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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0293

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FÜNFTER ABSCHNITT

DAS RETABEL

ERSTES KAPITEL

ALLGEMEINES

I. ALTER DER VERWENDUNG DES ALTARRETABELS
ÜBERSICHT ÜBER DIE GESCHICHTE SEINER VERWENDUNG

Die frühesten, alle Zweifel ausschließenden Belege für den Gebrauch des
Retabels erhalten wir erst im 11. Jahrhundert; über das 2. Jahrtausend hinaus
läßt er sich nicht mit Sicherheit nachweisen.

Man führt allerdings als Beispiel eines Retabels des 9. Jahrhunderts ein kost-
bares, mit Gold bekleidefes und überreich mit Edelsteinen besetztes Retabel in
St-Denis an, das, wie man sagt, von Karl dem Kahlen der Abtei geschenkt wurde1.
Das Retabel ist heute verschwunden, war aber im 17. Jahrhundert noch vorhanden.
Wir kennen es sowohl aus den eingehenden Beschreibungen, die ein älteres Inven-
tar5 und Dom Doublet3 von ihm geben, wie aus einer Abbildung auf einem
flämischen, gegenwärtig in englischem Privatbesitz befindlichen Gemälde, einem
ehemaligen Altarflügel5. Es war durch drei Rund bog enarkaden in ebenso viele
Abteilungen gegliedert. Die mittlere enthielt ein Bild des thronenden Erlösers; die
beiden seitliehen zeigten im Bogenfelde eine große, von zwei Engeln gehaltene
Hängekrone, im unteren Teil aber unter drei kleineren, rundbogigen Arkaden je
eine Heiligenfigur. Allein erstens war die fragliche Tafel keineswegs mit der von
Karl dem Kahlen gestifteten eins, da sie ganz anderes Bildwerk aufwies, als diese
nach der Inschrift, welche Abt Suger auf ihr anbringen ließ, gezeigt haben muß5.
Zweitens war die Tafel Karls des Kahlen kein Retabel, sondern, wie aus der aus-
drücklichen Angabe Sugers zweifellos hervorgeht, ein Frontale. Freilich spricht der
Abt etwas später von einer veterior tabula, die er mit weiterem Schmucke und einer
auf ihr Bildwerk bezüglichen Inschrift versah. Jedoch ist dieselbe dem Zusammenhang
nach eben das Frontale Karls des Kahlen, nicht eine von diesem verschiedene Tafel,
Wie man irrtümlich angenommen hat8. Drittens läßt die Abbildung der Tafel auf
dem vorhin erwähnten Gemälde kaum einen Zweifel, daß diese ein Werk des 11. oder
12. Jahrhunderts war. Wahrscheinlich war sie entweder die kostbare Goldtalel,

dergibt, bei Viollel, Arch. II, 26; er ist wieder-
holt bei Scbmid 189.

1 Labarte a. a. O., 162 f. ' ">t-^, ^"raT. " 'S "T, M"in

uns erzählt, dem Edelsteinsehmuck der von

Histoire des antiquites de l'abbaye de Karl dem Kahlen geschenkten Tafel noch

Samt-Denys c. 45. weitere Edelsteine hinzufügen. Außerdem ver-

* Eine gute Wiedergabe dieses Bildes, das sah er sie mit einer die Bilder der Tafel er-

die Messe des hl. Ägidius darstellt, gibt es in klärenden Inschrilt, die er in seinem Bericht

Alcuin Club Collection X, Percy Dearmer, Fitly vollständig mitteilt, und durch die wir Auf-

pictures ol gotbic altars (London 1910), Titel- Schluß über die auf ihr dargestellten Bilder

bild. Ein nach dem Bilde angefertigter Holz- erhalten. (Liber de rebus in admin. sua gestis-

schnitt, der bloß den Altar mit Zubehör wie- c. 32 [M. 136, 1283]). ■ Vgl. oben S. 92.
 
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