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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0199

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Zweites Kapitel. Die Altarstufen 183

Aus dem Mittelalter liegen keine Vorschriften über die Beschaffenheit
der Altarstufen vor. Für die Stufen des Hochaltares wurde damals
durchaus Stein bevorzugt. Was sich an mittelalterlichen Hochaltarstufen
noch erhalten hat — und es gibt noch sehr viele Beispiele derselben —, ist
alles aus Stein gemacht. Steinstufen hatten vor Holzstufen nicht nur den
Vorzug größerer Festigkeit und Dauerhaftigkeit, sondern wirkten auc
monumentaler und harmonierten deshalb besser sowohl zur hervorragenden
Bedeutung des Hochaltares wie zum ganzen Bau der Kirche.

Bei den Nebenaltären, die, wie früher gesagt wurde, meist nur eine Stufe hatten,
waren im Mittelalter neben steinernen auch hölzerne Suppedancen, wie es scheint,
sehr gebräuchlich. Zahlreiche Nebenaltäre aus jener Zeit, die inzwischen ihrer Be-
stimmung entfremdet wurden, aber erhalten blieben, haben heute ihre Stufe ver-
loren. Bei manchen anderen ist die Stufe, mit der dieselben versehen sind, das Werk
einer nachmittelallerlichen Erneuerung. Das eine wie das andere erklärt sich leicht
bei der Annahme, daß das Suppedaneum, mit dem die meisten dieser Altäre ursprüng-
lich ausgestattet waren, aus Holz gemacht war. Hätte es aus Stein bestanden, so
würde es wohl bei manchen Altären, die heute ohne Stufe sind, nicht beseitigt worden
sein, bei anderen hätte es in diesem Falle in nachmittelalterlicher Zeit wahrscheinlich
nicht erneuert zu werden brauchen. Übrigens weist auch die Höhe mancher mittel-
alterlicher Nebenaltäre, deren Stufe heute verschwunden ist, sowie namentlich die
Beschaffenheit ihres Sockels deutlich darauf hin, daß das Suppedaneum, mit welchem
sie einst ausgestattet waren, nicht aus Stein, sondern ans Holz hergestellt war.

Sehr gebräuchlich wurden Holzstufen in der Zeit des Barocks, und zwar nicht
nur bei Nebenaltären, sondern auch heim Hochaltar. Begreiflich übrigens; denn die
Altäre, die nun entstanden, waren zu einem sehr großen Teil nicht mehr altaria fixa,
sondern nur altaria quasi-fixa, ja oft lediglich Holzgestelle, denen oben ein Porta-
ble eingefügt war.

Ornamentiert wurden die Stufen im Mittelalter wohl nur aus-
nahmsweise. Alles, was sich an Altarstufen aus demselben erhalten hat, ist
völlig schmucklos. In der Zeit der Renaissance wurden sie in Italien bisweilen
mit Marmoreinlagen verziert. Schöne Altarstufen dieser Art findet man
z. B. in S. Maria delle Grazie zu Brescia, in der Karmeliterkirche zu Padua,
in der Certosa bei Pavia, in S. Domenico zu Neapel. Die glänzendste Orna-
mentierung erhielten die Stufen des Hochaltares von S. Maria dei Gesuiti zu
Venedig. Sie erscheinen in reichster Intarsienarbeit, die in Verde antico auf
weißem Grund ausgeführt ist, ganz wie mit einem prunkvollen festlichen
Teppich überdeckt.
 
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