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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0278

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262 Vierter Abschnitt. Das Altarciborium und der Altarbaldachin

VfERTES KAPITEL

DER ALTARBALDACHIN

I. ALTARBALDACHINE AUS HOLZ
Über den Altarbaldachin und seine Verwendimg im Mittelalter liegt nur
dürftiges Quelienmaterial vor. Er war entweder aus Zeug angefertigt, das
über ein Gerippe aus Holz oder Metall gezogen war, oder aus Holz hergestellt.
Von Baldachinen der letzteren Art haben sich aus dem Mittelalter noch
mehrere erhalten. Die ältesten finden sich im Museum zu Barcelona und im
Bischöflichen Museum zu Vieh. Der Baldachin heißt katalonisch eibori.

Der Baldachin im Museum zu Barcelona besteht aus einem quadratischen Holz-
rahmen von etwa 1,80 mim Geviert, der mit einer Bretter decke versehen ist (Tafel 187).
Dieselbe ragte, von kleinen Konsolen gestützt, an drei Seiten etwa 15—20 cm über
den Rahmen hinaus. Heute ist das freilich nur mehr vorne der Fall, doch haben sich
an den Seiten wenigstens die Konsolen erhalten, welche die Vorkragung trugen.
Sowohl der Rahmen als auch die Decke sind reich bemalt. Die untere Fläche des
Rahmens und die zwischen den Konsolen liegenden Abteilungen des Deckenvor-
sprunges sind mit gefälligem Rankenwerk geschmückt. Die Decke zeigt in der Mitte
in kreisförmiger Umrahmung, die in Stuck ausgeführt, vergoldet und mit Nachbil-
dungen von Perlen und Edelsteinen belebt ist, den thronenden Christus, in den Ecken
die Evangelistenzeichen. Der Baldachin dürfte dem späten 12. Jahrhundert ent-
stammen. Um ihn über dem Altar zu befestigen, hatte man den vorderen und den
hinteren Balken des Rahmens beiderseits bis zur Wand geführt und sie mit ihren
Enden in dieselbe eingelassen1.

Der Baldachin im Bischöflichen Museum zu Vieh (Tafel 1S7) zeigt in der Malerei,
mit der er geschmückt ist, wie in der Bildung der Bekrönung schon den Einfluß
der Gotik. Er entstand wohl in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts und mißt 1,73 m
im Geviert. Ein Rahmen ist unter ihm nicht angebrachl, dagegen erhebt sich auf
ihm ein ca. 55 cm hoher Aufsatz, der oben durch Ausschnitte von der Form eines
umgekehrten spitzen Kleeblaftbogens mit Zacken ausgestattet ist. Die Malerei, mit
der er an der Unterseite verziert is!, stellt wie beim Baldachin im Museum zu
Barcelona in der Mitte den Ihronenden Christus, in den vier Ecken die Evangeiisteu-
symbole dar. Die in Stuck hergestellte, einst vergoldete, spitzovale Einfassung der
Figur des Erlösers ist mit einem leichten plastischen Rankenfries verziert. Der die
Unterseite ehedem ringsum umrahmende Stuckfries ist heute völlig zerstört. Der
bekrönende Aufsalz wird durch schmale vergoldete, mit nachgeahmten Perlen und
Edelsteinen geschmückte Stuckbänöer in drei Zonen geschieden. Die untere ist mit
feinen Ranken auf blauem Grund bemalt. Die mittlere, die die doppelte Breite der
unteren hat, war einst auf rotem Grund mit bemalten Rundscheiben geschmückt, zwi-
schen welche sich in der Mitte der Vorderseite ein Bild der thronenden Gottesmutter
einschob. Das letztere ist noch ziemlich gut erhalten, die Malereien der Scheiben sind
jedoch ganz zerstört. Die dritte Zone ist mit einer Reihe kleiner vergoldeter Vier-
pässe belebt. Die Zacken, in die sie oben endet, werden von einem mit Perlen- und
Edelsteinnachahmnngen ornamentierten vergoldeten Börtchen umsäumt. Sie trugen
ursprünglich wohl kleine Knäufchen als Abschluß, während die kräftigen Eckpfosten
des Aufsatzes ein schwerer Knauf bekrönt haben dürfte. Der Baldachin war an-
scheinend mittels Slangen oder Ketten an der Wand über dem Altar aufgehängt.

1 Diese eigenartige Befesligungsweise ist Abb. der Unterseite eines Baldachins in der
auch bei der Aufstellung des Baldachins im Sammlung Flandjura zu Barcelona in Cicerone
Museum wieder zur Anwendung gekommen. XVI (1924) 213.
 
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