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auch nicht durchwegs selbst erzeugt, so doch gesammelt und
erhalten habe, trotz der mannigfachen Plünderungen und
Verschleuderungen, denen sie jederzeit, besonders aber in
diesem Jahrhundert ausgesetzt waren.
Die für Tirols volksthümliche Aunstbegabung so be>
zeichnenden Erzeugnisse der einfacheren, bürgerlichen und
bäuerlichen Aunstgewerbe der Vergangenheit, wie sie die
derbere Schreiner-, Schnitz- und Aimmermannskunst, die
Schmiedeisenkunst und noch viele andere traditionell volks-
thümlich gebliebene Aunstbetriebe und Handwerke lieferten
— sie sind in der historischen Ausstellung aus ähnlichen
Gründen wie die Gemälde und Skulpturen, freilich ebenfalls
nur sehr schwach und vereinzelt vertreten.
Die Airche sowohl (voran die Bisthümer und großen
Alöster, aber auch manches bescheidene Pfarramt) hat sich
eifrig bemüht, durch Auswahl ihrer ehrwürdigsten und
schönsten Aultusgeräthe und Paramente dieser Ausstellung
Glanz zu verleihen, als auch die privaten, der Adel, die
wohlhabenden Bürger und Sammler, welche ihre ererbten
oder erworbenen, sonst nur schwer zugänglichen Achtbarkeiten
mit größter Bereitwilligkeit zur Verfügung stellten.*)
Sowohl nach ihrer Anzahl wie nach ihrem archäologi-
schen und künstlerischen Werthe nehmen die kirchlichen
Alterthümer immerhin aber den ersten Rang in dieser
Ausstellung ein, weshalb wir auch mit ihrer Betrachtung
beginnen wollen. **)
Unter den ausgestellten Werken kirchlicher Textil-
kunst sind vor Allem einige hochalterthümliche Tasulen
anzuführen. Dem Brixner Domschatz gehört eine glocken-
förmige Easula aus bräunlich-violettem sarazenischen Seiden-
stoff des \2. Jahrhunderts mit eingewobenen Adlern, welche
Ringe mit Perlen in den Schnäbeln halten ***) (Nr. 65),
sowie eine zweite solche, ungefähr gleichzeitige, von jetzt
dunkelbraunem, gerautetem Purpurseidenstoff, deren gold-
gewebtes Dorsalkreuz in kreisförinigen Ranken orientalisirende
Thiers zeigt (Nr. 66). Auch eine Tasula aus dem Stift
Marienberg (Nr. \02) zeigt an beiden Seiten gabel-
förmige aufgenähte Areuze von sarazenischem Seidenstoff
mit phantastischen Vierfüßlern und Vögeln, sowie einer
arabischen Zierschrift vom 6. Jahrhundert der pedschrah
(p. bis \2. Zahrh. it. Ehr.). Die Tasula selbst, sowie die
zwei daran befestigten Stolabänder sind Erzeugnisse abend-
ländischer, ornamentaler und figuraler Seidenstickerei auf
Leinwand aus dem \2. Jahrhundert, si) Auch die Tasula
von Neustift (No. s03) hat ein Dorsalkreuz von sarazenischer
Goldweberei. Eine trotz ihrer Abnützung farbig noch wunder-
bar wirkende Tasula des H5. Jahrhunderts aus grünem,
*) Auch die Mühewaltung des Tomitas der historischen Abthei-
lnng mit deni Museums-vorstand und Professor der geschichtlichen
Geographie, Or. Franz von tvieser als Dbinann, darf nicht un-
erwähnt bleiben.
**) Der erst Mitte August erschienene Katalog der historischen
Abtheilung stand uns leider erst beim Abschluß und bei der Revision
dieser 5tudie zur Verfügung, bei der wir, hinsichtlich der Provenienz
der ansgestellten (Objekte, hauptsächlich auf einen von Lustos K. Fisch-
naler in den Lokalblättern mitgetheillen Auszug des Inventars an-
gewiesen waren. Mir fügen die Katalognummer eines jeden be-
sprochenen (Objektes in Klammern bei.
***) Mehrfach publizirt.
f) Ueber Dessin und Färbung siehe: „Bozner Kunstalbum". tvohl-
gcrnuth, Bozen. Tafel III. Die Zeichnungen beider Seiten bei Atz,
„Kunstgeschichte von Tirol und Vorarlberg" S. 2q,\, 2^2.
geschnittenem Sammt mit charakteristischem Granatmusler,
und auf dem Dorsalkreuz mit schön gezeichneten, deutschen
Seidenstickereien der Dreieinigkeit und der vier Evangelisten
(Nr. lstst), stainmt aus der Schloßkapelle von Sprechen-
stein (jetzt im Besitz des Fürsten Auersperg zu Wien).
An künstlerischer Schönheit und Pracht ragen aber vor Allem
drei Meßgewänder aus der Dekanats-Airche von Villa
Lagarina in Wälschtirol hervor, welche uns herrliche
Proben italienischer Textilkunst der Renaissance liefern. Das
erste vom Jahre f57q> (Nr. 202) besteht aus rothem ge-
schnittenem Sammt mit golddurchwebtem Untergrund, der
knorrige Ureuzstamm, sowie Thristus sind in Seide gestickt
und von Schnüren umzogen. Das zweite dieser Gewänder
besteht aus schönem Purpurdamast; der aufgenähte Mittel-
streifen zeigt in Gold und Rosaseide gewebt, die Figur
Thristi mehrfach sich übereinander wiederholend. An den
unteren Ecken sind in Applikationsstickerei die Wappen der
Familie Lodron dargestellt. (No. 200). Am prachtvollsten
ist das dritte dieser Meßgewänder vom \7. Jahrhundert
(Nr. 20s), welches durch Goldborten in drei Vertikalstreifen
getheilt und auf den Seitenfeldern mit herrlicher polychromer
Ornamentik in Seiden- und Goldstickerei auf weißem Atlas,
am Mittelstreifen mit der Madonna und Engeln in wahr-
haft künstlerischer Ausführung geschmückt ist. Fast alle
Arten der Sticktechnik sind an diesem prächtigen Werk
italienischer Nadelmalerei angewendet, dessen schimmernder
sanfter Farbenglanz noch durch ausgenähte Silberscheibchen
vermehrt wird.
Aus dem Stift Znnichen (Nr. W) und der Magda-
lenenkapelle in Pallthai (Nr. sq.5, jetzl im Besitz des k. k.
Montanärars in Pall), sind zwei schöne gothische Meß-
gewänder ausgestellt. Von prächtig plastischfarbiger Wirkung
ist an einem Meßkleid des s6. Jahrhunderts von blauem
Seidenstoff mit goldgelbem Streublumenmuster (Nr. s^3,
Baron Sternbach), das aufgenähte Dorsalkreuz mit roth-
seidenen, ausgeschnittenen und applizirten, spätgothischen
Blattornamenten. Ferner sind einige abgetrennte Dorsal-
kreuze aus Trient anzuführen, von denen Nr. 367 und
Nr. 368 schöne italienische Figurenstickereien des H5. Jahr-
hunderts auf Goldgrund darstellen.
Letztgenannten Areuzen schließt sich technisch und stilistisch
eine sehr interessante Serie von fünf viereckigen Nadelbildern des
so. Jahrhunderts, ebenfalls aus Trient an (Nr. 370—57^),
welche auf rautenförmig dick gewirktem Goldgrund Szenen
aus der Legende des hl. Vigilius darstellen.
Zwei paar aus Seide gestickte pontifikalhandschuhe aus
dem Brixner Domschatz sind ebenfalls bemerkenswerth. Das
eine (Nr. 89) mit grünen Ranken und geometrischen Orna-
menten in Areuzstich und dem Brixner Lamm in aufgenähten
Silber- und Goldfäden, das zweite paar (Nr. 8ch besonders
zu beachten wegen der aufgenähten Scheibchen mit feinstem
byzantinischem Zellenschmelz, mit byzantinischen Zuschriften.
Ein paar Schuhe, wahrscheinlich aus sizilianischem
Seidendamaste, ebenfalls aus Brixen, ist durch sein Alter
bemerkenswerth. (Nr. 8f.) Dasselbe gilt von der Znful,
welche der selige Partmann von Neuslift ((s6^) getragen
haben soll (Nr. 88), deren Stirn und Mittelstreifen (oirculus
und ritulus) auf Goldgrund in rother Seide gewobene
Monstren zeigt, wie man sie häufig an romanischen Sculp-
turen oder z. B. an den Fresken der Zakobskirche zu Tramin
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auch nicht durchwegs selbst erzeugt, so doch gesammelt und
erhalten habe, trotz der mannigfachen Plünderungen und
Verschleuderungen, denen sie jederzeit, besonders aber in
diesem Jahrhundert ausgesetzt waren.
Die für Tirols volksthümliche Aunstbegabung so be>
zeichnenden Erzeugnisse der einfacheren, bürgerlichen und
bäuerlichen Aunstgewerbe der Vergangenheit, wie sie die
derbere Schreiner-, Schnitz- und Aimmermannskunst, die
Schmiedeisenkunst und noch viele andere traditionell volks-
thümlich gebliebene Aunstbetriebe und Handwerke lieferten
— sie sind in der historischen Ausstellung aus ähnlichen
Gründen wie die Gemälde und Skulpturen, freilich ebenfalls
nur sehr schwach und vereinzelt vertreten.
Die Airche sowohl (voran die Bisthümer und großen
Alöster, aber auch manches bescheidene Pfarramt) hat sich
eifrig bemüht, durch Auswahl ihrer ehrwürdigsten und
schönsten Aultusgeräthe und Paramente dieser Ausstellung
Glanz zu verleihen, als auch die privaten, der Adel, die
wohlhabenden Bürger und Sammler, welche ihre ererbten
oder erworbenen, sonst nur schwer zugänglichen Achtbarkeiten
mit größter Bereitwilligkeit zur Verfügung stellten.*)
Sowohl nach ihrer Anzahl wie nach ihrem archäologi-
schen und künstlerischen Werthe nehmen die kirchlichen
Alterthümer immerhin aber den ersten Rang in dieser
Ausstellung ein, weshalb wir auch mit ihrer Betrachtung
beginnen wollen. **)
Unter den ausgestellten Werken kirchlicher Textil-
kunst sind vor Allem einige hochalterthümliche Tasulen
anzuführen. Dem Brixner Domschatz gehört eine glocken-
förmige Easula aus bräunlich-violettem sarazenischen Seiden-
stoff des \2. Jahrhunderts mit eingewobenen Adlern, welche
Ringe mit Perlen in den Schnäbeln halten ***) (Nr. 65),
sowie eine zweite solche, ungefähr gleichzeitige, von jetzt
dunkelbraunem, gerautetem Purpurseidenstoff, deren gold-
gewebtes Dorsalkreuz in kreisförinigen Ranken orientalisirende
Thiers zeigt (Nr. 66). Auch eine Tasula aus dem Stift
Marienberg (Nr. \02) zeigt an beiden Seiten gabel-
förmige aufgenähte Areuze von sarazenischem Seidenstoff
mit phantastischen Vierfüßlern und Vögeln, sowie einer
arabischen Zierschrift vom 6. Jahrhundert der pedschrah
(p. bis \2. Zahrh. it. Ehr.). Die Tasula selbst, sowie die
zwei daran befestigten Stolabänder sind Erzeugnisse abend-
ländischer, ornamentaler und figuraler Seidenstickerei auf
Leinwand aus dem \2. Jahrhundert, si) Auch die Tasula
von Neustift (No. s03) hat ein Dorsalkreuz von sarazenischer
Goldweberei. Eine trotz ihrer Abnützung farbig noch wunder-
bar wirkende Tasula des H5. Jahrhunderts aus grünem,
*) Auch die Mühewaltung des Tomitas der historischen Abthei-
lnng mit deni Museums-vorstand und Professor der geschichtlichen
Geographie, Or. Franz von tvieser als Dbinann, darf nicht un-
erwähnt bleiben.
**) Der erst Mitte August erschienene Katalog der historischen
Abtheilung stand uns leider erst beim Abschluß und bei der Revision
dieser 5tudie zur Verfügung, bei der wir, hinsichtlich der Provenienz
der ansgestellten (Objekte, hauptsächlich auf einen von Lustos K. Fisch-
naler in den Lokalblättern mitgetheillen Auszug des Inventars an-
gewiesen waren. Mir fügen die Katalognummer eines jeden be-
sprochenen (Objektes in Klammern bei.
***) Mehrfach publizirt.
f) Ueber Dessin und Färbung siehe: „Bozner Kunstalbum". tvohl-
gcrnuth, Bozen. Tafel III. Die Zeichnungen beider Seiten bei Atz,
„Kunstgeschichte von Tirol und Vorarlberg" S. 2q,\, 2^2.
geschnittenem Sammt mit charakteristischem Granatmusler,
und auf dem Dorsalkreuz mit schön gezeichneten, deutschen
Seidenstickereien der Dreieinigkeit und der vier Evangelisten
(Nr. lstst), stainmt aus der Schloßkapelle von Sprechen-
stein (jetzt im Besitz des Fürsten Auersperg zu Wien).
An künstlerischer Schönheit und Pracht ragen aber vor Allem
drei Meßgewänder aus der Dekanats-Airche von Villa
Lagarina in Wälschtirol hervor, welche uns herrliche
Proben italienischer Textilkunst der Renaissance liefern. Das
erste vom Jahre f57q> (Nr. 202) besteht aus rothem ge-
schnittenem Sammt mit golddurchwebtem Untergrund, der
knorrige Ureuzstamm, sowie Thristus sind in Seide gestickt
und von Schnüren umzogen. Das zweite dieser Gewänder
besteht aus schönem Purpurdamast; der aufgenähte Mittel-
streifen zeigt in Gold und Rosaseide gewebt, die Figur
Thristi mehrfach sich übereinander wiederholend. An den
unteren Ecken sind in Applikationsstickerei die Wappen der
Familie Lodron dargestellt. (No. 200). Am prachtvollsten
ist das dritte dieser Meßgewänder vom \7. Jahrhundert
(Nr. 20s), welches durch Goldborten in drei Vertikalstreifen
getheilt und auf den Seitenfeldern mit herrlicher polychromer
Ornamentik in Seiden- und Goldstickerei auf weißem Atlas,
am Mittelstreifen mit der Madonna und Engeln in wahr-
haft künstlerischer Ausführung geschmückt ist. Fast alle
Arten der Sticktechnik sind an diesem prächtigen Werk
italienischer Nadelmalerei angewendet, dessen schimmernder
sanfter Farbenglanz noch durch ausgenähte Silberscheibchen
vermehrt wird.
Aus dem Stift Znnichen (Nr. W) und der Magda-
lenenkapelle in Pallthai (Nr. sq.5, jetzl im Besitz des k. k.
Montanärars in Pall), sind zwei schöne gothische Meß-
gewänder ausgestellt. Von prächtig plastischfarbiger Wirkung
ist an einem Meßkleid des s6. Jahrhunderts von blauem
Seidenstoff mit goldgelbem Streublumenmuster (Nr. s^3,
Baron Sternbach), das aufgenähte Dorsalkreuz mit roth-
seidenen, ausgeschnittenen und applizirten, spätgothischen
Blattornamenten. Ferner sind einige abgetrennte Dorsal-
kreuze aus Trient anzuführen, von denen Nr. 367 und
Nr. 368 schöne italienische Figurenstickereien des H5. Jahr-
hunderts auf Goldgrund darstellen.
Letztgenannten Areuzen schließt sich technisch und stilistisch
eine sehr interessante Serie von fünf viereckigen Nadelbildern des
so. Jahrhunderts, ebenfalls aus Trient an (Nr. 370—57^),
welche auf rautenförmig dick gewirktem Goldgrund Szenen
aus der Legende des hl. Vigilius darstellen.
Zwei paar aus Seide gestickte pontifikalhandschuhe aus
dem Brixner Domschatz sind ebenfalls bemerkenswerth. Das
eine (Nr. 89) mit grünen Ranken und geometrischen Orna-
menten in Areuzstich und dem Brixner Lamm in aufgenähten
Silber- und Goldfäden, das zweite paar (Nr. 8ch besonders
zu beachten wegen der aufgenähten Scheibchen mit feinstem
byzantinischem Zellenschmelz, mit byzantinischen Zuschriften.
Ein paar Schuhe, wahrscheinlich aus sizilianischem
Seidendamaste, ebenfalls aus Brixen, ist durch sein Alter
bemerkenswerth. (Nr. 8f.) Dasselbe gilt von der Znful,
welche der selige Partmann von Neuslift ((s6^) getragen
haben soll (Nr. 88), deren Stirn und Mittelstreifen (oirculus
und ritulus) auf Goldgrund in rother Seide gewobene
Monstren zeigt, wie man sie häufig an romanischen Sculp-
turen oder z. B. an den Fresken der Zakobskirche zu Tramin
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