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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1893

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Heft 11/12
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Gmelin, L.: Kunstgewerbliches von der Weltausstellung in Chicago, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7908#0075

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selbständigen Arbeiten nicht selten die Höhe wirklicher Bunst.
Die mit größter künstlerischer Gewandtheit geschnitzten Rococo-
Rähmchen von Radspieler u. Co. München, die reizenden
musicirenden Bnaben aus Barl Fischer's Atelier München,
die überzierlichen Bästchen, Rähnichen u. s. w. — z. Th.
mit Reliefintarsien — von ©. van Venrooy und H. Rlay-
bach Barlsruhe und Andern mögen an die Spitze gestellt
werden; mancher naturwüchsige Zug haftet an den Arbeiten
des bayerischen Gebirgs (Partenkirchen, Berchtesgaden) und
des Schwarzwalds (Furtwangen), — ebenso wie in den
ziemlich zahlreichen Lusterweibchen, Handtuchhaltern, dekora-
tiven Figuren rc. aus München, wo neben der Anmuth aucb
die originellen Gedanken eine Rolle spielen. Daß Italien
darin hcrvorragt, ist selbstverständlich, wenn auch einzelne
ihre Meisterschaft zu weit treiben; z. B.: Toso-Benedig,
welcher u. A. lebensgroße dekorative Statuen aus verschieden-
farbigein, vielfach intarsirtem X70I5 gebracht hat. Der intime
Charakter der Schnitztechnik ist die Hauptursache, weshalb
auf dem Gebiet der Schnitzerei sich noch mehr lokale oder
nationale Eigenthümlichkeiten bemerkbar machen, wie ander-
wärts. Bei den von europäischer Bultur noch nicht oder
nur wenig durchtränkten Ländern ist dies natürlich; zu solchen
Erscheinungen gehören z. B. sowohl die ungemein originellen
japanischen Reliefintarsien aus allerlei bunten Materialien,
als auch das entzückende nach Entwürfen von Lockwood de
Forest-Ahmedabad (Indien) hergestellte, ganz aus Sandelholz
geschnitzte indische Zimmer, welches in der englischen Co-
lonialabtheiluug ausgestellt ist. — Aber auch auf europä-
ischem Boden begegnen wir noch solchen nationalen Eigen-
thümlichkeiten; die oben erwähnten Gebirgsschnitzereien —
zu denen auch die allerdings recht schwachen aus der Schweiz
zählen — tragen theilweise noch diesen Charakter. In viel
höherem Grade haben indessen nationales Gepräge die nor-
wegischen Schnitzereien, welche von der „norwegischen Haus-
fleißgesellschaft" ausgestellt sind und deren Ornament auf
die Amerikaner eine besondere Anziehungskraft auszuüben
scheint, wohl weil es bisweilen an die zur Zeit in Amerika
beliebte byzantinifch-roinanische Stilweise erinnert. Die edelste
Schnitzerei, diejenige in Elfenbein, ist kaum von einem andern
Land — vielleicht Japan ausgenommen — so zahlreich
vorgeführt wie von Deutschland; Berlin (Mor. Beller) und
München (A. Dießl) haben zahlreiche hervorragende Arbeiten
geliefert, denen sich die weniger zahlreichen aus Baden-Baden
(L. Häbler), Stuttgart (B. Rudolph), Geislingen (Gebr. Bauz-
mann), Bissingen (S. Rosenau und D. Bugelmann) anschließen.
— Ein Theil der besten Arbeiten deutscher Bleinplastik ist in
derCollektivausstellungdes „deutschen Graveurvereins" (Berlin)
zu suchen, — ein Verein, dessen Leistungen auch in Elfen-
beingravirungen, Medaillen, getriebenen und ciselirten Por-
traits, Gemmen — fast durchweg mit mehr Recht in das Bunst-
gebäude gehört hätte, als manches daselbst aufgestellte Merk
französischer Bleinkunst.

Der Bleinplastik gehören auch die mit bunten Reliefs
verzierten Machskerzen an, von denen I. Gautsch-München
eine sehr vortheilhaft aufgestellte und wirkungsvolle Gruppe
gebracht hat; in ähnlichen Arbeiten brachte nur Brasilien
einiges Nennenswerthe, wenn es auch den Arbeiten Gautsch's
nicht entfernt nachkommt. — Mie weit die Handbcarbeitung
des Leders sich in den Bereich der Plastik begeben, lassen die
betreffenden Arbeiten aus München (p. Attenkofer, Fr. chav.

Weinzierl, Abb. S. 7\)t Hamburg (G. Hulbe, Abb. Taf. 35),
Wien rc. ersehen, theilweise hochkünstlerische Stücke, voin klein-
sten Notizbuch an durch alle Arten von Einbänden, Cassetten,
Taschen hindurch bis zum ledergepolsterten Sopha. Sehr schöne,
von Hand gearbeitete Ledereinbände haben Zähnsdorf-London
und Gruel-Paris (als die einzigen aus England und Frankreich)
gebracht, während eine Gruppe dänischer Einbände sich nament-
lich durch Originalität bemerkbar macht. In schönen von Hand
vergoldeten Einbänden rc. ist Deutschland durch die Berliner
M. Collin, Mönch, Vogt de Sohn, ferner durch Graf & Sohn-
Altenburg, Göhre-Leipzig, Scholl-Durlach und durch die
Reichsdruckerei sehr gut vertreten. — Gepreßtes und ver-
goldetes Leder für Stühle rc. bietet) in großer Auswahl
Miguel Fargasy Vilaseca in Barcelona. Bei den Japanern
beginnt dasselbe bei Bästchen rc. häufig die Lackmalerei zu
verdrängen; dagegen brachte ein Russe — ZT. Loukoutine
— Lackmalereien auf Papiermasse, bunt und noch etwas

Hon Ser Keltausstellmig in Chicago.

äübcrfciffete.

Entworfen und ausgefübrt von Fr. 3E. Weinzierl, München.

unbeholfen, aber doch so, daß man einen gesunden entwick-
lungsfähigen Beim darin wahrnehmen kann. •—• Die feinsten
Malereien im Dienste der dekorativen Bunst — abgesehen
von Email, Beramik rc. — brachte die Sammelausstellung
der sächsischen Fächerindustrie, deren Einzelstücks meist unter
dem Einfluß der Dresdener Bunstgewerbeschule entstanden
und zum Theil wirkliche Meisterwerke sind.

Die Erzeugnisse der hochentwickelten Tapeten-Industrie
Deutschlands sind ganz ausgeblieben; dies ist namentlich an-
gesichts der niederen Stellung zu bedauern, welche die amerikan-
ische Tapetenfabrikation zur Zeit noch einninnnt. Da aber
auch im klebrigen dieses Gebiet seitens Europa's schwach
vertreten ist, so liegt die Vcrmuthung nahe, daß vielleicht
die Zollschranken das Haupthinderniß bilden. Papiertapeten
von Bedeutung hatten nur wenige englische Häuser aus-
gestellt: Cotterell Bros.'-Bristol, welche schon bei zweifarbigen
Sachen hübsche, den natürlichen Pflanzenmotiven entnommene
Muster erzeugt, — Mm. Moollams & Co.-London, deren
Musterverzeichniß sogar die Namen der Musterzeichner ent-
hält, — und Jeffrey & Co.-London, zu deren Papiertapeten
sich auch prächtige wirkliche Ledertapeten gesellen, welche sonst
noch bei G. Hulbe-Hamburg und (in feiner solider Bemalung)
bei Gebr. Mora-Mailand zu sehen sind. Von andern Wand-
 
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