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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1893

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Heft 3/4
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Riehl, Berthold: Studien über Barock und Rokoko in Oberbayern, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7908#0029

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aus Eichenholz geschnitzten Bänke, mit ihren sehr charakter-
istischen Seitcntheilcn (Abbildung S. (0). Die stilvolle,
echt künstlerische Behandlung auch des scheinbar Nebensäch-
lichen ist überhaupt ein sehr erfreulicher <y>ug des Rokoko,
wie prächtig sind z. B. häufig die schmiedeisernen Gitter
gearbeitet, die das Schiff von der Vorhalle trennen; be-
sonders reich ist das von einem Schlosser in Bruck gefertigte
Gitter in Fürstenfeld; ein hübsches Beispiel des geschmack-
vollen, feinen Formenspiels, das sich hier entfaltet, bietet
ein kleines Gitter in Dietramszell (Abbildung S. ((), das
rechts vom Eingänge der Kirche in einen Garten führt.

Die reiche Dekoration der zweiten pälfte des (8. Jahr-
hunderts entfaltet sich bekanntlich besonders glänzend in der
Klosterkirche zu Ettal, deren Umbau nach dem Brande von
(7^ erfolgte. Die Ausstattung des großartigen Baues,
dessen Stukkaturen Schmutzer und Uebelher aus Wessobrunn
und Franz Schäfler aus München besorgten, zog sich jedoch
ziemlich lange hin, so daß die Kirche weniger geeignet ist,
einen bestimmten Punkt der Stilentwicklung des Rokoko zu
illustriren, denn die Deckengemälde des Schiffes wurden durch
Jakob Zeiller, der auch die Anastasiakapelle in Benedikt-
beuern ausmalte und dessen großes Hauptwerk die Fresken
in Gttobeuren find, (752 gemalt, während Knoller die
prächtigen Deckenfresken in: Lhor 1(769, das Pochaltarbild
erst (786 vollendete, und erst (790 lieferte Roman Anton
Boos die vier vergoldeten polzreliefs der Passion für den
Ehor, die großartig disponirte Facade aber gelangte be-
kanntlich überhaupt nicht zur Ausführung.

Ein vollkommen einheitlicher Bau, so recht ein
Kunstwerk aus einen: Gusse, ist dagegen die Klosterkirche
von Rott am Inn, die dadurch ein treffliches Beispiel für
die Kunst der zweiten (Hälfte des (8. Jahrhunderts bietet.
Die schön gelegene Kirche zu Rott, entschieden eines der ge-
lungensten Werke der Münchner Schule, geradezu eine perle
echter Rokokokunst, wurde (758—(763, und zwar, wie schon
erwähnt, unter Leitung des Münchner Baumeisters Ioh.
Mich. Fischer ausgeführt, die brillanten Fresken wurden von
Matthäus Günther gemalt-und (763 vollendet.

Matthäus Günther, einer der bedeutendsten Rokoko-
inaler, ging aus der Asam'fchen Schule hervor; das früheste
mir bekannte Werk des Künstlers sind die Fresken der
Klosterkirche von Neustift bei Brixen, die (736 vollendet,
etwas ungleich in der Ausführung, stellenweise einen ent-
schiedenen Einfluß Tiepolos erkennen lassen. Die ganze
Dekoration der Kirche zu Neustift, die mehrfach auf italien-
ische Einflüsse hinweist, zeigt übrigens, von den mir be-
kannten Werken Günthers, entschieden die nächste Verwandt-
schaft mit der Asam'fchen Kunst. (737 malte Günther das
gute Deckenbild in der Mariahilfkirche in Tölz, von den
zahlreichen weiteren, meist sehr tüchtigen Fresken des Meisters
nenne ich nur kurz, mit sein reiches Schaffen anzudeuten,
die Deckengentälde von Rottenbuch ((7<(2), der Pfarrkirche
ju Schongau (Thor (7^8, Schiff (76 (), der Klosterkirche
5U Indersdorf ((755) und die der Stiftskirche zu Willen bei
Innsbruck ((76^), welche den im vorausgehenden Jahre
beendeten in Rott würdig zur Seite stehen.

Nicht minder als jener begabte Frcskoinaler verdient
fein tüchtiger Namensvetter Ignaz Günther, aus Kelheim
gebürtig, und ein Schüler des schätzenswerthen Münchner
Pofbildhaucrs Straub, als Verfertiger der Statuen und Ver-

zierungen der Altäre zu Rott der Vergessenheit entrissen zu
werden. Als echter Rokokokünstler war Günther in erster
Linie auf dem Gebiete der dekorativen Plastik thätig, wie
denn von seiner pand die schönen, bei der Restauration
glücklicher Weise verschonten Thüren der Münchner Frauen
kirche herrühren, die besonders in den karyatidenartig an-
geordneten Engeln eine äußerst schwungvolle Behandlung
zeigen; auch an den Altären zu Neustist bei Freising und
zu Rott rühren „die Verzierungen" von Günther her. Wie
die Malerei des (7. und (8. Jahrhunderts, so war in Folge
des ausschließlich auf die Gesainmtwirkung gerichteten Strebens
auch die Plastik immer ntehr in die dekorative Richtung ge-
trieben worden, in ihr leistete sie in der Regel auch ihr
Bestes und die ineisten selbst der tüchtigsten Bildhauer gingen,

Pieta aus Weyarn; zweite Hälfte des ;8. Jahrhunderts.

wie z. B. Egidius Asam, ganz in ihr auf. Auch Günthers
Statuen sind unter diesen Gesichtspunkten gearbeitet, aber
seine besten Werke, wie der Pochaltar in Starnberg und
vor allein die Statuen auf den Altären zu Rott, sind so
feine und vollendete Kunstwerke, daß sie entschieden auch
eine höhere, selbständigere Bedeutung besitzen. Weit mehr
als bei den doch gewöhnlich recht leeren, oft auch roh
dekorativen Statuen mythologischer und allegorischer Figuren
in den fürstlichen Schlössern und Gärten lernt man hier
die Rokokoplastik schätzen, wo sie sich mit bedeutenden
Problemen beschäftigt und auf einem gesunden, volks-
thümlichen Boden steht. Was man seit Jahrhunderten
gelernt, wird hier ebenso wie die eigenartigen Vorzüge des
Stils verwerthet, und so zeigen diese Figuren bei virtuoser
Technik eine so feine Durchführung, eine folche Anmuth
und Eleganz, dabei so treffliches Naturstudium, daß sie

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Zeitschrift des I'-iyer. Aunftgewerbe-Vereins Münckcn.

;8Y3. hef, 2 & 4- (Bg> 2.)
 
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