen. Gerade hierin weicht der
Künstler am stärksten von dem Schönheitskanon der welschen Kunst mit den
gekräuselten, vollen, halbgeöffneten Lippen ab. Das Kinn ist stark, trapezförmig,
der Hals robust. Höchst bezeichnend sind wieder die Haare. Die der Frauen
sind glatt und hängen in dicken, geflochtenen Zöpfen auf den Kücken, die der
Männer in Strähnen teils gewellt, teils geringelt und ausgebohrt. Über der
Stirn fallen meist drei oder vier Strähnen übereinander, die einzeln gerade ab-
geschnitten sind. (Fig. 66 u. 67.) Die französische abstehende Perücke kommt
nur einmal und in freier Umbildung beim Sizzo (Fig. 66) vor.

Fig. 66. Sizzo.

Fig. 67. Thimo.

Mit unerreichter Meisterschaft bildet dieser Mann die Hände. Er weiß
nicht bloß, daß Hand und Finger fünf Gelenke haben: Er benutzt sie auch, um
jede Hand beweglich zu machen. Selbst in den ruhenden wird man immer den
leisen Schwung der Linie entdecken, der von einem Gelenk zum anderen gleitet.
In den bewegten und angestrengten tritt das Spiel von Muskeln und Sehnen um
so deutlicher hervor. Man vergleiche die sorgfältige Naturbeobachtung in den
Händen des Diakons mit irgend einem der besten Grabdenkmäler! Ganz merk-
würdig sind hierbei die feinen, mageren Hände mit langen, dünnen Fingern bei
den Männern. Man denkt sogleich an Schreiber und Gelehrte, nicht an die
Faust, die den Degen führt. Und doch, welch zähe Kraft weiß der Künstler
 
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