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Der wackere Sighart findet demgemäß an unserm Denk-
mal wenig Gutes und sehr viel Schlechtes; er trennt die
Arbeit Krumper's von der Schöpfung Eandids, er läßt der
technischen Fertigkeit des Ersteren Gerechtigkeit widerfahren,
während er die Gesammtidee und die einzelnen Gestalten
verurtheilt. „Ls ist ein schwerfälliger, plumper, im römischen
Renaissancestil aufgesührter Bau, der die gothische Kirche
in hohem Maße verunstaltet, ohne alle originelle Idee, ja
selbst ohne alle Spur eines christlichen Gepräges." Gin
Gräuel sind ihm die nur halb bekleideten Engel und Genien,
Teufelswerk und Teufelsweide. Wider romantische Gewohn-
heit nimmt er auch an den Gerippen und Larven an den
Seitenwänden Anstoß. Wenn er sie unschön findet, können
wir ihm zustimmen; daß er sie aber auch unchristlich erklärt,
dünkt uns feltsanr. Nach seiner Meinung hätte erst die
Renaissance das Gerippe aufgebracht. Lessing hat aber
in seiner Abhandlung: Wie die Alten den Tod gebildet,
dargethan, daß antike Kunstwerke Skelette, doch diese Skelette
nicht den Tod vorgestellt haben. Jakob Burckhardt sagt:
„Bernini bringt, wenn ich nicht irre, zuin erstenmal seit
dem Mittelalter die scheußliche Allegorie des Todes in
Gestalt eines Skelettes vor." Auch wir loben diese Phan-
tasie Peter Tandids nicht, doch eben die Anbringung der
Todtengerippe ist ein Griff in die Vergangenheit, keine
Geburt der Renaissance, sondern der Zeiten, die grade
der Romantik so theuer waren.
Noch unfreundlicher äußert sich der Geschichtschreiber
der Frauenkirche, Anton Mayer; auch er läßt nur die
Technik gelten, spricht dagegen dem künstlerischen Grund-
gedanken alles Gottvertrauen und denr Ausbau alle Kühn-
heit ab; auch er findet die Engelgestalten „unsittlich." „Jeden-
falls", schreibt er, „würde der edle Kaiser Ludwig, hätte er
nochmal aus seiner Gräbniß hervortreten können, sehr
wenig über ein Monument zufrieden gewesen sein, auf dem
nirgends das cheilszeichen des Kreuzes zu finden ist und
wodurch sein Bildniß auf denr Steine, das ihn lebend dar-
stellt, einer in hohenr Sarge liegenden Leiche, überall von
Verwesungszeichen umgeben, gleich gemacht ward."
Das redliche Forscherverdienst Anton Mayer's in Ehren,
aber es berührt nicht erfreulich, wenn inan den Kleinstädter
nrit der Miene des Olympiers als Kunstrichter urtheileir hört.
And kleinstädtisch erscheinen mir alle jene, die nur ihren
Geschmack für das allein giltige und ewige Gesetz und die
ihren: Geschmack entsprechenden Kunstwerke für allein be-
rechtigt halten. Glücklicher Weise steht die Kunst so wenig
still wie die Zeit; glücklicher Weise waren jene Donnerer
auf die Entwicklung der Kunst niemals, auf die Künstler
wenigstens nicht dauernd von Einfluß. Freilich ist den:
einseitigen Eifer manches edle Werk zum Opfer gefallen.
von unparteiischer, sachlicher Würdigung des Kunst-
werks zeugt das Artheil Ernst Förster's in seinen Denk-
mälern der bildenden Kunst. Er entreißt nicht Eandid den
Lorbeer, un: Steinineißel zu bekränzen; er erwägt die Be-
dingungen und Verhältnisse, denen der eine und der andere
bewußt oder unbewußt Rechnung tragen nnißte, er sieht
das verdienst Beider und zollt diesen Verdiensten warme
Anerkennung. Erscheint ihn: das ältere Denkmal voll Adel
und Ausdruck, kräftig in Anlage und Bewegung, so rühint
er an den: jüngeren den klaren Sinn für architektonische
Gesamintwirkung, die glücklichen Verhältnisse, die klassische
Einfachheit des Nebenwerks, die Naturwahrheit der Gestalten.
Was er tadelnswertst findet, will auch mir am wenigsten
gefallen, die landläufige, charakterlose Gestaltung der Putten
und die eingelernten, steifen Bewegungen der Standarten-
träger.
Auch Lübke rügt die Geschraubtheit der Krieger; ihm
scheinen zwar auch die beiden Herzoge „nicht gerade geist-
reich aufgesaßt", doch „erfreuen sie durch die schlichte Treue
der Darstellung und die vollendete Gediegenheit der bis in's
Kleinste technisch meisterlichen Durchführung." Der Reich-
thun: an geschmackvoller Ornainentik ließ sich erst recht
beurtheilen, seit Ginelin in E. A. Seemann's „deutscher
Renaissance" n:ehrere Tafeln mit pelmen, Schienenstücken,
Schwertgriffen, Wappen und anderen: Zierrat zur genaueren
Betrachtung geboten hat. Keiner von den berühmtesten
plattnern und Silberschmieden Mailands hat Ornamente
von besserer Eurythmie erfunden, Rüstungen von edlerer
Forn: gefertigt. Auch die Pfeiler und Gesimse, sowie die
Leuchter tragen reichen Drnamentenschmuck, und alle diese
schönen Einzelheiten sind harmonisch zusammengestin:mt zu
einem wirkungsvollen Ganzen, das unser Auge erfreut und
unser Gemüth bewegt.
„Welche Thorheit!" ruft Milizia in seinen f?25 er-
schienenen „Denkwürdigkeiten der Baukunst" aus, „das
Denkmal eines Todten in eine Kirche zu setzen, wo Alles
an das Leben, an die Gemeinschaft der peiligen, an Gott
erinnern soll!"
Ich bin nicht dieser Ansicht. Eben weil das Lhristen-
thum, das uns einerseits den Tod als unerbittliches, Alle
niedermähendes Geripp darstellte, anderseits den: Tode seinen
Stachel genonnnen und uns das Sterben als die Auferstehung
zu einen: neuen, ewigen Leben gelehrt hat, kann uns ein
Todteninal in der christlichen Kirche nicht verletzen. Denn
für den Frommen wird der Trost der Verheißung stärker
sein, als das Grauen und die Furcht vor dem Tode, wenn
das Denkmal einen: großen Todten geweiht und des
Todten würdig, ein echtes Kunstwerk ist. um so besser.
„Nur die mißverstandene Religion" sagt Lessing, „kann
uns von den: Schönen entfernen, und es ist ein Beweis
für die wahre, für die richtig verstandene w a h r e Religion,
wenn sie uns überall auf das Schöne zurückbringt."
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Der wackere Sighart findet demgemäß an unserm Denk-
mal wenig Gutes und sehr viel Schlechtes; er trennt die
Arbeit Krumper's von der Schöpfung Eandids, er läßt der
technischen Fertigkeit des Ersteren Gerechtigkeit widerfahren,
während er die Gesammtidee und die einzelnen Gestalten
verurtheilt. „Ls ist ein schwerfälliger, plumper, im römischen
Renaissancestil aufgesührter Bau, der die gothische Kirche
in hohem Maße verunstaltet, ohne alle originelle Idee, ja
selbst ohne alle Spur eines christlichen Gepräges." Gin
Gräuel sind ihm die nur halb bekleideten Engel und Genien,
Teufelswerk und Teufelsweide. Wider romantische Gewohn-
heit nimmt er auch an den Gerippen und Larven an den
Seitenwänden Anstoß. Wenn er sie unschön findet, können
wir ihm zustimmen; daß er sie aber auch unchristlich erklärt,
dünkt uns feltsanr. Nach seiner Meinung hätte erst die
Renaissance das Gerippe aufgebracht. Lessing hat aber
in seiner Abhandlung: Wie die Alten den Tod gebildet,
dargethan, daß antike Kunstwerke Skelette, doch diese Skelette
nicht den Tod vorgestellt haben. Jakob Burckhardt sagt:
„Bernini bringt, wenn ich nicht irre, zuin erstenmal seit
dem Mittelalter die scheußliche Allegorie des Todes in
Gestalt eines Skelettes vor." Auch wir loben diese Phan-
tasie Peter Tandids nicht, doch eben die Anbringung der
Todtengerippe ist ein Griff in die Vergangenheit, keine
Geburt der Renaissance, sondern der Zeiten, die grade
der Romantik so theuer waren.
Noch unfreundlicher äußert sich der Geschichtschreiber
der Frauenkirche, Anton Mayer; auch er läßt nur die
Technik gelten, spricht dagegen dem künstlerischen Grund-
gedanken alles Gottvertrauen und denr Ausbau alle Kühn-
heit ab; auch er findet die Engelgestalten „unsittlich." „Jeden-
falls", schreibt er, „würde der edle Kaiser Ludwig, hätte er
nochmal aus seiner Gräbniß hervortreten können, sehr
wenig über ein Monument zufrieden gewesen sein, auf dem
nirgends das cheilszeichen des Kreuzes zu finden ist und
wodurch sein Bildniß auf denr Steine, das ihn lebend dar-
stellt, einer in hohenr Sarge liegenden Leiche, überall von
Verwesungszeichen umgeben, gleich gemacht ward."
Das redliche Forscherverdienst Anton Mayer's in Ehren,
aber es berührt nicht erfreulich, wenn inan den Kleinstädter
nrit der Miene des Olympiers als Kunstrichter urtheileir hört.
And kleinstädtisch erscheinen mir alle jene, die nur ihren
Geschmack für das allein giltige und ewige Gesetz und die
ihren: Geschmack entsprechenden Kunstwerke für allein be-
rechtigt halten. Glücklicher Weise steht die Kunst so wenig
still wie die Zeit; glücklicher Weise waren jene Donnerer
auf die Entwicklung der Kunst niemals, auf die Künstler
wenigstens nicht dauernd von Einfluß. Freilich ist den:
einseitigen Eifer manches edle Werk zum Opfer gefallen.
von unparteiischer, sachlicher Würdigung des Kunst-
werks zeugt das Artheil Ernst Förster's in seinen Denk-
mälern der bildenden Kunst. Er entreißt nicht Eandid den
Lorbeer, un: Steinineißel zu bekränzen; er erwägt die Be-
dingungen und Verhältnisse, denen der eine und der andere
bewußt oder unbewußt Rechnung tragen nnißte, er sieht
das verdienst Beider und zollt diesen Verdiensten warme
Anerkennung. Erscheint ihn: das ältere Denkmal voll Adel
und Ausdruck, kräftig in Anlage und Bewegung, so rühint
er an den: jüngeren den klaren Sinn für architektonische
Gesamintwirkung, die glücklichen Verhältnisse, die klassische
Einfachheit des Nebenwerks, die Naturwahrheit der Gestalten.
Was er tadelnswertst findet, will auch mir am wenigsten
gefallen, die landläufige, charakterlose Gestaltung der Putten
und die eingelernten, steifen Bewegungen der Standarten-
träger.
Auch Lübke rügt die Geschraubtheit der Krieger; ihm
scheinen zwar auch die beiden Herzoge „nicht gerade geist-
reich aufgesaßt", doch „erfreuen sie durch die schlichte Treue
der Darstellung und die vollendete Gediegenheit der bis in's
Kleinste technisch meisterlichen Durchführung." Der Reich-
thun: an geschmackvoller Ornainentik ließ sich erst recht
beurtheilen, seit Ginelin in E. A. Seemann's „deutscher
Renaissance" n:ehrere Tafeln mit pelmen, Schienenstücken,
Schwertgriffen, Wappen und anderen: Zierrat zur genaueren
Betrachtung geboten hat. Keiner von den berühmtesten
plattnern und Silberschmieden Mailands hat Ornamente
von besserer Eurythmie erfunden, Rüstungen von edlerer
Forn: gefertigt. Auch die Pfeiler und Gesimse, sowie die
Leuchter tragen reichen Drnamentenschmuck, und alle diese
schönen Einzelheiten sind harmonisch zusammengestin:mt zu
einem wirkungsvollen Ganzen, das unser Auge erfreut und
unser Gemüth bewegt.
„Welche Thorheit!" ruft Milizia in seinen f?25 er-
schienenen „Denkwürdigkeiten der Baukunst" aus, „das
Denkmal eines Todten in eine Kirche zu setzen, wo Alles
an das Leben, an die Gemeinschaft der peiligen, an Gott
erinnern soll!"
Ich bin nicht dieser Ansicht. Eben weil das Lhristen-
thum, das uns einerseits den Tod als unerbittliches, Alle
niedermähendes Geripp darstellte, anderseits den: Tode seinen
Stachel genonnnen und uns das Sterben als die Auferstehung
zu einen: neuen, ewigen Leben gelehrt hat, kann uns ein
Todteninal in der christlichen Kirche nicht verletzen. Denn
für den Frommen wird der Trost der Verheißung stärker
sein, als das Grauen und die Furcht vor dem Tode, wenn
das Denkmal einen: großen Todten geweiht und des
Todten würdig, ein echtes Kunstwerk ist. um so besser.
„Nur die mißverstandene Religion" sagt Lessing, „kann
uns von den: Schönen entfernen, und es ist ein Beweis
für die wahre, für die richtig verstandene w a h r e Religion,
wenn sie uns überall auf das Schöne zurückbringt."