Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 6.1867

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7149#0008
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
— 52 —

dachte und Eber und Wiſent mochten über dieſen Boden hin-
raſen, der jetzt durch den Kreuzgang und die Mauern des Mün-
ſters, gänzlich abgeſchloſſen gegen den Lärm des Lebens, den
Gebeinen längſt Vorausgegangener den ruhigſten Frieden be-
wahrt.

regen Kunſtſinn in allen Zweigen der bildenden und zeichnenden
Kuͤnſte, den wir bis ins 16. Jahrhundert verfolgen können und
der die Stadt mit ſo manchem, ſchön verzierten Baudenkmal
ſchmückte. Zahlreiche Schüler Bernward's unterhielten dieſen
Kunſtſinn und verpflanzten ihn auf ihre Nachfolger, ſo daß er
allgemach bildend auf die ganze Bürgerſchaft einwirkte. Daher
die Vorliebe für verzierte und mit Bildern geſchmückte Häuſer,
welche ſich bis auf die Zeit des dreißigjährigen Krieges all-
ſeitig kundgab.
Keine niederſächſiſche Stadt hat einen ſolchen Reichthum
verzierter Bürgerhäuſer wie Hildesheim; denn trotzdem, daß ſo
mancher alte Bau während der letzten fünfzig Jahre wegen
Baufälligkeit oder auch wegen Ungeſchmacks der Beſitzer nichts-
ſagenden Neubauten weichen mußte, iſt doch die Zahl der alten
Holzbauten noch immer eine ſo bedeutende, daß ſie der Stadt,
beſonders dem ſehr ausgedehnten nordöſtlichen Theile, einen
mittelalterlichen Charakter aufdrückt. Jn neueſter Zeit iſt der
Sinn für die Erhaltung und zweckmäßige Reſtauration der alten
Bauten in erfreulicher Weiſe wieder rege geworden, und dieſem
Umſtande verdankt die Stadt den Beſuch von zahlreichen Frem-
den, der auch für ihren materiellen Gewinn nicht ohne Belang
iſt.

Das hohe Alter des Roſenſtockes, der Friedhof und Kirche
ſchmückt, ſtellen, wenn wir auch von der Glaubwürdigkeit der
Legende gänzlich abſehen, bereits Nachrichten aus dem eilften
Jahrhundert hiſtoriſch feſt. Dieſen zufolge befahl ſchon Biſchof
Hezilo (geſt. 1079), der den durch Feuer zerſtörten Dom neu
aufbaute, dem verſchont gebliebenen Roſenſtock ,, als einem merk-
würdigen Denkmal der Vorzeit,'' die ſorgfältigſte Pflege ange-
deihen zu laſſen. Zweige und Wurzeln wurden während des
Baues durch einen gemauerten Canal gedeckt, und nachdem im
Jahre 1120 die Apſis vollendet, war der Rieſenſtrauch an dem
Mauerwerk emporgeführt. — Ganz wie im alten Rom der
Volksglaube auf den ruminaliſchen Baum ſah, der der Sage
nach des Romulus und Remus Kindheit beſchattet, ſah der
hildesheimiſche Volksglaube auf den mit der Gründung der
Stadt verwachſenen Roſenſtock. Ein böſes Omen war's, wenn
der Stock einmal wenig oder gar keine Blüthen trieb, ein gutes
Zeichen aber für das Wohlergehen der ganzen Stadt war's,
wenn er üppig grünte und blühte. Von der ungewöhnlichen
Lebenskraft dieſes merkwürdigen Strauches, der durch die um-
liegenden hohen Gebäude allerdings gegen die Ungunſt des Wet-
ters gut geſchützt iſt, zeugt es, daß derſelbe noch vor einigen
Jahren zwei ſtarke neue Zweige aus der Wurzel trieb, die be-
reits eine Höhe von 12 bis 16 Fuß erreicht haben.
Kein Ort der Stadt iſt von ſolch poetiſchem Zauber durch-
weht, wie dieſer von Dom und Kreuzgang eingerahmte Fried-
hof; die feierliche, elegiſche Ruhe, in welcher die vereinſamte
Capelle und die alten Grabmonumente vor uns liegen, wird
noch erhöht durch das Geflüſter des Roſenſtockes und des wil-
den Weines, der ſich zu den mannigfach verzierten Säulen der
Arcaden aufrankt; ſelbſt das Gezwitſcher der das Laub durch-
hüpfenden Vögel klingt vereinzelt und gedämpft, gleich als habe
auch ſie der heilige Schauer des Ortes erfaßt: — da plötzlich
erbebt die klare, ſonnige Luft von donnernder Muſik, das herr-
liche Domgeläute überſchüttet uns mit ſeinen hinreißenden ge-
waltigen Harmonieen, lebhafter wird's im Kreuzgang, Andäch-
tige aus Stadt und Dorf ſtrömen herbei und fuͤllen in bunter
Menge den Domhof, den auch wir jetzt unter dem bruſter-
ſchütternden, melodiſchen Donner der Cantabona betreten, um
uns durch ein Kunſtdenkmal aus grauen Jahrhunderten feſſeln
zu laſſen.- Es iſt die eherne, über 22 Fuß hohe ,,Chriſtus-
ſäule'', vor welcher wir inmitten des Domhofes ſtehen, ein
Werk des gelehrten und kunſtfertigen Biſchofs Bernward (geſt.
1022), der ſich um Erweiterung und Befeſtigung der Stadt
die größten Verdienſte erwarb und mit Recht ihr zweiter Grün-
der genannt wird. Die Säule iſt in neuerer Zeit, ebenſo wie
die mit Bildern verzierten, ehernen Domthürflügel Bernwards,
durch illuſtrirte Werke und Gypsabgüſſe weit und breit bekannt
geworden: hier ſtehen wir nun vor dem mehr als achthundert
Jahre alten Original. Jn achtmaliger Windung ſchlingen ſich
Reliefs um die Säule, welche Wunder und Thaten aus dem
Leben Jeſu darſtellen, während die Gruppen an den ehernen
Domthürflügeln auch Begebenheiten aus dem alten Teſtament
vorführen.
Von der kunſtfertigen Hand des im Jahre 1192 heilig ge-
ſprochenen Bernward bewahren hildesheimiſche Kirchenſchätze noch
manches Kleinod; er war gleich ausgezeichnet in der Malerei
und Schnitzkunſt wie im Erzguß, und leiſtete darin für ſeine
Zeit Bedeutendes. Seiner Anregung verdankt Hildesheim den

Begeben wir uns nun aus dem katholiſch⸗romantiſchen und
hochalterthümlichen Stadttheil zu dem bürgerlich-induſtriellen,
welcher uns die gedachten, bürgerlichen Holzbauten aus dem
ſpätern Mittelalter aufweist. Gleichſam auf der Scheide dieſer
Stadttheile ſtoßen wir nach rechts und links auf zwei ſehens-
werthe Gebäude. Das eine, jetzt ein Urſulinerinen-Kloſter,
trägt über der gothiſchen Eingangspforte ſeines maſſiven Unter-
baues die Zahl 1491, als die Jahreszahl ſeiner Erbauung.
Dieſes Haus mag dem Romantiker und dem Specialhiſtoriker
durch den Umſtand von Jntereſſe ſein, daß hier die bekannte
Geliebte Herzog Heinrich's des Jüngern von Braunſchweig, die
ſchöne Eva von Trott, nach ihrer vorgeblichen Beerdigung und
nach der zweiten Vermählung des Herzogs bis zu ihrem Tode
lebte. Das andere ſchräg gegenüberliegende Haus, eine ehe-
malige Curie, jetzt eine Weinhandlung, entſtand während der
durch die Einführung der lutheriſchen Reformation ausgebro-
chenen Zwiſtigkeiten zwiſchen Buͤrgerſchaft und Clerus. Dasſelbe
trägt auf dem langen Grundbalken des zweiten Stockes die
folgende in einer Zeile fortlaufende Jnſchrift von 1549, mit
welchen wir unſeren des Lateiniſchen kundigen Leſern ein kleines,
leicht zu löſendes Räthſel aufgeben wollen: ,, Virtus. Ecclesia.
Olerus. Daemon. Simonia. Cessat. Turbatur. Errat. Re-
gnat. Dominatur.

(Schluß folgt.)

JIJ. Correſpondenʒ.

Für den christlichen unstverein sid folgends weiters Beiträge
eingegangen: Von Hr. Decan Pfirsig in Bohlingen ahresbeitrag
1f. 15 r.; Herr Pf. Max Vhr1s in Rielasingen dto. 1 f. 15 Xr.;
orr Pf. Vissert in altershofen dto. 1 fl. 15 kr.; Horr Pf. Geri
n onstetten dto. 1 fl. 15 Er; Herr Pf. NadLor zu Nendorf dto. 1 J.
15 r.; Herr Pf. Vawmann za Orsingen dto. 1 f. 45 Xr.; Herr Pf.
Maeeid zu Ieohtingen dto. 1 f1. 15 kr.; Herr Pf. eiss zu rlof-
fen to. 1 f. 15 kr.; (pro 1867); Eerr Pf. Kun1s in Umkireh dto. 1 IA.
15 U.; err Pf. Gsehander in Ottenheim dto. 1 f. 15 r.; Herr
Pf. Oberle in Dauchingen pro 1866 und 1867 2 fl. 30 r. iezu
ie krüheren 123 1. 45 r. ergibt die Gosammtsumme von 138 fl.

Verantwortliche Redaction: Dr. Stephan Braun. — Druck und Verlag von J. Dilger in Freiburg
 
Annotationen