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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1893

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Heft 1/2
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Riehl, Berthold: Studien über Barock und Rokoko in Oberbayern, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7908#0009

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Die großen mittelalterlichen Dirchen wurden in Schiffe
gethcilt, jetzt dagegen will man, wofür gerade die Michaels-
kirchc das schlagendste Beispiel, vor allein durch die Einheit
des mächtigen Raumes wirken. Die süddeutsche Dunst über-
haupt, ganz speziell aber die bayerische, hatte schon im
Mittelalter besonders in der Spätgothik, zwar nicht hu
Einzelnen angeregt, aber doch in Fühlung init der italien-
ischen Dunst, besonders in ihren Hallenkirchen wie den
Frauenkirchen zu München und Ingolstadt nach großen,
weiten, wirkungsvollen Räumlichkeiten gestrebt und auch
einschiffige Dirchen von überraschender Größe finden sich
hier, zumal Wallfahrtskirchen, wie Weng und St. Alban
(Bezirksamt Freising) und Aufkirchen am Starnbergersee.
Mit der Michaelskirche aber erlangt die einschiffige Anlage
eine ganz andere Bedeutung und wird das Normale, wie
schon die Pfarrkirche zu Weilheim ((62^—(65(), die Dirche
zu Möschenfeld, oder das Schiff derjenigen von Beuerberg
zeigen, und auch in der zweiten pälfte des Jahrhunderts
besteht diese Anlage als die für die Zeit eigentlich charak-
teristische noch fort und greift sehr häufig auch in das
(8. Jahrhundert über. Dommen Seitenschiffe vor, wie
Ende des (7. Jahrhunderts in der Theatinerkirche und
davon abhängig in der Dirche zu Tegernsee, so ist ihre
Bedeutung für den Gesammteindruck eine sehr geringe, sie
erscheinen fast mehr als eine Verbindung der Dapellen, die !
ja auch bei St. Michael das Langhaus zu beiden Seiten
begleiten. Hallenkirchen finden sich allerdings auch noch in
der folgenden Zeit, aber sie sind entweder wie bei der Pfarr-
kirche zu Wolfratshausen ((6(9—(65() ein Zeichen, daß
der Dreister sich von den alten Traditionen noch nicht ganz
loszureißen vermag, oder — und das ist die Regel — sie sind
nur Umbauten älterer Dirchen, deren Anlage beibehalten
wurde, wie beispielsweise bei der Dlosterkirche in Andechs.

Entsprechend der Anlage zeigt seit der Michaelskirche
auch die gefammte Durchführung das Streben nach ein-
heitlicher Wirkung. Das Detail der Michaelskirche ist schon
durchweg mit denr Blick auf das Ganze komponirt; es hat
nicht mehr jenes Streben mit feinen und zierlichen Formen,
zu spielen, die nur eingehende Detailbetrachtung würdigen
kann, es ist hier ebensowenig inehr vorhanden wie jene
naive Verbindung von Gothik und Renaissance im Orna-
ment, die für die deutsche Dunst des (6. Jahrhunderts sonst
so charakteristisch. Gleichwohl läßt gerade die Michaels
kirche als ein Werk am Anfang der Epoche weit mehr
Sinn für feines Detail erkennen als die Bauten des (7.
Jahrhunderts, die in stetiger Entwicklung nach immer
kräftigeren Formen streben, nur eine nröglichst schlagende,
prunkvolle Wirkung zu erzielen. Ein Vergleich der Michaels-
kirche, oder, wenn wir das Beispiel aus der ersten pälfte des
(7. Jahrhunderts nehmen wollen, der Dirche zu Möschenfeld
(Abb. S. Z) mit der Theatinerkirche oder nrit den Dirchen
zu Benediktbeuern und Tegernsee (Abb. S. 2) zeigt dies auf
das Deutlichste. In der Michaelskirche tragen stäche Pi
laster, über denen eine zweite pilasterreihe angeordnet
ilt, die Gewölbegurte, die Bauten vonr Ende des (7. Jahr-
hunderts dagegen lassen die mächtigen Pfeiler oder, wirkungs-
* °^er tt>'c in der Theatinerkirche, palbsäulen vom Boden bis
zum Gewölbansatz durchgreifen und im ^verschiff der Thea-
wei nche werden die kräftigen Säulen auch noch mit schweren
un andn, umwunden. Die Stukkaturen der Decke sind in

der Michaelskirche und in Möschenfeld einfache, fein aus
geführte Daffettirungen; nur an einigen Stellen wie bei den
Engelsköpfen im Thor, bei denr schönen Engelreigen über
der Vierung greift man zu figürlichem Schinuck, aber alles
in einem verhältnißmäßig flachen Relief, in scharfcin Gegen-
satz zu den wuchtigen, mit größter technischer Bravour aus-
geführten Stukkdekorationen vom Ende des (7. Jahrhunderts.
Mit ihren schweren Festons, den fast frei gearbeiteten Engeln
und Putten und mit den Deckengemälden, wie sie in Bene-
diktbeuern ((685) und in Tegernsee ((690) auftreten, ge-
winnen diese Spätbauten eine entschieden mehr malerische,
weit schlagendere j Wirkung (Abbildung 5. (.). Gerade
durch das Streben nach diesem Effekt kam man aber leicht
zu schwerfälligen Details, zu allzu dekorativer, flüchtiger
Behandlung des Einzelnen. Entschieden muß dieser Vor-
wurf z. B. gegen G. Asains Malereien an der Decke zu
Benediktbeuern ebenso wie gegen die meisten seiner Decken
gemälde in Tegernsee erhoben werden; das Schwere, allzu
Massige der Dekoration aber madit sich natürlich am un
angenehmsten bei niedri-
gen Räumen wie bei der
Dirche in Benediktbeuern
geltend. Ls ist daher be-
greiflich, daß sich trotz der
entschieden imposanten
Wirkung dieser Dekora
tion, bald, nämlich schon
im Ende des (7. Jahr-
hunderts, eine Reaktion
gegen dieselbe geltend
macht, die nach feinerem,
leichterem Detail strebt,
was sich besonders in
den Stukkaturen deutlich
verfolgen läßt.

Die Stukkatur, welche
für die dekorative Plastik
des (7. und (8. Jahr-
hunderts eine ganz her-
vorragende Bedeutung besitzt, empfing in Bayern die wesent
lichsten Anregungen aus Italien. In der Theatinerkirche spricht
sich denn auch der Einfluß italienischer Dunst, der bis gegen
etwa (725 maßgebend auf die Entwicklung der bayerischen
Dunst wirkte, keineswegs blos im Tharaker des Ganzen
aus, was die Bauleitung durch Barelli und Zuccali moti
virt, sondern vor allem auch in den Stukkaturen, die ganz
entschieden italienischen Tharakter zeigen. Es kann gewiß
nicht befremden, daß der bayerische Pos damals neben
Architekten und Malern auch Stukkatore aus Italien kommen
ließ und in einer Dirche beschäftigte, für die damals die
Thätigkcit von etwa zwanzig italienischen Dünstlern als
Architekten, Maler rc. heute noch nachweisbar ist,*) für
die man sogar das Pochaltarbild in Venedig (Zanchi)
malen ließ, trotz der portraits der fürstlichen Familie auf
demselben und obgleich man danials auch tüchtige einheim-
ische Kräfte besaß, denn für He Dirche malten auch Loth
und Sandrart, während die Münchner: Balthasar Ableitner
die Dolossalfiguren der vier Evangelisten für den Pochaltar
und Faistenberger die Danzel schnitzten.

*) Merkwürdigkeiten der TKeatinerkirche. München i?8q.

Hochaltar aus wettelkamm v. S. \682.
 
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