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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0295

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Erstes Kapitel. Allgemeines 279

unter dem Bogen des auf Porphyrsänlen ruhenden silbernen Ciboriums befand, wel-
ches Leo III. über dem Altar der hl. Petronilla in der gleichnamigen Rotunde bei
St. Peter errichtete15, ein Ausstattungsstück und ein Zubehör eben dieses Ciboriums.

Seit dem Beginn des 11. Jahrhunderts erhalten wir mehrfache Nach-
richten über Aitarretabeln, so daß ihre Verwendung seit dieser Zeit außer
Zweifel steht. •

So erzählt die Historia Valciodorensis motiasterii (Waussor), Abt Erembertus
(f 1033), der die Goldschmiedekunst verstand, habe für den Hochaltar der Kloster-
kirche zwei Silbertafeln angefertigt, die aber nur an den hohen Festen gebraucht
werden sollten. Die eine war ein Antependium; die andere wurde über dem Altar
vor den Schrein des hl. Eloquius gesetzt, war also ein Retabel10. Abt Theobald vom
Erlöserkloster zu Chieti stellte, wie er in seinem vom Jahre 1019 datierten Testa-
mente sagt, auf dem Hochaltar seiner Klosterkirche, die er vergrößert hatte, eine
icona eburnea, eine Elfenbeintafel auf, die in der Mitte das Bild der Gottesmutter,
zu beiden Seiten Bilder heiliger Märtyrer aufwies'7. 1069 ließ Bischof Raymund
von Eine für den Hochaltar seiner Kathedrale, unter Beihilfe der Gläubigen, die
zu dem Werk beitrugen, ein silbernes Retabel machen, das mit getriebenen Szenen
aus dem Alten Testamente geschmückt war'3. 1036 wird Erzbischof Guiffredus von
Narbonne durch den Vizekomes Berengar beschuldigt, die tabulae, posttabulae,
cruces und scrinia reliquiarum ihrer goldenen und silbernen Bekleidung beraubt
zu haben16. Die iabulae, um die es sich hier handelt, sind Altarfrontalien, unter den
posttabulae können wohl nur Reiabeln verstanden werden. Eine spanische Urkunde
vom Jahre 1073 erwähnt ein frontale argenteum et exauratum und ein retrofrontale
argenteunr™. Das beim Tode des Abtes Beraldus (1099—1119) abgefaßte Inventar
des Klosters Farfa verzeichnet tabulam ante altare principale majorem argeo-
team et deauratam et alteram minorem super eodem altare simili opere". Im Jahre
1105 ließ der Doge Ordelafo Falieri zu Konstantinopel für den Hochaltar in S. Marco
zu Venedig in Konstantinopel ein kostbares, mit Edelsteinen und Perlen verziertes
Retabel anfertigen". Das Retabel wurde 1209 unter dem Dogen Pietro Ziani und
dann nochmals 1345 unter dem Dogen Andrea Dandolo erneuert. In der Gestalt,
welche es bei dieser letzten Umarbeitung erhielt, ist es noch vorhanden. Eine
Emailinschrift der Pala d'oro, wie das Retabel gewöhnlich genannt wird, gibt eine
kurze Geschichte der Tafel bis zur letzten Erneuerung. Im Jahre 1135 schuf Erz-
bischof Didacus Gelmirez von Santiago de Compostella ein kostbares Retahel für
den Hochaltar seiner Kathedrale, nachdem er 1105 ihn mit einem herrlichen Frontale
geschmückt hatte53. Abt Wibald von Stablo aber ließ um die gleiche Zeit nicht
weniger denn drei großartige Retabeln anfertigen5*.

Retabeln aus dem 11. Jahrhundert sind keine mehr vorhanden5'*. Die ältesten,
die sich bis in unsere Zeit gerettet haben, gehören erst dem 12. Jahrhundert an, und
seihst diese sind sehr gering an Zahl. Es sind ein Steinretabel zu Carrieres-St-Denis

,! Vita Leonis III. n. 395 (t. c. 16): Fecit " Jutes Helbig, La sculpture et les arts pla-

5Uitem super altare beatae Petronülae... cybu- stiques au pays de Liege (Bruges 1890) 56f.

rium... atque iroaginem argenteara staute '** Marg. Burg veröffentlicht in Ottonische

sub arco de ipso cyburio pens. 1. 10 et semis. Plastik (Bonn 1922) TU. 82 unter der irrigen Be-

1! C. 43 (M. G. SS. XIV, 524). Zeichnung „Altai-vorsatz" eine in Kölner Pri-

" Muratori, Antiqu. ital. IV (Milano 1741) vatbesitz befindliche, niedrige, länglich recht-

'67, eckige, in der Mitte rechtwinklig überhöhte,

18 Bullet, motium. XLVII (1SS1) 442. mit fünf getriebenen Flachreliefs aus Zinn

11 Du Cange VI, 431. — Christus am Kreuz, Maria, Johannes, Kirche

10 Du Cange III, 616. und Synagoge (?) — aut dunkelblau bemaltem

" M. G. SS. XI, 578. Grund besetzte Tafel, die ersichtlich ein Re-

" Chron. Venet. 1. 9, c. 11 (Muratori, SS. labet darstellen soll. Die Tafel macht den Ein-

rer. ital. XII, 260). druck eines modernen Machwerkes. Auf keinen

" Historia Compost. I. 3, c. 44 (Florez XX, Fall geht es an, sie der ottoniscaen Kunst ein-

566). zureihen, wie Burg es tut.
 
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