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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 6.1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.7149#0005
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Chriſtliche

Kunſtblätter

Organ des chriſtlichen Knnſtvereins der Erzdiöceſe reiburg.

(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 61.

Domine diloxi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

Januar 1867.

den Geiſt, der in ihnen eine Aehnlichkeit ſeiner ſelbſt erblickt,
einen göttlichen Gedanken ſchaut — die Schönheit der Seele
in der Harmonie ihres innern Lebens, die menſchliche Schön-
heit in dem abgewogenen Ebenmaße, der harmoniſchen Durch-
dringung des Jdealen und Realen, des Gedankens und der
Form, die beide vorausgehenden in ſich begreift und auf das
Urbild alles Schönen, die Schönheit Gottes hinweiſt. Jſt doch
der Cultus der Kirche ſelbſt das höchſte und vollendetſte Kunſt-
werk, oder vielmehr die Vereinigung des Höchſten und Beſten,
was die durch Chriſti Geiſt verklärte Kunſt geſchaffen.

J. Der heidniſche und der chriſtliche Tempel.
(Aus Dr. Hettingers ,,die Kunſt im Chriſtenthum'' Reetoratsrede am 2
— Januar 1866.)
Es iſt keine Frage, daß unter allen den Mächten, die das
Leben der Menſchen beſtimmen und geſtalten, die Religion die
mächtigſte iſt. Darum iſt es die Kunſt, auf welche der chriſt-
liche Geiſt nicht blos befruchtend eingewirkt, die er vielmehr
nach vielen Richtungen hin neu belcbt und uuf deu höchſten
Grad der Vollendung erhoben hat. ,,Alle Religionen nähren
die Kunſt'', ſchrieb Canova an Napoleon J., ,,aber keine in dem
Maße als die unſrige.'' Jſt die Kunſt nämlich die Darſtellung
des Jdeals, ſeine Erſcheinung in leiblicher Hülle, eine Offen-
barung des Göttlichen, Darſtellung des Unendlichen im End-
lichen, des Himmliſchen im Jrdiſchen, dann hat das Chriſten-
thum der Kunſt in Hinſicht auf Reichthum und Erhabenheit
der Jdeen, Tiefe und Wärme der Empfindung in dem Maße
eine neue Welt aufgeſchloſſen, als ſeine Lehre von Gott und
dem Menſchen die vorchriſtliche Weltanſchauung überragt.
Jndem das Chriſtenthum dem Blicke des Geiſtes ein über-
ſinnliches und überirdiſches Reich bot, die ewigen Jdeen Got-
tes, groß, heilig und erhaben in den ſichtbaren Geſtalten Chri-
ſti und ſeiner Heiligen vorüberführte, eine innere Welt mit all
den reinen und gewaltigen Motiven, die das Menſchenherz be-
wegen und erſchüttern vom Schuldgefühl und Reueſchmerz bis
zum Jubel und dem frohlockenden Entzücken begnadigter Seelen,
indem es über allen Zwieſpalt und alle Noth des Lebens die Jdee
des Opfers, und in dem Opfer und durch dasſelbe die Hoff-
nung, Erlöſung und Verſöhnung aufleuchten ließ, um alles
Erdenleid zu verklären, alles Dulden zu vergöttlichen, indem es
hinwies auf den Kampf zwiſchen himmliſchen und irdiſchen,
göttlichen und ſündigen Mächten und ſo alle menſchliche Ent-
wicklung zur höchſten Bedeutſamkeit erhob, indem es der todten,
ſtummen Natur Seele und Leben einhauchte, daß ſie wie ein
Heiligthum ward und eine Sprache des Göttlichen zum Men-
ſchen ſprach, hat die Kunſt im Bunde mit der Religion und
von ihr mit Liebe gepflegt, die ſchönſten Triumphe gefeiert. Da
die geoffenbarte Wahrheit über Alles ihr Licht ausgegoſſen, hat
ſie das Geſammtgebiet des Schönen verklärt, die Schönheit
körperlicher Weſen, die nur ſchön ſind für den Geiſt und durch

Wie wurde mir, als ich ins Jnn're nun
Der Kirche trat, und die Muſik der Himmel
Herunterſtieg, und der Geſtalten Fülle
Verſchwenderiſch aus Wand und Decke quoll,
Das Herrlichſte und Höchſte, gegenwärtig,
Vor den entzuͤckten Sinnen ſich bewegte;
Als ich ſie ſelbſt nun ſah, die Göttlichen,
Den Gruß des Engels, die Geburt des Herrn
Die heilige Mutter die herabgeſtiegene
Dreifaltigkeit, die leuchtende Verklaͤrung —
Als ich den Papſt drauf ſah in ſeiner Pracht
Das Hochamt halten und die Völker ſegnen.
O was iſt Goldes, was Juwelen Schein,
Womit der Erde Könige ſich ſchmücken!
Nur Er iſt mit dem Göttlichen umgeben,
Ein wahrhaft Reich des Himmels iſt ſein Haus,
Denn nicht von dieſer Welt ſind ſeine Formen.
Dies zeigt ſich vor Allem auf dem Gebiete der bildenden
Kunſt. Der griechiſche Tempel baut ſich aus den einfachſten,
primitiven Elementen der Architektur im Wandviereck mit Säu-
lenumgang und horizontaler Ueberdachung auf — durchgeführt
mit Klarheit, Feinheit und ſtrenger Conſequenz, von Magerkeit
gleichweit entfernt wie von Ueberladung. Aber die Materie
herrſcht noch, die reiche Zier kann die Armuth der Grundan-
lage nicht verbergen. Auch iſt es nicht die nach dem Unend-
lichen ſtrebende Jdee, die in ihm wohnt; endliche, in ſich ſelbſt
beſchloſſene und geſättigte Gedanken ſind es, die hier ein Haus
ſich bauen; jede aufſtrebende Linie darum wird durch eine ho-
rizontale niedergehalten und muß der Erde parallel laufen.
Jndem der Römer an die Stelle des Gebälkes nach dem Vor-
bilde der etruskiſchen Bauwerke die Wölbung ſetzte, gab er die
Grundlagen des chriſtlichen Tempelbaues. Aber es war der
 
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