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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0297

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Erstes Kapitel. Allgemeines 281

mit solchem geschmückt werden dürften. Denn das würde der Begründung, die sie
für den Brauch gibt, und die in gleicher Weise für alle Altäre galt, widersprechen.
Daß der Liber ritualis nur vom Hochaltar spricht, erklärt sich unschwer aus dem
Umstand, daß es zur Zeit seiner Entstehung noch nicht üblich war, auch die
Nebenaltäre mit Retabeln auszurüsten, sondern daß nur erst der Hochaltar mit
einem solchen ausgestattet wurde. Er hatte also keine Veranlassung, die Neben-
alläre zu nennen.

Größere Verbreitung erfuhr die Verwendung des Retabels im Laufe des.
14. Jahrhunderts, doch wurde sie auch in diesem noch keineswegs
allgemein. Das geschah vielmehr erst im Laufe des 15.

Es wäre durchaus irrig, wollte man annehmen, es seien schon im 13., jeden-
falls aber im 14. Jahrhundert so ziemlich alle Altäre mit Retabeln versehen worden,
nur seien die dieser Zeit entstammenden Aufsätze später zum größten Teil durch
andere ersetzt worden und zugrunde gegangen. Statt einen Aufsatz, sei es Bilder-
tafel, sei es Schrein, brachte man noch im 14., ja selbst 15. Jahrhundert gern über
dem Altar einen Behang an, so besonders in Frankreich und England, oder man
schmückte die Wand oberhalb des Altares mit Gemälden, so namentlich in Deutsch-
land. Hat man sich doch sogar in einigen der Kapellen des Chorumganges des
Kölner Domes damit begnügt, die Wand über dem Altare mit Malereien auszustatten,
ohne diese jemals durch ein Retabel zu ersetzen, wie es z. B. bei den Altären im.
Querschiff der Elisabethkirche zu Marburg, im Dom zu Xanten aber beim Annen-,.
Nikolaus- und Dreikönigenaltar später geschah, bei denen man im Ausgang des 15.
oder im Beginne des IG. Jahrhunderts vor die über ihnen angebrachten Gemälde
einen Schrein stellte. In Deutschland wird das Retabel erst in der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts allgemein. Von den etwa dreitausend mittelalterlichen Altären,
die sich ganz oder in Bruchstücken auf deutschem Boden erhalten haben, sind mehr
denn zwei Drittel erst nach 1450 entstanden, und zwar wohl nur ausnahmsweise als
Ersatz für einen älteren Schrein.

Die Zeit der Renaissance und des Barocks brachte die Ent-
wicklung zum Abschluß. Behänge über dem Altar als Ersatz des Retabels
kommen nun so gut wie ganz außer Gebrauch. Aber auch Wandmalereien
werden nur noch selten statt eines Aufsatzes über dem Altar angebracht. Be-
sonders in der Zeit des Barocks konnte man sich kaum mehr einen Altar ohne
irgendeine Art von Retabel denken, das nun zum ständigen Ausstattungs-
gegenstand desselben geworden ist. Es wurden deshalb auch in ihr nicht blott
die neuen Altäre regelmäßig mit einem Aufsatz versehen, auch die mittelalter-
lichen, die bis dahin noch etwa ohne einen solchen geblieben waren, erhalten
nachträglich ihr Retabel.

II. KIRCHLICHE BESTIMMUNGEN BETREFF DES RETABELS

SEGNUNG UND NAMEN DESSELBEN
Eine allgemein verbindliche Vorschrift, den Altar mit einem Retabel aus-
zustatten, besteht nicht, noch hat es jemals eine solche gegeben. Auf die An-
lage, ob eine im Fenster oberhalb des Altares befindliche Darstellung des
Titels desselben als Altarbild genüge, antwortete die Ritenkongregation unter
dem 10. November 1906: Imagines in vitris fenestrarum depietae, nihil cum
altari commune habent et t i t u 1 i imago super altari absolute
non praeeipitur. Si tarnen quaedam esset apponenda altari fixo imago, tituli
 
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