Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bulletin de la Société pour la Conservation des Monuments Historiques d'Alsace — 2.Sér. 21.1906

DOI issue:
Fundberichte und kleinere Mittheilungen
DOI article:
Schlosser, Heinrich: Die Minerva von Pisdorf
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25052#0476

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
— 4* —

Auf der Vorderseite des Denkmals ist das Bild der Pallas-Minerva in
einer nischenfôrmigen Vertiefung angebracht, die nach allen Seiten mit
einem circa 2 cm breiten Rande umgeben ist. Links von der Figur ist
dieser Rand bei der Ausgrabung des Steines zum Theil abgeschlagen
worden; rechts davon wurde er schon im Alterthume gleichfalls be-
schadigt. Zu jener Zeit wurde auch die rechte Hand der Gôttin sowie
ihr rechtes Knie abgestossen und das Gesicht etwas abgerieben. Abge-
sehen jedoch von diesen unbetrâchtlichen Verletzungen ist das kleine
Relief noch ziemlich gut erhalten.

Es ist allerdings nur eine sehr mittelmassige Arbeit, das Werk
eines landlichen Bildhauers, welchem ein geringes Maass von Kunst-
fertigkeit zu Gebote stand und der mamentlich die Verhâltnisse der
verschiedenen Theile zu einander unrichtig bemessen hat. So ist z. B.
der Kopf der Gestalt viel zu gross im Verhaltniss zum Rumpfe u. s. w.
So mangelhaft aber dieses Bild auch sein mag, vom künstlerischen, ja
ich môchte fast sagen, vom allgemein religiôsen Standpunkte aus, ist
es trolzdem ein sehr anmuthiges und anregendes. Noch viel interessanter
aber ist es vom Gesichtspunkte der Archaeologie oder vielmehr
der Iconographie.

Zunàchst ist Minerva auf diesem Steine sitzend oder, besser, thronend
dargestellt: eine Haltung, die ihr auf antiken Bildhauerwerken ausserst
seiten zugetheilt worden ist. Auf den bis jetzt bekannten Viergôtter-
steinen, worauf die Gôttin der Weisheit und der weiblichen Geschick-
lichkeit so oft nach Juno, Merkur und Herkules erscheint, kommt sie
in besagter Stellung nicht ein einziges Mal vor. Dort tritt sie uns
nmmer in dem ruhig stehenden Typus entgegen.1» Waren ihre eigensten
Attribute (Medusenhaupt, Eule) auf unserm Steine nicht vorhanden,
so wâre man sicherlich versucht gewesen in dieser Gestalt die der
Minerva grossentheils nachgebildete und fast stets sitzend dargestellte
Gôttin Roma zu erkennen.

Auf dem zu Pisdorf aufgefundenen Denkmale ist Pallas etwas von
der Seite vorgestellt, wie dies auf Reliefs bei sitzenden Figuren meistens
der Fall ist. Die Gôttin sitzt namlich auf einem mit einem dicken
Kissen belegten Stuhle, der eine Rücklehne, aber keine Armlehnen hat

1. Haug, Die Viergôttersteine (in der Westdeutschen Zeitschrift, 1891), S. 302: «So
tritt uns zunâchst Pallas-Minerva entgegen urid zwar immer in dem ruhig stehenden
Typus, wo die Waffen nur noch Attrihute sind und nicht zum Gebrauche erhoben
werden.»
 
Annotationen