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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1893

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Heft 11/12
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Gmelin, L.: Kunstgewerbliches von der Weltausstellung in Chicago, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7908#0072

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den Enden derselben wieder kleinere Kuppeln. Das Innere
der Abtheilung ist zwar in der vordersten Zone fymmetrtfcf)
geordnet, scheint aber nach Ausstattung und Durchbildung
vollständig den Einzelausstellern überlassen gewesen zu seiu.

Als Muster guter, einheitlicher Aufstellung stehen die
Abtheilungen Frankreichs und Dänemarks da, bis zu einem
gewissen Grad auch die einiger anderer Länder. Frank-
reich hat seine Gruppe längs den beiden Hauptstraßen
(diagonal gegenüber der deutschen Abtheilung) durch eine
zienrlich hohe Faqade gekennzeichnet; die Pfeiler derselben
sind von gigantischen Atlanten begleitet, welche die Gesirnse
der weiten Oeffnungen tragen. Zur Betonung des Paupt-
eingangs dient eine hohe Nische und die in derselben befind-
liche sitzende Statue der französischen Republik (Abb. S. 75).
Mehr noch als diese äußere Zusammenfassung des Zu-
fammengehörigen zeigt das Innere die Meisterschaft des Aus-
stellungswesens: einfache, klare Eintheilung, gleichartige
Durchbildung der gleichartigen Gruppen (z. B. der Bronzen),
gemeinsame Aufstellung des fachlich Zusammengehörigen.
Es mag zugegeben werden, daß ein solches System bei
minderwerthigen Gegenständen leicht den Iahrmarktscharakter

Jon öer Jettausstellung in ch-hicago

Treppenhaus im „Englischen ffaus".

herbeiführen kann; aber es hat den bei großen Ausstellungen
sehr hoch anzuschlagenden Borzug der leichten Grientirung.
Die gleich einheitliche Ordnung findet sich aus der Galerie
nirgends so folgerichtig durchgeführt wie bei Frankreich; daß
die Hochrothen Bodenteppiche den darüber in schwarzen Kästen
ausgestellten Lyoner Seidenstoffen wohl thuen, läßt sich aller-
dings nicht behaupten. Gegen die gerade hier sehr starke
Anwendung weißleincner Decken wäre nicht viel zu sagen,
wenn die letzteren nicht sehr bald vermöge einer dicken Staub-
und Rußkruste den Gegenständen selbst zu viel Licht ent-
zögen; inanche Schönheiten kommen aus diese Meise gar
nicht zur Geltung.

Kleinere Ausstellungskomplexe sind leichter zu selb-
ständigen Gruppen zu vereinigen als große; und doch hat
unter den kleinen nur Däuemark einen gelungenen Versuch
dazu gemacht. In passender Meise sind hier die Bezieh-
ungen der ältesten Amerikafahrer — der Mickinger — zum
Ausdruck gebracht: eine altnordische polzfagade mit Thürmchen
und Giebeln schmückt die Eingangsseite und in den Mand-
feldern der Seitenfagade erblickt man bildliche Darstellungen
der Mickingersahrten. Das Innere gruppirt sich nach den
zwei Hauptachsen, und sämmtlichen Ausstellern ist der Platz
nach einheitlichem Plan zugewiesen. Bon den beiden andern

nordgermanischen Ländern hat Schweden nur in seinem
eigenen Pause ausgestellt, während Norwegen — als ob
es in gar keinem Zusanuncnhang mit Schweden stünde —
im Industriepalast eine ganz hübsche Gruppe zusammen-
gebracht hat, die durch eine hellfarbige polzfaqade kenntlich
geinacht ist; die Einheitlichkeit des Innern beschränkt sich
auf die Mandansänge und ^ die mit großen landschaftlichen
Gelbildern geschmückte Rückwand.

Mie sehr eine solche einheitliche Aufstellung den Tha-
rakter einer Ausstellungsgruppe zu heben vermag, geht sehr
deutlich aus der Schweizer Ausstellung hervor, die außer
den Taschenuhren sehr wenig Erfreuliches zeigt, aber dennoch
Eindruck macht, weil die gleichartige Behandlung der Schau-
kästen ic. sofort die Gruppe als ein Ganzes erkennen läßt.
Spanien, dessen Abtheilung sehr ungünstig zum Theil
unter den Galerien gelegen ist und bei welchen: deshalb eine
Zusammenfassung in der bequemeren Form einer Faqade aus-
geschlossen war, hat sich in sehr praktischer Meise damit geholfen,
daß es fein ganzes Gebiet mit Säulenarkaden nach dem Muster
der Moschee von Tordoba durchsetzt hat; Niemand kann da
auch nur einen Augenblick im Zweifel sein, welchen: Lande
die unter diesen Arkaden stehenden Dinge angehören.

Auf Ausbildung der Schauseite beschränkten sich Belgien
(hohe gemalte Renaissancefacade), Rußland (schwere polz-
facade mit Thurmbau über der abgeschrägten Ecke in theil-
weise barbarischer Plumpheit), Japan (rothangestrichene
paus- und pofwändc, gekrümmte Dächer, schwere hölzerne
Thorflügel) und Italien (fünftheilige Triumphpsorte in
Renaissance). Mie sehr man einen guten Inhalt durch
schlechte Gruppirung und unfreundliches Inneres schädigen
kann, das zeigen gerade die beiden letztgenannten Länder:
bei Japan ist fast Alles eng, winkelig und wenig geordnet,
— bei Italien ist es in: Gegensatz zun: wirklichen Land
Italien recht dunkel, und die Gegenstände sind hier oft so
eng zusammengepfercht, als ob sic absichtlich versteckt werden
sollten, oder als sei hier die provisorische Unterkunft von
Abgebrannten! —

England und das Pauptland Amerika haben Alles
ihren Ausstellern überlassen; da konnte natürlich keine Ein-
heit hineinkommen. Zu größeren Gruppen finden sich in
der amerikanischen Abtheilung vereinigt die Seidenweberei
und die Keramik; aber die äußere Erscheinung derselben will
Nichts bedeuten, so wenig wie die der meisten (und zwar sehr
zahlreichen) Bauten der einzelnen nordamerikanischen Staaten.

Nach den: Gesagten nimmt Deutschland schon in Bezug
auf die künstlerische Einordnung seiner Abtheilung einen der
ersten Plätze ein; es wird aber nicht auf den errungenen
Lorbeeren ausruhen dürfen, sondern danach trachten nüissen
—■ wenn je wieder Veranlassung dazu vorliegt —, daß eine
noch größere Einheitlichkeit erzielt werde, damit Deutschlands
Kunst und Gewerbe der Melt einen ebenso machtvollen Ein-
druck hinterlasse, wie es seiner Zeit bei der Erlangung der
politischen Einheit der Fall war.

* *

Wenn wir nun in: Folgenden auf die zur Ausstellung
gebrachten Arbeiten aus den einzelnen Ländern näher ein-
gehen, so leitet uns dabei hauptsächlich die Absicht, die Leist-
ungen innerhalb der einzelnen fachlich abgegrenzten Gebiete
miteinander zu vergleichen; ein besonderer Schluß-Abschnitt
 
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