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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0193

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Zweites Kapitel. Die Altarstufen 177

von zwei Stufen reden, einer höheren und ein niederen6. In der Tat ist in dem Ordo
nicht nur von gradus, sondern auch von einem gradus altior und einem gradus infe-
rior die Rede0, jedoch handelt es sich bei diesen gradus nicht um Altarstufen, son-
dern uni die Stufen, die aus der vor dem Altar liegenden schola cantornm zum Altar-
raum hinaufführten. Man braucht, um das zu erkennen, nur die Angaben des zwei-
ten Ordo im Zusammenhang mit dem Übrigen zu prüfen und mit den entsprechenden
Anweisungen der andern älteren römischen Ordines zu vergleichen'. Selbst mit
den gradus, die im 6. Ordo Mabillons9 erwähnt werden — derselbe gehört etwa der
Wende des ersten Jahrtausends an —, sind noch nicht Altarstufen, sondern die zum
Presbyterium aufsteigenden Stufen gemeint, wie sich aus der Bedeutung des Wortes
in n. 5 des Ordo klar ergibt8.

Unsicher ist, was unter den gradus ante altare zu verstehen ist, die im Pöniten-
tiale des Pseudo-Theodor von Canterbury, einer in der zweiten Hälfte des 8. Jahr-
hunderts entstandenen Zusammenstellung kirchlicher Kanones, als unzulässig bezeich-
net werden: Gradus non debemus facere ante altare10. Sind die Stufen gemeint, die
aus der Kirche zum Altarraum und zum Altar hinaufführten; Stufen, die sonst so
wenig als verboten galten, daß es im Gegenteil weit verbreitete Sitte war, den
Altarraum von dem Schiff der Kirche, ja von der schola cantorum durch solche zu
scheiden? Sind nach dem Kanon Altarstufen verboten oder denkt er allgemein an
jede Art von Stufen vor dem Altar, ohne eine bestimmte im Auge zu haben? Leider
erhalten wir auf diese Fragen keine befriedigende Antwort. Zudem wissen wir nicht,
welche Verbreitung die in ihm ausgesprochen judaisierende Anschauung im
ö. Jahrhundert hatte und inwieweit sie damals in der Praxis ihren Ausdruck fand.

Keinen besseren Aufschluß, als die schriftlichen Quellen ihn betreffs der Ver-
wendung von Altarstufen im ersten Jahrtausend zu bieten vermögen, erhalten wir
über dieselbe durch die Bildwerke dieser Zeit. Mit einem Sockel ist der Altar
auf ihnen fast immer ausgestattet, was man aber vergebens sucht, sind Altarstüfen.
Das eine oder andere Mal, wie auf einigen Miniaturen des sog. Ashburnhampenta-
teuchs, könnte man allerdings bei oberflächlicher Betrachtung in dem stark verzeich-
neten abgetreppten Sockel so etwas wie naiv unbeholfen wiedergegebene AltarstuEen
vermuten. Bei genauer Prüfung sieht man aber bald, daß es sich nur um eine Dar-
stellung des Sockels handelt.

Am ehesten könnte es noch scheinen, als ob eine Altarstufe auf einem der Re-
liefs des Palliotto in S. Ambrogio zu Mailand wiedergegeben sei. Es ist das Bild,
das uns den hl. Ambrosius vor dem Altar in Schlaf versunken zeigt, während der
Subdiakon hinter dem Heiligen auf einem Schemel, der den Ambon darstellen soll,
die Epistel liest. Ambrosius steht auf der breiten Schräge, welche den weit vor-
tretenden Sockel mit dem Stipes verbindet, so daß es aussieht, es habe Meister
Wblvinius eine Altarstufe wiedergeben wollen (Tafel 101). Indessen bildet jene
Schräge auch hier nur einen Teil des Sockels; denn auf einem anderen Relief des
Palliotto, auf dem uns ein ganz gleichartiger Altar begegnet, ist die Schrägung er-
sichtlich nur Sockelschräge. Wenn der Künstler den hl. Ambrosius statt auf den
Boden auf die Schräge des Sockels des Altares stellte, auf der doch die Füße des
Heiligen kaum Platz fanden, so dürfte er das mit Rücksicht auf den Untersatz getan
haben, auf dem er zur Andeutung des Ambon den Subdiakon anbrachte. Der er-
höhten Stellung dieses letzteren müsse, so mag er gedacht haben, auch eine höhere

Die Bußbücher und das kanonische BuQver-
lahrcn [Düsseldorf 1808] 566). Der Kanon
gründet sich auf die Vorschrift des Mosaischen
Gesetzes: Non accedes per gradutn ad altare
meum (Ex. 20, 26) und geht von der irrigen
Auffassung aus, es seien gewisse Anordnungen
des alttcstamcnllirlieri JiilimljKsetzes auch noch
im Neuen Bunde in Geltung.

6 Schmid 74.



' N. 4 5 (M. 78, 970).



' Vgl. Ordo 1, n. 8; ordo 3, n. 8

ordo 5, n. 5

(M. 1. c. 041 979 986) sowie den \

on Duchesne

vi: t-.'j IT<; ti LI icliten Ordo (Duch. Orig.

463 f.).

a N. 4 und 10 <M. 1. c. 990).



• M. 1. c. 991.



10 L. 2, c. 1 De ecclcsia n. 3 (H

J. Schmitz,
 
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