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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0592

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576 Sechster Abschnitt. Reüquienaltar und Sakrameatsaltar

jedoch meines Erachtens zu Unrecht. Welch einen Sinn hätten zu diesem Zweck ein
Turm, eine Patene und eine Taube von 30 Pfund Gewicht in einer Zeit gehabt, in
welcher die Gläubigen die Eucharistie noch mit nach Hause nahmen, in den Kirchen
dieselbe aber entweder nicht, oder doch nur in Gestalt der einen oder andern Partikel
als Viatikum für die Kranken aufbewahrt wurde. Es scheint mir sogar durchaus
zweifelhaft, ob die Türme, Patenen und Tauben überhaupt eucharistischen Zwecken
dienten, eucharistische Gefäße waren. Denn im Baptisterium der Laterankirche war
ja doch eine turris zur Aufbewahrung der Eucharistie ganz überflüssig, weil die Täuf-
linge nach der Taufe nicht im Baptisterium, sondern in der Kirche in der an die Taufe
und Firmung sich anschließenden Messe kommunizierten und dabei von den heiligen
Gestalten, die in dieser Messe konsekriert worden waren, empfingen. Der Turm mit
den Delphinen (LichthaUern), den Hilarus für das Baptisterium anfertigen ließ, war
wohl ein Turmleuchfer; die Tauben mögen ein symbolischer Zierat ihrer turris oder
ein Behälter für das hl. Chrisam gewesen sein11. Aber auch einmal angenommen, die
fraglichen Türme mit ihrem Zubehör seien ein Gerät zur Aufbewahrung der
Eucharistie gewesen, so befanden sie sich doch sicher nicht ständig auf dem Altar.
Es liegt zu einer solchen Annahme nicht nur kein Anhalt vor. es wäre auch der
damals noch herrschenden Katechumenendisziplin durchaus zuwider gewesen, das
Aller heiligste nach der eucharis tischen Feier auf dem Altar zu belassen. Im Lateranen-
sischen Baptisterium aber war seine dauernde Aufbewahrung auf dem Altar schon
durch den Umstand ausgeschlossen, daß dasselbe überhaupt keinen Altar enthielt
Seduüus (um 430) wird zwar nicht als Zeuge angerufen, daß man zu seiner Zeit
die Eucharistie auf dein Altar aufbewahrt habe, wohl aber, daß man sie schon in einem
taubenförmigen Gefäß zu bergen pflegte. So sagt A. J. Binterim": „Daher finden wir
fast den nämlichen Ausdruck des Chrysostomus (Hom. XIII. ad pop. Ant) bei Sedulius,
der ohne Zweifel von dem selbigen Gefäß spricht, welches den Leib Christi enthielt
und die Gestalt einer Taube hatte13", und unbegreiflicherweise noch in jüngster Zeit
Leclercq1*: „Comme pourtant d'autres usages primitifs, les textes — welche von der
Aufbewahrung der Eucharistie in einer Taube reden — deviennent nombreux et
explicites ä partir du IVe siecle .. . Sedulius ecrit: Sanctusque etc."." Indessen nicht
einmal hierfür kann er als Gewährsmann herangezogen werden. Denn er redet an
der in Frage kommenden Stelle nicht von einem taubenförmigen Gefäß, in dem man
die Eucharistie aufbewahrt hätte, noch überhaupt von der hL Eucharistie, sondern
von des Herrn Taufe im Jordan: Confestim patuere poli sanctusque columbae —
Spiritus in specie Christum vestivit honore16. Es ist geradezu unverständlich, daß
man in des Sedulius Worten je eine Erwähnung der euchar istischen Taube hat finden
können.

Häufig wird zum Beweis, daß man schon im 5. Jahrhundert den Altar zur Auf-
bewahrung des Allerheiligsten benutzte, das Testament angeführt, in dem der hl.
Perpetiius, Bischof von Tours (t472), dem Priester Amalarius hinterläßt peristerium
et columbam argenteam ad repositorium17, falls nicht die Kathedrale von Tours die

11 Dem Baptisleriiim der Kirche der hll. Ger- irrige, von einem Gelehrten dem andern enf-

vasius und Protasius schenkte Papst Innocenz lehnte Stellenangabe, hat es aher ersichüicli

(a. a. O.) auch ein vas ad oleum chrismae niciht der Mühe für wert erachtet, den Text

argenteum und 2 palenae ad chrismam. selbst nachzuprüfen. Denn er druckt denselben

11 Die vorzüglichsten Denkwürdigkeiten der nicht bloß genau in derselben Form ab, in der

christ-kath. Kirche il 2 (Mainz 1826) 148. man ihn bis dahin zu bieten pflegte, d. h. aus

'* Vgl. auch Kraus, Realencycl. 11, 821. dem Zusammenhang gerissen, sondern fiibt ihm

M Cabrol, Diction. d'archeol. ehret. III (Paris auch wieder die herkömmliehe falsche Deu-

1913) 2232. tung, obschon ein einziger Blick auf den Kon-

11 Dazu heißt es in der Fußnote: Depuis text genügt hätte, ihn zu belehren, daß des

plusieurs g£nCrations cette citation de Sedulius Sedulius' Worte in keiner Weise von der eucha-

se passe d'un enidit ä l'autre sous cette refe. ristischen Taube verstanden werden können,
rence: Ep. XII, qui ne repond a rien dana " Carm. pasch. 1. 2, v. 1688 s. (M. 19, 615).

Toeuvre de Sedulius. Leclercq verbessert die " M, 71, 1151.
 
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