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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1893

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Heft 1/2
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Haushofer, Max: Ueber Trophäen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7908#0018

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Einzelnheit der Ausrüstung aus praktischen Gründen an
künstlerischer Schönheit verlieren. So schmerzlich das für
unser künstlerisches Empfinden auch sein mag, kann doch
die Aunst keinen Anspruch daraus nrachen, hieran etwas
ändern zu wollen.

Wie hat sich nun aber die Aunst und das Aunstgewerbe
dieser Thatsache gegenüber zu verhalten, wenn es gilt, irgend
einen Raum oder Gegenstand zu schmücken, der dem Waffen-
wesen der Gegenwart angehört, und wenn die moderne
Waffe und Ausrüstung doch so unkünstlerisch ist?

Wir haben zwei Wege, aus dieser Schwierigkeit heraus
zu kommen.

Geschnitzte gottzische Füllung

aus der Schloßkapelle von Blutenburg (bei München), jetzt int Nationalmuseum.
Zeichnung von B. wenig.

Der eine Weg führt dahin, daß wir die heutige Bewaff-
nung und Ausrüstung nur als die jüngste Erscheinung einer
langen geschichtlichen Entwickelungsreihe betrachten, und daß
wir uns demnach nicht scheuen, dort, wo zu decorativen
Zwecken Waffen an: Platze scheinen, mit voller künstlerischer
Freiheit Waffen aus allen Jahrhunderten der Geschichte zu-
sammenzustellen. Wie der Gegensatz zwischen germanischem
und romanischem Volksthume, der uns heute in Waffen
starren läßt, bis in die Tage der Tirnbern und Teutonen
zurückreicht: so ist das heutige Belagerungsgeschütz mit seinem
verderbenspeienden Gußstahlrohr nur ein vervollkommneter
Urenkel der römischen und hellenischen Aatapulte, das mo-
derne Magazingewehr ein ferner Abkömmling jener Stein-
schleudern, die wir auf den Trümmern der pergamenischen
Tempelhalle abgebildet finden. Diesen historischen Zu-
sammenhang im Auge behaltend, kann der Aünstler der

Gegenwart überall, wo es sich nur um decorative Zwecke
handelt, wo nicht ein bestinnnter geschichtlicher Zeitpunkt
ausschließlich hervorgehoben werden soll, von der ganzen
Geschichte des Waffenwesens Gebrauch machen.

Wir müssen aber hier die wirkliche Trophäe von der
blos bildlich, durch Sculptur oder Malerei dargestellten,
unterscheiden. Für Trophäen, die aus wirklichen Waffen
zusanrmengestellt sind, haben wir nur Waffen der Gegen
wart und des Mittelalters zur Verfügung. Denn die Waffen
des klassischen Alterthumes sind fo selten, daß sie sich nur
in einzelnen meist sehr defekten und kostbaren Stücken in
Alterthumssammlungen vorfinden. An mittelalterlichen und
an Waffen der Renaissance ist aber glücklicherweise ein so
großer Schatz erhalten geblieben, daß man um Trophäen
aus denselben nicht in Verlegenheit zu sein braucht. Dabei
hat die vollständige Eisenrüstung, aus der Blüthezeit bis zum
Verfall des Ritterthums, eine ganz eigenthüniliche künstler-
ische Wirkung. Eine solche Eisenrüstung ruft nämlich, bei ge-
schlossenem Visir und verständnißvollem Aufbau des Ganzen,
den Eindruck hervor, daß eine wirkliche Menschengestalt
dahinter stecke. Diese Vorstellung und dabei die Bewegungs-
losigkeit der Erscheinung wird immer eine viel größere
Wirkung Hervorbringen, als alle aus einzelnen Waffen
stücken symmetrisch zusammengestellte Trophäen. Denn die
menschliche Figur ist und bleibt dasjenige, was in allem
Ornament die höchste Entwickelung darstellt. And wenn wir
auch in der Rüstung nur die metallne Schale der mensch-
lichen Figur erkennen, so wirkt doch eine solche Schale,
eben weil sie sich an die Formen der Menschengestalt an
schließt, seltsam und frappirend. Es ist etwas düsteres, ge-
spenstiges in dieser Wirkung; die Menschenschale ohne Aern
ist ein Gegenstück zu einem Menschenskelet ohne Fleisch.

Aünstlerisch wirken die mittelalterlichen Waffenstücke
stets bedeutender, als die modernen. And das ist ein aus-
reichender Grund, sie mit Vorliebe bei der Zusammenstellung
von Trophäen aus wirklichen Waffen zu wählen. Selbst
eine aus Waffen aller Jahrhunderte bunt zusammengestellte
Trophäe ist immer gerechtfertigter, als jener öde Zierrat,
der sich aus modernen Waffen zusammenstellen läßt.

Wo dagegen die Trophäe nicht aus wirklichen Waffen
besteht, sondern als Ornament durch Sculptur oder Malerei
dargcstellt wird, können antike, mittelalterliche und moderne
Waffen Verwendung finden. Nur bedürfen die letzteren uni
so mehr der Stilisirung, je steifer und maschinenmäßiger
sie aussehen. Zn manchen Fällen wird das einzelne Stück
an künstlerischem Werthe gewinnen, wenn man ihm die
Spuren kriegerischen Gebrauchs ansieht. Zn der Trophäe
wirkt eine zerbrochene Aanone bedeutender, als eine unver
sehrte — wenn sie gleich nicht mehr schießen kann.

Der französische Architekt Bouchot hat am neuen pariser
Ariegsministerium Trophäen in Bildhauerarbeit angebracht,
welche trotz ihrer Einfachheit sehr wirkungsvoll sind. An
eine Säule gelehnt ein griechischer oder römischer Lederpanzer,
von einem kselme gekrönt, hinter und neben ihm ein zer-
brochener Sturmbock, Fahnen, pfeilkächer, ein Geschützrohr
und dergleichen; Alles breit und wuchtig. Andere Trophäen
von demselben Aünstler und an derselben Stelle sind aus
modernen Waffen zusammengestellt. Aber wie sind diese
Waffen behandelt! Mit welchem Stilgefühl ist hier die Fahne
und der Tornister, das moderne Gewehr und die Satteltasche,
 
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