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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 6.1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.7149#0033
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Chriſtliche

Kunſtblätter

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 68.

Domine dilexi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

Auguſt 1867.

l. Bur Geſchichte der Goldſchmiedekunſt,
oder:

Was iſt heute aus der Goldſchmiedekunſt geworden, und wie iſt derſelben
wieder aufzuhelfen?

ſchon bedeutend von dem tiefen Ruin erholt hat, in den die Flach-
heit der letzten Zeiten ſie geſtürzt hatte.
Wir wünſchen der Architektur zu dieſer jüngſt erfolgten Er-
hebung von ſo tiefen Falle von Herzen Glück und wollen hoffen,
daß ſie heute wie im Mittelalter ihren anregenden, leitenden,
aber nicht irreführenden Einfluß auf die übrigen mit ihr ver-
bundenen Schweſterkünſte ausüben möge.
Vor Allem aber bedarf eine Kunſtbranche einer thatkräfti-
gen Unterſtützung und Regenerirung, wenn ſie nicht durch die
Allgewalt der Maſchine aus der Reihe der ſchönen Künſte ver-
drängt und in die Kategorie des Metiers heruntergezogen wer-
den ſoll: wir meinen die von unſeren Voreltern ſo hochgeehrte
Kunſt des ,,freien Goldſchmiedegewerkes''. Was die Goldſchmiede-
kunſt als bevorzugte Lieblingstochter der Kirche ſeit den unbe-
kannten Verfertigern jener prachtvollen Reliquienſchreine bis auf
Cellini, den jüngſten und zierlichſten der Goldſchmiede zur Zierde
des Altars angefertigt hat, davon legen Zeugniß ab die vielen
ungekannten, namentlich in den Kirchen Deutſchlands noch vor-
findlichen Pracht⸗Geräthſchaften und Gefäße.
Jm XVJ. Jahrhunderte hörte die Goldſchmiedekunſt auf,
ihre Schöpfungen im Dienſte des Altars in dem großartigen
Maaßſtabe der bisherigen Leiſtungen auszuführen; ſie wurde hof-
fähig und trat in den Sold der Fürſten, des Adels und des
reichen Patriciers.
Die Kirche konnte nämlich am Schluße des Mittelalters,
bei dem Wehen eines neuen feindlichen Zeitgeiſtes, den Meiſter
(opifex, magister argentarius) nicht mehr hinlänglich be-
ſchäftigen; dieſer ſuchte ſich daher eine neue Kundſchaft, die ihm
der Luxns der Großen und die Gefallſucht der Mode bei der
erſtaunlichen Fertigkeit, die er ſich im Graviren, Ciſeliren und
Emailliren und in den getriebenen Arbeiten erworben hatte,
bereitwilligſt bot. Und ſo trat denn nach und nach der Meiſter
vom alten Schlage, der in dem Bereiche der edelen Metalle
ein kunſtgerechter Schmied geweſen war, vom Schauplatz ſeiner
Thätigkeit ab und mußte zuſehen, wie ſeine Schüler und Nach-
folger ihr Gewerk als künſtliche Bijouteriſten im Kleinen be-
trieben, das er vornals auf der Höhe der Kunſt im Großen ge-
handhabt hatte.
as grüne Gewölbe zu Dresden mit ſeinen niedlichen und

Der neuereu Zeit gebührt unſtreitig das Verdienſt, daß ſie der
angeſtammten nationalen Kunſtweiſe des Mittelalters wieder ge-
recht geworden iſt. Bei der inneren Zerfahrenheit und platten
Gehaltloſigkeit, zu der die moderne Kunſt hentigen Tages viel-
fach herabgeſunken iſt, wird man es erklärlich finden, daß der
Hochwürdigſte Epiſkopat in Deutſchland, Frankreich und Eng-
land, unter Mitwirkung namhafter Archäologen und unterſtützt
durch thätige Beihülfe chriſtlicher Kunſtvereine und gelehrter
kunſthiſtoriſcher Geſellſchaften, ſeine Sorgfalt auch dahin aus-
gedehnt hat, daß man auf kirchlichem Gebiete bei Neuſchaffungen
jene ernſteren gehaltvolleren Kunſtformen wieder adoptire, die
das Mittelalter mit ſo reichem Erfolg zur würdevollen Feier
des Gottesdienſtes angewandt hat.
Von dem Gedanken geleitet, daß die chriſtliche Kunſt vor-
zugsweiſe den Beruf habe, als mächtiges Vehikel den Menſchen
himmelwärts zu heben und ſeinen Geiſt hinzuführen zu dem
Urquell aller Schönheit und Geſetzmäßigkeit, hat man in letzten
Zeiten mit Recht der Architektur, als Mutter und Lehrmeiſterin
aller übrigen Kleinkünſte, eine beſondere Aufmerkſamkeit zu
Pflege angedeihen laſſen. Die in letzter Zeit entſtandenen kirchlichen
und profanen Bauwerke eines Pugin und Scott in England, eines
Desjardins, Viollet-le-Duc, Laſſus in Frankreich und eines
Zwirner nnd ſeiner Schule am Rheine, Hübſch in Baden ſind ſpre-
chende Belege dafür, daß man heute, uach der noch nicht allſeitig er-
folgten Ueberwindung einer hinkenden, geiſtlos imitirenden , Gothik'',
in einer glücklicheren Tranſitions-Periode ſich befindet, und daß
man in den Geiſt, in die leitenden Principien der altdeutſchen
Kunſt einzudringen verſucht, anſtatt wie vorhin kopflos auf die
todten ſpielenden Formen derſelben Jagd zu machen. Ein ange-
ſtrengtes beharrliches und allſeitiges Studium der zahlreichen
noch vorfindlichen Muſterbauten des Mittelalters und ein tieferes
Eindringen einzelner Begabter in die innere bewunderungswüdige
Geſetzmäßigkeit und in die organiſche Gliederung der altdeutſchen
Bauform iſt Urſache geweſen, daß die kirchliche Architektur ſich
 
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