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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0533

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Achfes Kapitel. Inschriften auf den Retabeln 517

gehalten, dessen Bekrönung dieselben besonders gern bevölkern. Die allegorischen
Gestalten der Kirche und der Synagoge sucht man im Bildwerk der Retabeln der
Renaissance und des Barocks vergebens, um so häufiger trifft man in ihnen gespreizt
und anspruchsvoll auftretende allegorische Frauengestalten an, welche die Tugenden
des Glaubens, der Hoffnung, der Gottes- und Nächstenliebe, der Demut und andere
Tugenden sinnbildlich darstellen. Völlig ausgeschaltet sind in den Darstellungen
der Renaissance- und Barock retabeln die legendenhaften Züge, welche in dem Bild-
werk der mittelalterlichen Altaraufsätze in so weitgehendem Maße zur Geltung
kommen und in ihrer naiven Frömmigkeit oft so traulich und anheimelnd wirken.

Erhalten blieb im Bildwerk der Retabeln des 17. und 18. Jahrhunderts, was das
spätere Mittelalter an Abzeichen der Heiligen ersonnen und festgelegt halle. Um
neue bereichert wurden dieselben fast nur für die Heiligen, welche erst die nach-
mitielalterliche Zeit hervorbrachte, im übrigen erwies sich die Zeit der Spät-
renaissance und des Barocks in bezug auf die die Heiligenfiguren kennzeichnenden
Attribute wenig schöpferisch.

ACHTES KAPITEL

INSCHRIFTEN AUF DEN RETABELN

Auf den Retabeln des Mittelalters und der Frührenaissance finden sich
überaus oft I n s c h r i f t e n. Auf den Metallretabeln sind sie bald getrieben
oder graviert, bald in Email gearbeitet, bald in Vergoldung auf gebräuntem
Grunde hergestellt Auf den gemalten sind sie gewöhnlich gemalt, doch sind
sie auf ihnen auch wohl in den Kreidegrund der Malereien eingraviert. Ge-
schnitzten Retabeln sind die Inschriften ebenfalls meist nur aufgemalt, sel-
tener sind sie auf denselben in Relief aus dem Holz herausgehoben oder in
den Kreideauftrag, mit dem die Figuren und das Gehäuse vor ihrer Bemalung
versehen wurden, eingeschnitten.

Die Weise, in der die Inschriften auf den Retabeln angebracht sind, ist sehr
mannigfaltig. Bald stehen sie in Form eines Frieses auf dem Rahmen des Re-
tabels, auf dem dieses horizontal und vertikal teilenden Leistenwerk, auf sei-
nem Sockel oder auf seinem Kranzsims bzw. dem es oben abschließenden
Gebälk, bald sei es auf Spruchbändern, sei es in Reihen angeordnet als Fül-
lung zwischen den Figuren auf dem Grund des Bildwerks oder auf dem
Hintergrund der in den Retabeln aufgestellten Statuen. Häufig finden sich
Inschriften in den Büchern, welche die Figuren aufgeschlagen in den Händen
haben, auf Spruchbändern, die sie halten, in den Nimben, von denen ihr Kopf
umgeben ist, sowie auf den Säumen ihrer Gewänder, auf den Gewandsäumen
besonders bei deutschen und flämischen Retabeln.

Die Inschriften waren kein zufälliges, gleichgültiges oder gar fremdes Element
auf den Retabeln des Mittelalters und der Frührenaissanee, sie waren vielmehr ein be-
deutungsvoller Bestandteil seines Dekors, ähnlich wie die Ranken-, die Blatt- und die
geometrisch gemusterten Friese, mit denen man den Rahmen, die Leisten, den Sockel
und den Sims zu verzieren pflegte, das Blattwerk, mit dem man die Kehlen und
Zwickel zu füllen liebte,' das Blatt-, Ranken- und Tierwerk, mit dem man die Hinter-
grunde musterte. Besonders klar tritt der ornamentale Charakter der Inschriften
'Wage, wenn sie in Form von Friesen als Ersatz für Ranken- oder Blattfriese den
"ahmen oder die Leisten schmücken, wenn sie den Rand entlang in den Nimben
angebracht sind, oder wenn sie auf den Borten, welche den Saum der Gewänder um-
 
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