Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Boll, Franz
Sphaera: neue griechische Texte und Untersuchungen zur Geschichte der Sternbilder — Leipzig, 1903

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.19748#0175

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1335

•J.Dezember. WUUl-J lfiNSOHIUl<T FÜR KLASSISCHE PHILOLOGIE. 190:5. Nu. 49.

AVagen, die aus Mauilius und wobl auch aus Non-
uus (Dionys. 38, 420) zu erschliefseu war uud iu
mittelalterlichen Handschriften tatsächlich vorliegt,
wird nun durch Worte wie ^vioy^oq sni äq^iaxoc
als der ursprüngliche Typus erwiesen. Auch die
mehrfach vorgetragene Ansicht, Ariadne selber sei
an den Himmel versetzt worden, findet nun ihre
Bestätigung. Doch darf jene gewöhnlich nicht
mit der Virgo identifiziert werden, was früher
meist geschah, und was ich für Mauilius auch
heute noch aufrecht erhalte, sondern ist, wie schon
Scaliger meinte, als Erweiterung des Sternbildes
der Krone anzusehen. Ebenso ist jetzt für den
öcfic eniöevöqoQ, gegen den Engonasin-Herakles
ankämpft, und für die Vereinigung der zwei
Himmelsströme, Acma Aquari und Eridanus, beides
seither nur aus Illustrationen späterer Codices be-
kannt, die antike Herkunft deutlich bezeugt.
Letztere Vorstellung, von der Zusammengehörig-
keit der liamina, vermag B. auf Grund der ge-
wonnenen Erkenntnis auch bei Mauilius aufzu-
zeigen (dessen Verse II 440/2 allerdings trotz des
neuesten Kommentars von Housmau, London 1903,
noch immer ihres Interpreten harren), doch läfst
er unentschieden, ob sie ursprünglich oder sekun-
sei, wennschon er jenes für wahrscheinlicher hält.3;
Als griechische Neubildungen erweist B. im weite-
ren Verlauf der Untersuchungen mit grofser Wahr-
scheinlichkeit einige Nova: so die Sterngruppe der
drei Chariten = Orionsgürtel und das Eintreten der
Hebe für Acpiarius, dies wohl uuter ägyptischem
Einflufs,

Für die gemeiugriechische Sphäre ist damit
der Gewinn in der Hauptsache gebucht, für die
ägyptische beläuft er sich beträchtlich höher.
Dafs B. hier über blofse Hypothesen im Gegen-
satz zu seinen Vorgängern weit hinausgekommen
ist, verdankt er vorwiegend seiner glücklichen,
für die ägyptische Altertumskunde sehr wichtigen
Interpretation zweier Denkmäler des Nillandes.
Im Tempel der grofsen Hathor zu Dendera wur-
den durch Napoleons Expedition zwei Decken-
skulpturen aus der frühesten Kaiserzeit bekannt,
die beide, wie erst jetzt klar wird, für astrolo-
gische Zwecke das damalige ägyptische Himmels-

3) für die Verbreitung der Zusammengehörigkeit
der Flüsse in der griechischen Sphäre spricht auch
eine Stelle bei Abu Ma'sar (S. 501 Boll): 'Nach Ptole-
maeus die Biegung des Flusses und der Ausgufs des
Wassers an seinem Ende', dieselbe durch Vermittlung
Ibn Ezras lateinisch in Scaligers Ausgabe des Ma-
uilius von 1(555 p. 337 'Fusio aquae, quae ex in extre-
mitate Fmvii*.

bild in schematischer Anordnung darstellen,
einmal iu runder und einmal in rechteckiger Forn
Mit ihren Figuren vermag nun Boll unter sorg-
fältiger Heranziehung anderer Monumente und
literarischer Notizen eine grofse Anzahl der iu
uuseren Listen erwähnten Sternbilder zu identi-
fizieren und damit deren Zugehörigkeit zur ägyp-
tischen Sphäre nachzuweisen. Dem Leser ermög-
licht er die Kontrolle durch treffliche Repro-
duktionen jener Denkmäler auf Tafel II—IV.
Wiederum hebe ich nur das Wichtigste heraus.
Neu sind die Gleichsetzungen Isis = Sothis = Sirius,
Isis mit Horns = Virgo, Eileithyia = Virgo, Eilei-
thyia = Cassiope. Der griechische Bootes findet
sich hier zum stierköpfigen Pflüger umgeformt
(als Arator kannte jenen auch Hermippus [bei
Hygin. p. a. II 4], Nigidius fr. CII Swob. uud Ariost
XX 81 [s. Maass, aus der Farnesina p. 30]) uud
Sirius durch Auubis ersetzt, der später an Stelle
des Hasen trat. Für Orion lernen wir die Deu-
tung "OatQii; imnog kennen, von der ich. eine Spur
bei Mauilius I 393 (subdueto vultuj wiederfinde,
für den grofsen Bären4) die Bezeichnung Qi6(j%ov
wfioc oder) Typhou (vgl. darüber jetzt A. Diete-
rich, eine Mithrasliturgie S. 72 u. 76). Ägyptische
Herkunft wird auch für die iu den sog. Cataste-
rismen bei dem To'iGxrjg erwähute Sterngruppe
nlolov erwiesen, die in der Folgezeit gewöhnlich
Corona australis genannt ward. 'Der in der
Barke' ist nämlich, wie die erwähnten Darstellungen
uud entsprechende schriftliche Nachrichten lehren,
bei den Ägyptern die Bezeichnung für den ersten
Dekan5) des Schützen. Ohne Zweifel haben also
die Quellen des Teucros und Autiochus die ägyp-
tischen Namen noch verstanden uud richtig zu
übersetzen gewnfst.

Die anderen Sternbilder unserer Texte, die
sich noch der ägyptischen Sphäre zuweisen lassen,
von der wir durch die wechselseitige Interpretation

4) In dem von Dieterich für die Geschichte der
Liturgie als so wichtig erkannten Papyrusstück des
grofsen Pariser Zauberbuches werden poG%ov wfjoq und
üoy.Tog 1] xi/volaa rov ovouvöv identifiziert. Da man
letzteren Ausdruck auf den kleinen Bären deutete, die
Ägypter aber durch ein Schulterblatt das Sternbild
des grofsen Bären darstellten, war man zur Annahme
einer Differenz genötigt. Vergegenwärtigt man sich
jedoch, dafs schon lange vor diesen Texten bald der
ursa maior (German. Arat. 227) bald beiden Bären
'Manil. I 278. 444) die Drehung des Himmels zugeschrie-
ben wurde, so wird man sich hüten, die Worte uqy.ioc
r\ xivovßu t. 0. zu pressen.

"') Ursprünglich als Sternbilder gemeint, später
selbständig gewordene Göttergestaltcn.
 
Annotationen