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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 6.1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.7149#0028
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— 72 —

demnach als induſtriellen Humbug bezeichnen, wenn in öffent-
lichen Blättern zur Empfehlung dieſes Jnduſtriezweiges behauptet
wird, die Gußſtahlglocken kämen den bronzenen an Kraft und
Schönheit des Tones gleich. Das einzige Verdienſt, das dieſer
neue Jnduſtriezweig für ſich in Anſpruch nehmen kann, iſt die
Wohlfeilheit. Gußſtahlglocken koſten nur die Hälfte des Preiſes
anderer Glocken von gleicher Schwere. Dieſem Preisverhältniſſe
entſpricht aber auch genau das Werthverhältniß. Jene geprieſene
Wohlfeilheit wird aber mehr als zweifelhaft, wenn man den
möglichen Fall eines baldigen Zerbrechens der Glocke mit in
Rechnung bringt. Wenn eine Glocke von Glockenmetall zerbricht,
ſo repräſentirt das vorhandene Metall faſt zwei Drittel vom
früheren Werthe der Glocke. Wenn aber eine Gußſtahlglocke
zerbricht, ſo iſt das, was übrig bleibt, nur altes Gußeiſen,
und das Pfund davon kaum ſechs Pfennige werth. Das für
die Glocke ausgelegte Capital iſt alſo faſt ganz verloren, und
die bei der erſten Anſchaffung geſuchte Wohlfeilheit ſchlägt bei
der zweiten Anſchaffung in ihr Gegentheil um.

Was nun die ornamentale Ausſtattung dieſer Communion-
tücher betrifft, ſo gehört dieſelbe größtentheils der neueren Zei
an, und verliert ſich bald in die ſchwülſtigen Effecthaſchereien
der Zopfperiode; dieſelbe ſtimmt mit der Verzierungsweiſe des
Altartuches ſeit jener Zeit überein, als die Tagesmode die fland-
riſchen, ſpaniſchen und venetianiſchen Spitzen, und ſpäter die
dentelles und quipures, welche als koſtbare Zierde an die ſogenann-
ten ſpaniſchen Kragen angeſetzt wurden, auch auf die kirchlichen
Ornate und Bekleidungen übertrug. Da jedoch dieſes übrigens
ſolid und kunſtgerecht gearbeitete Klöppelwerk in feinem Leinen
meiſt hohe Preiſe erforderte, ſo beſchränkte man ſich bei den
Communiontüchern im XVJ. und XVJJ. Jahrhundert darauf,
dieſelben uur in mäßiger Breite mit einem paſſenden unterem
Saume in dieſem Spitzenwerk zu verzieren, wodurch der ernſte
kirchliche Charakter denſelben nicht benommen wurde.
Als man jedoch in den erſten Decennien dieſes Jahrhun-
derts bei der vollſtändigen Moderniſirung aller liturgiſchen,
namentlich ſtofflichen Utenſilien begann, die Säume des Altar-
tuches, der Alben und Chorröcklein in tändelnder flitterhafter
Weiſe mit werth- und kunſtloſen Tüll- und Fabrikſpitzen zu
garniren, ſah man ſich auch veranlaßt, die Communiontücher
mit einem ſolchen übermäßig breiten unſchönen und unprakti-
ſchen Spitzenbeſatze zu verſehen, dem man außerdem noch durch
eine Unterlage von hochrothem Perkal einen vermeintlichen Effeet
zu geben ſuchte.
Erſt in neueſter Zeit, nachdem man zur vollen Einſicht ge-
kommen iſt, daß das Leinenzeug der Kirche in gediegener und
würdiger Weiſe nach älteren Vorbildern ausgeſtattet werden
müſſe, und daß nicht nur die Breite der Säume mit der Aus-
dehnung des ganzen Ornates in richtigem Verhältniſſe ſtehen,
ſondern auch die Muſter einen ernſten kirchlichen Charakter an
den Tag legen müßen, hat man an vielen Orten, unterſtützt
durch den Eifer und das rege Jntereſſe von kirchlichen Kunſtver-
einen, mit vielem Erfolge wieder begonnen, neben den übrigen
liturgiſch⸗ſtofflichen Gebrauchsgegenſtänden auch die Communion-
tücher in einer Weiſe auszuſtatten, daß dieſelben hinſichtlich der
kunſtreich geſtickten Verzierungen einerſeits ſich den muſtergültigen
ähnlichen Leiſtungen des Mittelalters wieder zur Seite ſtelſen
können, und andererſeits mit den gewirkten Säumen der Aſtar-
tücher und den Randverzierungen der Alben in Technik und
Muſtereyklus wieder übereinſtimmen.
Da aber nicht alle Kirchen in der Lage ſind, unter Bei-
hülfe von tüchtig geübten Stickvereinen die Ränder der Com-
muniontücher durch paſſende Handarbeiten verzieren zu laſſen,
ſo hat unter anderen die Firma Giani in Wien (Kochmarkt
Nr. 53) in neueſter Zeit den glücklichen Verſuch gemacht, ein
ſchweres Damaſtleinen von dunkelbrauner und blauer Farbe
mit den verſchiedenſten Deſſins in romaniſchem und gothiſchem
Stil herzuſtellen, welches nicht nur durch ſeine Solidität eine große
Dauer verſpricht, ſondern auch durch die ernſte Muſterung und
Technik ſich vortheilhaft vor früheren Tüll-Säumen und baum-
wollenen Fabrikſpitzen auszeichnet.
Wir hatten in letzter Zeit häufig Gelegenheit, auch geſtickte
Säume zur Ausſtattung von Communiontüchern zu ſehen, welche
in mäßiger paſſender Breite gehalten waren und unter ver-
ſchiedenen Laubornamenten auch Spruchbänder mit paſſenden
Sprüchen auf die allerhöchſte Euchariſtie enthielten; dieſelben
waren theils in ungebleichten, perlgrauen Leinen-, theils in ge-
zwirnten farbigen Seidenfäden ſehr ſolid und haltbar ausge-
führt. Communiontücher für Sonn- und Feſttage mit ſolid
und kunſtgerecht gearbeiteten Spitzen findet man in Aachen bei
Joh. Lamberty (Jakobſtraße Nr. 114). Dr. Franz Bock.

JJJ. Die Communiontücher in der kathol. Kirche
Die Anwendung der feinen Leintücher bei Austheilung der
heiligen Communion iſt in der Weiſe, wie ſie heute in den
Kirchen des chriſtlichen Abendlandes durchgängig in Gebrauch
iſt, genau ſo alt wie die Communionbänke. Dieſe aber haben
erſt ſeit dem Schluße des Mittelalters Entſtehung und erſt ſpäter
allgemeinere Aufnahme gefunden und ſind alſo ziemlich neueren
Datums. Als man nämlich im Laufe des XVJ. und mehr noch
im XVJJ. Jahrhundert bei dem Eindringen der zu neuem
Scheinleben wieder erwachten antik-heidniſchen Anſchaungen und
Jdeen begann, auch in die Kirche mehr räumliche Freiheit und
Unbeſchränktheit zu bringen; als in Folge deſſen die zur An-
dacht ſtimmenden, in vielfarbigen Teppichmuſtern gebrannten
Fenſter in Wegfall kamen, um das ungeſchwächte grelle Tages-
licht einfallen zu laſſen; als ferner die vielen ſtofflichen Behänge
und vela, welche die Kirche ſeit den älteſten Zeiten zur ehrfurchts-
vollen Verhüllung der heiligen Gefäße und Geräthe am Altare
und im Chore anwandte, dem neuen lichtbegierigen Geiſte weichen
mußten: da glaubte man auch einzuſehen, daß die hohen, archi-
tektoniſch-monumentalen Apoſtelgänge, welche zwiſchen Chor und
Schiff errichtet waren, und zur Abſingung des Evangeliums und
oft auch als Bühne für die Chorſänger dienten, eigentlich nur
eine unpraktiſche Einrichtung und unnöthige Beſchränkung des frei-
ſchweifenden Blickes ſeien. Deßhalb wurden dieſe formſchönen Lett-
ner, an welchen ſich in der Regel die Holzſculptur in ihrem üppig-
ſten Formenreichthum und die Polychromie in ihrer prächtigſten
Geſammtwirkung entfaltete, in den meiſten hervorragenden Kirchen
des chriſtlichen Abendlandes einer nach dem anderen fortgebrochen
und an ihre Stelle die Communionbänke geſetzt. Denn da die
Nothwendigkeit einer localen Trennung des Chores vom Schiffe
der Kirche durchaus geboten erſchien, ſo errichtete man daſelbſt
jetzt höchſt einfache, anſpruchslofe Schranken in Holz oder Stein,
die aber jene Trennung bloß andeuteten und im Vergleich mit den
früheren prachtvollen lectoria faſt als Jronie ſich ausnahmen.
Um nun dieſe unanſehnlichen Chorſchranken auch in li-
turgiſcher Hinſicht zu einem praktiſchen Zwecke nutzbar zu machen,
begann man bald, die Ausſpendung der heiligen Communion an
denſelben vorzunehmen und ſie zu dieſem Ende mit feinen Lein-
tüchern auf einfacherer farbiger Unterlage, wie dies auch heute
noch der Fall iſt, zu bedecken.
Als Unterlage hierzu wurde an gewöhnlichen Tagen ein
rothes oder grünes Tuch, an Feſttagen aber ein der Farbe des
Tages entſprechendes ſeidenes genommen, welches alsdann mit dem
eigentlichen Communiontuche aus feinem Leinen bedeckt wurde.

Verantwortliche Redaetion: Dr. Stephan Braun. — Druck und Verlag von J. Dilger in Freiburg
 
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