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Bock, Franz
Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters: oder Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung (Band 3): [Die Paramentik des Altares und des Chores im Mittelalter] — Bonn, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.26752#0155

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gestickten Theile der Casel vor Friction geschützt würden, wenn
das Schoosstuch aus schweren Goldstoffen oder aus reichgestickten
Seidenzeugen bestände.

14.

Das Fasten- oder Hungertuch,

(velum quadragesimale vel templi).

Noch lange nach dem Eintritt der sogenannten Renaissance,
die sich in deutschen Kirchen fast überall durch hastige und un-
berechtigte Entfernung der älteren textilen Ausstattungsgegenstände
kund gabx), befand sich in den meisten grösseren Kirchen eine
architektonische Trennung zwischen Chor und Schiff, die man Lett-
ner oder Apostelgang, im Französischen jubd oder ecran nannte * 2).
In Pfarr- oder kleineren Klosterkirchen bestand dieser Abschluss
gewöhnlich aus einer massiven horizontalen Balkenlage zwischen
den beiden Pfeilern des Triumphbogens am Eingänge des Chores,
welche in der Regel mit den Halbbildern der zwölf Apostel in Re-
lief geschmückt war. Unter diesem reich verzierten Balken, der
auch ein grosses Crucifix mit den beiden geschnitzten Passions-
bildern trug, waren die Chorschranken angebracht.

Dieser horizontal liegende Abschluss wurde nun in kleineren
Kirchen zugleich dazu benutzt, um an demselben den grossen Vor-
hang schiebbar zu befestigen, der für die Fastenzeit kirchlich vor-
geschrieben war und eine vollständige Trennung des Fangschiffes
vom Chor herstellte. War aber das lectorium zu einer architek-
tonisch reich und grossartig angelegten Sängerbühne gestaltet, so
wurde dieses pallium quadragesimale häufig im Hochchor selbst und
zwar über jener Stufe aufgehängt, welche zum engeren Presbyte-
rium führte, so dass auch der Stiftsgeistlichkeit im Chor der Ein-
blick in das Allerheiligste vollständig entzogen wurde. In jenen,
grossen Kathedralen endlich, wo sich die Seitenschiffe um den Chor
herum fortsetzten, wurden auch zwischen den Pfeilern des Chores
mehrere kleinere Vorhänge angebracht, wenn ein solcher Abschluss

Ü Cf. Seite 95 Anmerkung 1.

2) Ueber die Anlage und Einrichtung solcher grösseren Lettner vgl. Bou-
rasse: Dictionnaire de l’archeologie sacree, Paris 1851, s. v. jub6 und
€cran. Ferner: Viollet-le-Duc: JDict. de l’Architecture frang. Paris 1868,
s. v. jube. Die interessantesten und schönsten Vorbilder solcher lectoria
in Deutschland finden sich heute noch zu Oberwesel, Wetzlar, Xanten,
Kidderich im Rheingau etc.
 
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