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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1893

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Heft 11/12
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Gmelin, L.: Kunstgewerbliches von der Weltausstellung in Chicago, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7908#0079

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Ion 5er Kettau-Kellmig in Chicago.

Fa;ade und tjaupteiugang der französischen Abteilung in, Industriegebäude.

Aufstellung inacht, haben die anderen
deutschen keramischen Anstalten einen
schweren Stand. Die Sächsische Manu-
saktur in Meissen, welcher nicht die
große Beisteuer—soviel uns bekannt—
gewährt worden ist, wie ihrer Berliner
Schwesteranstalt, zeichnet sich nament-
lich durch ihre herrlichen päte sur-päte-
Malereien aus, die an kleinen wie
an großen Stücken, an Väschen und
Schmuckkästchen, wie an Tischplatten
und Thürfüllungen — überall mit
gleicher Meisterschaft ausgeführt sind;
die eben erst neu ausblühende Nym-
phenburger Porzellanfabrik tritt init der
bescheidenen Zahl ihrer Ausstellungs-
gegenstände neben den beiden Staats-
instituten weit zurück, obgleich das,
was sie gesandt hat, seiner Qualität
wegen ebenso gut auch dort stehen
könnte, — was man von dein übrigen
deutschen Porzellan nicht gerade sagen
kann. Das Welthaus Villeroy & Boch-
Mettlach, Dresden ,c. hat sich im
Zahre j888 auf der Münchener Aus-
stellung in glänzenderen, Licht gezeigt, wenngleich die in
Lhicago ausgestellten Fliesengen,älde und vieles Andere
immerhin als Leistungen ersten Ranges gelten müssen;
vermuthlich hat die genaue Aenntniß des amerikanischen
Marktes die künstlerische Erscheinung und die Auswahl der
Gegenstände wesentlich beeinflußt.

Wer sich von der französischen Porzellannianusaktur zu
Sevres einen ähnlichen Eindruck erwartet hat wie von der
preußischen, ist arg enttäuscht worden. Zweifellos befinden
sich unter denselben viele sehr hervorragende Stücke — aber
sie sind in ihrer Gesammtheit nicht von so bestrickendem
Liebreiz wie die Porzellane der Berliner Manufaktur; inan
vermißt ungern jenen frischen Zug, der den letzteren Ar-
beiten ihre packende Wirkung verleiht. Die ansprechendsten
Stücke sind die zahlreichen kleinen Vasen init den bunten
gestammten Glattbraiidglasuren, — die auch alle schon längst
den »Lol6«-Zettel tragen. Zn, übrigen ist die französische
Aerannk ganz ihrer hohen Leistungsfähigkeit und den
amerikanischen Bedürfnissen entsprechend vertreten, nament-
lich die Porzellanfabriken von Liinoges, welche theilweife
fast i,ur für den amerikanischen Markt arbeiten sollen. Es
ist bei weitem nicht Alles musterhaft; aber selbst haltlose
Dekors sind init so viel Thic vorgetragen', daß inan ihnen
nicht böse sein kann. Vieles koinmt natürlich auch hier auf
Rechnung des amerikanischen Marktes. Fast ganz von
letzteren, beherrscht zeigt sich die österreichische Aeramik:
besseres Mittelgut von dei, Nachahmungen altwiener Por-
zellans ai, bis zu den naturalisirenden Fayencen. Neu und
besonders vornehin erschienen uns nur die Gefäße init den,
fast blutrotsten Grund von M. Zolnay-Pest; als Luriosum
mag bemerkt sein, daß dessen Gruppe zwischen jene von Aorea,
Ceylon und Türkei eingeklemmt ist! Ztalien hat aus die
Beschickung init Gebrauchsgeschirr aus guten Gründen gänz-
lich verzichtet und sich darauf beschränkt, dekorative Arbeiten
zu senden. Die Majoliken, die seit zwanzig Zähren wieder

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in Schwung gekommen sii,d, zeigen sich leider nur in wenigei,
Beispielen — Tantagalli-Florenz, Tacciopuoti-Rom, Museo
Artistico-IiKlustriale4.(capcl - - aus ihrer pöhe; Ginori ist
daheimgeblieben und in, übrigen gehen die italienischen
Töpfereien durch die ganze Skala n,itteln,äßiger Malerei und
Modellirung herunter bis zun, tollsten und flüchtigsten Zm-
pressionismus. Auch Spanien brachte nur keramische Zier-
stücke: Vasen und Azulejos in maurischem Stil, die theilweife
sehr treffend den Tharakter der alten Arbeiten wiedergeben.

Aus Dänemark ist die Zahl der keramischen Gegen-
stände eine so große, daß sie dieser ganzen Landesgruppe
ihren Stempel aufdrücken. Die kgl. Porzellanmanufaktur zu
Kopenhagen steht hier weitaus in erster Linie. Die Phantasie-
vasen und Platten, welche sie gebracht, gehören zu den
schönsten keranrischen Erzeugnissen der Ausstellung; unter
Benützung einiger Scharsfeuerfarben (hellblau, grünlich, weiß,
gelblich) sind japanisirende und andere Dekors in ihren, flachen
Relief so weich, in ihrem Farbenschmelz so zart behandelt,
daß bei manchen Thierbildungen — wie Fröschen und Fischen—
eine fast natürliche Wirkung erzielt wird. Bei den sonstigen
Aeramik-Erzeugnissen findet sich noch inanches Gute (z. B. bei
p. Zpsens 8c Enke-Aopenhagen), aber nichts, was gerade für
das Land besonders Tharakteristisches wäre — man müßte
denn die mehr oder weniger in, griechischen Vasenstil be-
malten Terrakotten, deren Fabrikation schon lang in Aopen-
hagen ihren Sitz hat, als charakteristisch für Dänemark be-
zeichnen. Ebenso wenig kann man die von der alten be-
rühmten schwedischen Fabrik Röhrstrand-Stockholn, gesandten,
zum Theil ganz guten Thonwaaren als Tharakteristika des
Ursprungslandes anfehen. — Von den übrigen Staaten des
Festlandes sind hier noch polland und Belgien anzureihen —
ersteres mit seinen theilweife vorzüglichen Blaumalereien in
alter Delfter Manier, darunter ein großes Fliesengemälde
nach Franz pals (von Zoost Thooft 8c Labouchere-Delft), •—
letzteres mit den Fayencen von Boch Peres-La Louviere,

Zeitschrift des bayer. Runstgewerbe-Vereins München.

<893. Heft U & \2. (Bg. 2.)
 
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