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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1893

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Heft 1/2
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Riehl, Berthold: Studien über Barock und Rokoko in Oberbayern, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7908#0006

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Die ersten Ansätze kunstgeschichtlicher Untersuchung über
Barock und Rokoko gingen von den großen, allbekannten
Werken des Stils aus, welche die Physiognomie unserer
Residenzstädte sowohl der weltlichen wie der geistlichen meist
so bedeutsam umgestalteten, zahlreichen derselben ihr heutiges
Gepräge verliehen. Daneben faßte man dann vorzüglich
die Lustschlösser ins Auge, jene anmuthsvollen Schöpfungen
des Rokoko, die zuerst wieder den Blick für die Reize des
Stils geöffnet hatten. (Es war dieser U)eg auch der einzig
richtige, denn diese leicht zugänglichen Werke ermöglichten
es, verhältnißmäßig rasch eine allgemeine Uebersicht über
die Kunstthätigkeit Deutschlands in jener Periode zu ge
winnen und lehrte uns die Pauptmittelpunkte inr künstler-
ischen Leben derselben kennen.

Stnkkaturc» in der Vierung der Kirche
zu Tegernsee; um ;SY0.*)

Auch in Oberbayern schritt die Erforschung der Kunst-
werke der Städte und die Betrachtung der Lustschlösser des
\7. und J8. Jahrhunderts rasch vorwärts, auf dem Lande
dagegen, wo sich namentlich in den großen Klosterbauten
vielfach Werke ersten Ranges der Stile finden, hat inan bei
uns, wie auch anderwärts, wenn man die Kunst des j7. *)

*) Den zu diesem Aufsatze gehörigen Abbildungen liegen theils
zeichnerische, theils photographische Aufnahmen zn Grunde; letztere
wurden von I. B. Gbcructter (St. Nikolaus auf S. 7 und die Mon-
stranzen auf S. 8) und von Archit. G. v. Bezold (Altäre von Möschen-
feld und lvettclkamm, 5. 5 und L, St. Georg in Auerberg, S. 6)
gefertigt. — Soweit die photographischen Aufnahmen für die „Kunst-
denkmale Bayerns" (Verlag von Jos. Albert, München) bestimmt sind
(diejenigen zu den Abbildungen ans den Seiten 6 und 8), hat die Firma
Jos. Albert freundlichst die Benutzung dieser Aufnahmen gestattet. —
Die Driginalzeichnungcn zn den Llichös auf S. 2, (o und ; ; sind von
£. Gmelin, zu jenen auf S. 5, 5 und 9 von (£. F. kveyfser gefertigt.

uitd \8. Jahrhunderts studiert, auch heute »och den Eindruck,
daß man sich mit den Werken einer Zeit beschäftigt, die
lange vergessen war, und auch heute noch nicht nach Ver
dienst gewürdigt wird.

Das Studium dieser Kunstwerke aus dem Lande aber,
bei dem wir natürlich das Kunstleben m der Pauptstadt,
das ihm die Impulse gab, stets scharf ins Auge fassen
nrüssen, ist schon dadurch von größter Wichtigkeit, weil wir
nur hier erkennen können, wie Barock und Rokoko wirklich
volksthümlich in Bayern waren. In München arbeiteten
vielfach fremde Meister, theils weil ihre Berufung zur
Förderung der Kunst unleugbar nöthig, theils aber auch nur
weil es Mode war, weil es für vornehmer galt, Ausländer
arbeiten zu lassen; auf dem Lande dagegen treffen wir und
zwar bei Bauten, die oft von nicht geringerem Werthe als
die der Residenz sind, fast ausschließlich" einheimische Künstler.
Pier können wir daher vor allein den eigenartig lokalen
Eharakter dieser Kunst studieren und erkennen, wie sich unter
der Anregung fremder Kunst, welche die große Stadt ver
mittelt, wie dies ja ebenso in der Zeit des ronianischen
und gothischen Stils, wie in der Re-
naissance der Fall war, eine selbst-
ständige Entwicklung vollzieht; wie
aus der Renaissance die Kunst des
Barock, aus dieser die des Rokoko or
ganisch hervorwächst, weßhalb auch
die moderne Kunst bei der Imitation
dieser Stilarten ganz denselben Gang
durchmachen mußte.

Speziell in Oberbayern sind Barock
und Rokoko so volksthümlich wie die
Kunst irgend einer früheren Periode,
ja sie sind es sogar in noch höherem
Grade wegen des jetzt größeren, nament-
lich aber allgemeineren Bedürfnisses
nach künstlerischem Schmuck, das sich
bei uns sogar bei den Bauern und
zwar besonders erfreulich inr Gebirg und im angrenzenden
Vorland zeigt, wo die Leute ja thcilweise bis zum heutigen
Tage iroch die alten, ihnen liebgewordenen Formen des
Rokoko bei dem Schmuck des pauses festhalten.

Wegen dieser echt volksthümlichen Auftiahme von Barock
und Rokoko in Bayern kann nur der die reichen Kunstschätze
des Landes ganz genießen, der auch diesen Perioden gerecht
wird, kann nur mit der vollen Würdigung derselben die
Stellung des Landes in der Kunstgeschichte richtig gewerthet
werden, um so mehr als das rege Kunstleben, das sich da
mals m Bayern entfaltete, auch bedeutende Einflüsse nach
auswärts übte.

Der Mittelpunkt des oberbayerischen Kunstlebens ist für
die Periode von Barock und Rokoko entschieden München,
das feit den: Schluffe des f5. Jahrhunderts — mit dem
Bau und der Ausstattung der Frauenkirche den Vorrang
unter den bayerischen Kunststädten errungen, dessen künstlet
isches Leben sich im Laufe des (6. Jahrhunderts bedeutend
gesteigert, so daß am Schluß desselben hier in der Michaels-
kirche ein Bau ersten Ranges entstehen konnte. Für den
westlichen Theil Oberbayerns war Augsburg, zu dessen
Bisthun: die Gegend bis zum Westufer des Starnbergersees
gehörte, von Bedeutung und scheint hier namentlich durch

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