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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0097

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Drittes Kapitel. Aus Zeug gemachte Altarbekleidungen 81

Darstellungen konnten auf ihm nicht angebracht werden. Am meisten empfahlen
sich sitzende Figuren, Halbfiguren und Brustbilder, welche deshalb auch bevorzugt
wurden. Stickte man dem Überhang szenische Darstellungen auf, so konnten das
nur kleinfigurige sein.

Ein vorzügliches Beispiel eines mit solchen Szenen geschmückten Überhanges
hat sich aus dem Mittelalter in der Galleria degli Arrazzi zu Florenz erhalten, das
großartigste und schönste, welches wir aus mittelalterlicher Zeit besitzen. Es
gehört zu dem früher erwähnten von Jacopo Cambi 1336 gestickten Prachtante-
neitdium11 und enthält nicht weniger als elf Szenen in rechteckigen Feldern, die durch
Einzelfiguren von Heiligen, welche unter spitzbogiger Arkade stehen, voneinander
geschieden sind. Es sind Darstellungen aus dem Leben der allerseligsten Jungfrau,
die Geburt Marias, ihre Darstellung im Tempel, ihre Vermählung, die Verkündigung,
die Geburt Christi, die Anbetung des Jesuskindes durch die Weisen, seine Auf-
opferung im Tempel, das 'Wiederfinden des Jesusknaben, Maria Tod und Maria Auf-
fahrt, alles Bilder von großer Schönheit der Komposition und Zeichnung und zugleich
ausgezeichnet durch vollendete Technik. Der untere Saum des Überhanges ist mit
reichen geknüpften Goldfransen besetzt. Einen mit Miniaturszenen geschmückten
Überhang italienischer Herkunft, welcher dem 15. Jahrhundert entstammt, fand ich
in dem reichhaltigen Musee hislorique des tissus zu Lyon. Er zeigt Begebenheiten
ans der Passion im Wechsel mit Aposteifiguren, die unter spätgotischen Arkaden
angeordnet sind. Auch dieser Überhang ist eine vortreffliche Arbeit.

Ein drittes Beispiel, das jedoch nordfranzösischen oder belgischen Ursprunges
ist, besitzt das Museum des Parc du Cinquantcnaire zu Brüssel. Es ist eine Schöpfung
der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, heute an einem nachmittelalterlichen Ante-
pendium angebracht, das sich aus Bestandteilen verschiedener Zeiten (14.—16. Jahr-
hundert) zusammensetzt, und mit neunzehn Szenen aus dem Leben des hl. Martin
geschmückt, die ohne Trennung sich aneinander anschließen. Zu Beginn der Reihe
steht unter einer Arkade ein musizierender, am Schluß ein inzensierender Engel,
der untere Saum ist mit Kordonnetfransen verziert. Der leider mangelhaft erhaltene,
in Seide auf gesticktem Goldgrund ausgeführte Überhang war einst ein überaus
prächtiges Stück. Er befand sich in St. Martin zu Lüttich".

Ein prächtiges Stück ist ein Überhang im Historischen Museum zu Bern aus
Kloster Königsfelden, wie das früher erwähnte Antependium mit den sieben Szenen
aus der Passion und Verherrlichung Christi, dessen Ergänzung es bildet, ein Geschenk
Herzog Albrecht IL von Österreich (t 1358) (Tafel 122). In zweiundzwanzig Ab-
teilungen gegliedert, enthält er in den beiden mittleren eine Krönung Marias, in
den übrigen musizierende, jubilierende und anbetende Engel, schöne Halbfigureu
hinter einem Zinnenkranz und überdacht von flachem, auf vorkragenden Stützen
ruhenden Baldachin. Den unteren Rand schmücken lange dichte Seidenfransen.

Andere schöne, mit figürlichen Darstellungen bestickte mittelalterliche Über-
hänge gibt es im Museum des Großen Gartens zu Dresden, im ehem. Großherzogl.
Museum zu Schwerin in Mecklenburg - Schwerin, in der Marienkirche zu Danzig, im
Museum des Bargello zu Florenz, in S. Francesco zu Assisi und in der Klosterkirche
zu Vadstena (Schweden). AuE dem Dresdener Überhang (15. Jahrhundert) ist in
der Mitte die Verkündigung dargestellt, links der hl. Johannes Evangelist und ein
heiliger Bischof, rechts der hl. Donatus und der hl. Brictius. An die Heiligen, die
als Halbbilder gegeben und von Unterschriften begleitet sind, ausgenommen die
Figur des Bischofs, bei der sie heute fehlt, schließt sich beiderseits ein Wappen an.

Der aus blauem Samt gemachte und mit gelben seidenen Fransen besetzte,
heute im Museum zu Schwerin befindliche Überhang (15. Jahrhundert) zeigt in der
Mitte eine Darstellung der hhl. Dreifaltigkeit, an welche sich in Form von Ganz-

" Vgl. oben S. 63. du Parc du Cinquanienaire (Bruxelles o. J.)

I! Abb. bei J. Destree, Les Musi-es royaus Livr. 21.

Braun, Der christliche Altar II. 6
 
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